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Monatshefte für Kunstwissenschaft
hanges zwischen der Erfüllung seines Wunsches und dem Gewähren des päpstlichen
Anliegens hinweisen. Cosimo, als Medici ein Meister im politischen Schachspiel,
zauderte keinen Augenblick, einen Bürger zu opfern, um den Großherzog zu retten.
Piero wurde unter sicherer Bedeckung nach Rom gebracht und hier begann jetzt die
gräßliche Komödie eines Prozesses, in dem der Kläger auch der Richter und das Urteil
vor dem ersten Verhöre schon gefällt ist. Sich selbst wollte Piero entlasten,
aber die Namen seiner Schützlinge und Gesinnungsgenossen konnte ihm auch die
Folter nicht entreißen. Zu spät erkannte Cosimo, daß diese Sache nicht, wie er viel-
leicht angenommen hatte, zum Scheine geführt wurde, vergebens wandte er sich in
zwei eigenhändigen Schreiben zu Gunsten Pieros an den Papst, umsonst traten Gio-
vanna d'Austria und der Cardinal von Trient für den Angeschuldigten ein. Pius schwur,
lieber wolle er einen zehnfachen Mörder begnadigen als diesen verruchten Ketzer, und
so wurde denn am ersten Oktober des Jahres 1567 den Römern ein grausliches
Spektakel geboten. Sie sahen, wie Pietro Medici de' Carnesecchi, den sie voreinstens
den eigentlichen Papst geheißen hatten, aus seinem Kerker auf die Engelsbrücke
geschleppt wurde, wo ihm der Henker zuerst das Haupt vom Nacken herunterschlug
und den Körper sodann am Schandpfahl verbrannte. Es war ein ehrlicher Handel
gewesen. Cosimo hatte einen Menschen, dessen letzte Zuflucht er bedeutete, einen
Untertan, der des Herzogs eigenen Namen führen durfte, an seine Mörder verkauft und
nach einer Anstandsfrist von zwei Jahren erhielt er von Rom die Bezahlung, den Titel
eines „Granduca di Toscana"...
II.
In den „ragionamenti", wo sich Vasari gern als „messer Giorgio", als den
Träger einer goldenen Ritterkette gibt und am liebsten nur von seiner Leistung spricht,
hat er den Künstler nicht genannt, dem er die Vorlage für das Fresco-Porträt des
Piero Carnesecchi verdankte. Als Historiograph des italienischen Kunstschaffens aber
hat er auch einem lustigen Freunde und Nachahmer des Andrea del Sarto, dem
Domenico Puligo eine Biographie gewidmet, aus der wir erfahren 9, daß „von den
vielen Bildnissen, die Domenico schuf und die alle vortrefflich und von großer Ähn-
lichkeit sind, das Porträt des Monsignore messer Piero Carnesecchi, der damals ein
außerordentlich schöner Jüngling war, ihm am vorzüglichsten geriet". Dieses Hauptwerk
Puligos nun, das einzige zum mindesten von seinen „vielen Bildnissen", dessen Modell
Vasari nennt, gilt als verschollen. Mit Unrecht. Es hängt als „Porträt eines Unbekannten"
in den Uffizien zu Florenz, und so bietet sich denn die Möglichkeit, eine Künstler-
Persönlichkeit zu rekonstruieren, die uns bisher, da wir keine authentischen Bildnisse
von Puligos Hand besaßen, nur ein Begriff war, eine Gesamtbezeichnung für alle
Porträts aus dem ersten Drittel des florentiner Cinquecento, in denen die Art des
Andrea del Sarto mit größerem oder geringerem Talent nachgeahmt schien 2). Und
ß Vasari: vol. IV. p. 465 (vita di Domenico Puligo): „Fra molti ritratti ehe Domenico fece
di naturale, ehe tutti sono belli e molto somigliano, quello e bellissimo ehe fece di Monsignore
messer Piero Carnesecchi, allora bellissimo giovinetto".
2) Auch das Bildnis Carnesecchis gelangte auf diese Weise, als man in den florentiner
Galerien vor wenigen Wochen einige Porträts aus der Schule des Andrea auf den Namen
Monatshefte für Kunstwissenschaft
hanges zwischen der Erfüllung seines Wunsches und dem Gewähren des päpstlichen
Anliegens hinweisen. Cosimo, als Medici ein Meister im politischen Schachspiel,
zauderte keinen Augenblick, einen Bürger zu opfern, um den Großherzog zu retten.
Piero wurde unter sicherer Bedeckung nach Rom gebracht und hier begann jetzt die
gräßliche Komödie eines Prozesses, in dem der Kläger auch der Richter und das Urteil
vor dem ersten Verhöre schon gefällt ist. Sich selbst wollte Piero entlasten,
aber die Namen seiner Schützlinge und Gesinnungsgenossen konnte ihm auch die
Folter nicht entreißen. Zu spät erkannte Cosimo, daß diese Sache nicht, wie er viel-
leicht angenommen hatte, zum Scheine geführt wurde, vergebens wandte er sich in
zwei eigenhändigen Schreiben zu Gunsten Pieros an den Papst, umsonst traten Gio-
vanna d'Austria und der Cardinal von Trient für den Angeschuldigten ein. Pius schwur,
lieber wolle er einen zehnfachen Mörder begnadigen als diesen verruchten Ketzer, und
so wurde denn am ersten Oktober des Jahres 1567 den Römern ein grausliches
Spektakel geboten. Sie sahen, wie Pietro Medici de' Carnesecchi, den sie voreinstens
den eigentlichen Papst geheißen hatten, aus seinem Kerker auf die Engelsbrücke
geschleppt wurde, wo ihm der Henker zuerst das Haupt vom Nacken herunterschlug
und den Körper sodann am Schandpfahl verbrannte. Es war ein ehrlicher Handel
gewesen. Cosimo hatte einen Menschen, dessen letzte Zuflucht er bedeutete, einen
Untertan, der des Herzogs eigenen Namen führen durfte, an seine Mörder verkauft und
nach einer Anstandsfrist von zwei Jahren erhielt er von Rom die Bezahlung, den Titel
eines „Granduca di Toscana"...
II.
In den „ragionamenti", wo sich Vasari gern als „messer Giorgio", als den
Träger einer goldenen Ritterkette gibt und am liebsten nur von seiner Leistung spricht,
hat er den Künstler nicht genannt, dem er die Vorlage für das Fresco-Porträt des
Piero Carnesecchi verdankte. Als Historiograph des italienischen Kunstschaffens aber
hat er auch einem lustigen Freunde und Nachahmer des Andrea del Sarto, dem
Domenico Puligo eine Biographie gewidmet, aus der wir erfahren 9, daß „von den
vielen Bildnissen, die Domenico schuf und die alle vortrefflich und von großer Ähn-
lichkeit sind, das Porträt des Monsignore messer Piero Carnesecchi, der damals ein
außerordentlich schöner Jüngling war, ihm am vorzüglichsten geriet". Dieses Hauptwerk
Puligos nun, das einzige zum mindesten von seinen „vielen Bildnissen", dessen Modell
Vasari nennt, gilt als verschollen. Mit Unrecht. Es hängt als „Porträt eines Unbekannten"
in den Uffizien zu Florenz, und so bietet sich denn die Möglichkeit, eine Künstler-
Persönlichkeit zu rekonstruieren, die uns bisher, da wir keine authentischen Bildnisse
von Puligos Hand besaßen, nur ein Begriff war, eine Gesamtbezeichnung für alle
Porträts aus dem ersten Drittel des florentiner Cinquecento, in denen die Art des
Andrea del Sarto mit größerem oder geringerem Talent nachgeahmt schien 2). Und
ß Vasari: vol. IV. p. 465 (vita di Domenico Puligo): „Fra molti ritratti ehe Domenico fece
di naturale, ehe tutti sono belli e molto somigliano, quello e bellissimo ehe fece di Monsignore
messer Piero Carnesecchi, allora bellissimo giovinetto".
2) Auch das Bildnis Carnesecchis gelangte auf diese Weise, als man in den florentiner
Galerien vor wenigen Wochen einige Porträts aus der Schule des Andrea auf den Namen