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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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A. Schmarsow. Melozzo-Entdeckungen in Rom

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Gozzoli, und vermag diese Unterlage seiner Schulgewohnheit nicht zu verleugnen,
selbst wenn er in Rom auch andere Künstler gesehen hat und ihnen nachzueifern
versucht. Auf die nämliche Herkunft von Benozzo Gozzoli und Lorenzo da Viterbo
weist die Pilasterordnung, deren Kapitelle so gar nichts vom eifrigen Antikenstudium
des Piero della Francesca haben, geschweige denn von der sauberen Wiedergabe spät-
römischer Einzelformen, wie Melozzos Fresko in der Vatikanischen Pinakothek sie auf-
weist oder seine gemalte Marmorkuppel in Loreto. Auf Lorenzo da Viterbo geht auch
der Gottvater zurück, der eher etwas vom hausbackenen Wesen eines Fra Filippo
oder Fra Diamante mitbekommen hat, wie die beiden in Spoleto erscheinen, als von der
Wucht und Majestät auch nur der Apostelköpfe oder des auffahrenden Christus aus
Sti Apostoli, die man als Vergleichsstücke aus dem Werk des Forlivesen in Rom
zunächst herbeiziehen müßte. Keine kühne Verkürzung in der Halbfigur des Segnenden,
kein würdiger Charakter in dem Kopf Jehovahs.
Und die derbe Gottesmagd vom Lande, die ungeschickt und vierkantig dahin
kniet auf der schräggestellten hölzernen Fußbank, sagt uns schließlich, wer dieser Maler
aus dem Patrimonium Petri sein mag, sein muß. Sie trägt denselben Kopf, nur in
Wandmalerei etwas vergrößert und verbreitert, wie die Annunziata in der Kapelle ihrer
Bruderschaft in S. Maria sopra Minerva, in dem Bilde der nämlichen Szene mit dem
kleineren Stifterbildnis des Kardinals Torquemada und seinen Schützlingen, den heirats-
fähigen armen Mädchen, neben ihm, die ihre Säckchen mit der bescheidenen Mitgift
bekommen haben. Der anerkannte Meister dieses Altargemäldes in den Minerva ist
Antonatius Romanus; er hat auch das Wandbild in der Altarnische des Pantheon dicht
daneben gemalt. Nur steht er hier stärker unter dem Einfluß des Melozzo da Forli,
den er doch so wenig zu erreichen vermag, weil ihm die Körperkenntnis gebricht.
Die Schrägstellung des Schemels und der darauf knieenden Maria verrät auch, daß er
gewisse perspektivische Kompositionsregeln dieses Vorbildes wie des Piero della
Francesca zu befolgen sucht. Es ist das nämliche Regulativ radialer Anordnung, auf
das sich die ganze Schlüsselübergabe Peruginos in der Sixtinischen Kapelle aufbaut.
Gewisse Faltenmotive in den Gewändern so des Engels wie der Madonna könnte man
auf den Forlivesen zurückführen, noch sicherer vielleicht einige Farbenzusammen-
stellungen in den Stoffen der biblischen Tracht. Aber dies Verhältnis des römischen
Zunftmeisters zu dem Fremden ist längst bekannt und eingehend in dem Buche über
Melozzo dargetan worden, wie andrerseits die Herkunft von Lorenzo da Viterbo.
Damit genug, das Wandgemälde, das man in S. Maria Rotonda zutage gefördert
hat, gehört Antoniasso Romano und niemand anders! — Wie steht es nun mit dem
Bilde der Galleria Nazionale, dem hl. Sebastian mit seinen Stiftern?
Die nackte Gestalt des Heiligen, auf erhöhter Erdschwelle stehend, wie er an
einen Baumstamm, mit den Händen rückwärts, festgebunden gegen den landschaftlichen
Hintergrund und den freien Himmel sich abhebt, besitzt doch wohl nun den Grad der
Körperkenntnis und jene etwas schwerfällige Wucht des Knochenbaues, die wir soeben
von Melozzo da Forli ausgesagt haben? Ohne Zweifel, wer diese Gestalt im Palazzo
Corsini mit dem Wandbilde in S. Vito e Modesto vergleicht, die leider nicht im selben
Maßstab — wie es sich gehörte — aber doch bequem daneben im letzten Hefte der
 
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