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Monatshefte für Kunstwissenschaft
Tahert (Tiaret), die Hochburg der ibaditischen Berbern, die im VIII. und IX. Jahr-
hundert sehr aufgeblüht war, und Sidjilmäsa am Rande der marokkanischen Sahara,
wo die Sofriten „nach dem Vorbilde von Kufa“, wie es ausdrücklich heißt, imposante
Bauten aufgeführt hatten, weisen keine Erinnerung mehr an ihre Vergangenheit auf,
und auch in Fes, das, 806 gegründet, unter den Idrisiden schnell zu hoher Bedeutung
gelangte, sind aus dieser ersten Epoche keine profanen Denkmäler erhalten.
Zu Beginn des X. Jahrhunderts wurde vom Mahdi 'Obeidallah an der tunisischen
Küste die Hauptstadt der Fatimiden, Mehdia, angelegt, deren hochragender Königs-
palast angeblich eine Front von 360 Fenstern aufwies, und fast gleichzeitig bauten die
in die Wüste vertriebenen Ibaditen in Sedrata bei Wargla ihr neues Jerusalem auf,
das freilich schon im folgenden Jahrhundert zerstört wurde, aber in seinen geringen
Trümmern immerhin wichtige Anhaltspunkte für die Kunstgeschichte des Maghrib bietet.
Bei einem dort erhaltenen Palast bemerkt man die typische Anordnung der Säle um
einen Innenhof und das erste Beispiel einer Stuckdekoration der Wände in Motiven,
die auf textile Vorbilder schließen lassen 9.
In Spanien hatte bis dahin Cordoba die Führung behalten; doch sind die Nach-
richten über den Khalifenpalast spärlicher, als man erwarten sollte. Medinat ez-Zahra,
das 'Abderrahman III. im Jahre 936 anlegen ließ, war wohl das prächtigste und aus-
gedehnteste Lustschloß in der ganzen islamischen Welt. Leider fehlen uns auch hier
konkrete Angaben über die Disposition der verschiedenen Komplexe. Wir erfahren
nur, daß ein Brunnen mit reichem bildnerischen Schmuck im Harimshofe stand, und
daß eine Moschee vorhanden war. Ebenso ist von der architekturgeschichtlich inter-
essanten Einrichtung von Kuppelpavillons hier zuerst die Rede. Wie bei Baghdäd, so
gab es auch bei Cordoba einen Palast namens Ru^äfa.
Im XI. Jahrhundert wurde mit der Auflösung des Khalifats in die kleineren
Reiche der berberischen Taifa-Könige die Verschmelzung des gesamten Westens an-
gebahnt, die dann von Marokko aus die Murabtin (Almoraviden) und die Muwahdin
(Almohaden) vollzogen, und die als die politische Vorbereitung des sog. „maurischen"
Einheitsstiles zu betrachten ist, den wir zu dem eigentlich „arabischen", für Ägypten
und Syrien charakteristischen, in Gegensatz zu stellen gewohnt sind. Damals war
unter den Berberfamilien, die im Maghrib die Staatsgewalt inne hatten, die der Ziriten
die mächtigste. Sie residierten sowohl in Granada, wo sie sich auf dem später al-
Bayasin geheißenen Hügel einen stattlichen Palast errichtet hatten, wie auch in Tunis,
wo sie ursprünglich als Statthalter der Fatimiden saßen. Sie machten sich dort selbst-
ständig, verloren aber bald ihre Autorität an die Hammäditen, einen Zweig ihres
Hauses, der von seiner Qal'aa aus das mittlere Nordafrika beherrschte. In der Qal'aa
Hammad sind die Ruinen von drei Palästen nachgewiesen worden, von denen aber
der eine wegen seiner rein turmartigen Konstruktion hier nicht in Betracht kommt.
Beylie hat dort erfolgreiche Ausgrabungen unternommen, deren Resultate uns in einer
kürzlich erschienenen Publikation 2) vorliegen. Sie sind deshalb von besonderem Werte,
9 Vgl. Saladin, Manuel d'art musulman, Paris 1907, Fig. 152, 153.
2) L. de Beylie, La Kalaa des Beni Hammad. Paris 1909.
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Tahert (Tiaret), die Hochburg der ibaditischen Berbern, die im VIII. und IX. Jahr-
hundert sehr aufgeblüht war, und Sidjilmäsa am Rande der marokkanischen Sahara,
wo die Sofriten „nach dem Vorbilde von Kufa“, wie es ausdrücklich heißt, imposante
Bauten aufgeführt hatten, weisen keine Erinnerung mehr an ihre Vergangenheit auf,
und auch in Fes, das, 806 gegründet, unter den Idrisiden schnell zu hoher Bedeutung
gelangte, sind aus dieser ersten Epoche keine profanen Denkmäler erhalten.
Zu Beginn des X. Jahrhunderts wurde vom Mahdi 'Obeidallah an der tunisischen
Küste die Hauptstadt der Fatimiden, Mehdia, angelegt, deren hochragender Königs-
palast angeblich eine Front von 360 Fenstern aufwies, und fast gleichzeitig bauten die
in die Wüste vertriebenen Ibaditen in Sedrata bei Wargla ihr neues Jerusalem auf,
das freilich schon im folgenden Jahrhundert zerstört wurde, aber in seinen geringen
Trümmern immerhin wichtige Anhaltspunkte für die Kunstgeschichte des Maghrib bietet.
Bei einem dort erhaltenen Palast bemerkt man die typische Anordnung der Säle um
einen Innenhof und das erste Beispiel einer Stuckdekoration der Wände in Motiven,
die auf textile Vorbilder schließen lassen 9.
In Spanien hatte bis dahin Cordoba die Führung behalten; doch sind die Nach-
richten über den Khalifenpalast spärlicher, als man erwarten sollte. Medinat ez-Zahra,
das 'Abderrahman III. im Jahre 936 anlegen ließ, war wohl das prächtigste und aus-
gedehnteste Lustschloß in der ganzen islamischen Welt. Leider fehlen uns auch hier
konkrete Angaben über die Disposition der verschiedenen Komplexe. Wir erfahren
nur, daß ein Brunnen mit reichem bildnerischen Schmuck im Harimshofe stand, und
daß eine Moschee vorhanden war. Ebenso ist von der architekturgeschichtlich inter-
essanten Einrichtung von Kuppelpavillons hier zuerst die Rede. Wie bei Baghdäd, so
gab es auch bei Cordoba einen Palast namens Ru^äfa.
Im XI. Jahrhundert wurde mit der Auflösung des Khalifats in die kleineren
Reiche der berberischen Taifa-Könige die Verschmelzung des gesamten Westens an-
gebahnt, die dann von Marokko aus die Murabtin (Almoraviden) und die Muwahdin
(Almohaden) vollzogen, und die als die politische Vorbereitung des sog. „maurischen"
Einheitsstiles zu betrachten ist, den wir zu dem eigentlich „arabischen", für Ägypten
und Syrien charakteristischen, in Gegensatz zu stellen gewohnt sind. Damals war
unter den Berberfamilien, die im Maghrib die Staatsgewalt inne hatten, die der Ziriten
die mächtigste. Sie residierten sowohl in Granada, wo sie sich auf dem später al-
Bayasin geheißenen Hügel einen stattlichen Palast errichtet hatten, wie auch in Tunis,
wo sie ursprünglich als Statthalter der Fatimiden saßen. Sie machten sich dort selbst-
ständig, verloren aber bald ihre Autorität an die Hammäditen, einen Zweig ihres
Hauses, der von seiner Qal'aa aus das mittlere Nordafrika beherrschte. In der Qal'aa
Hammad sind die Ruinen von drei Palästen nachgewiesen worden, von denen aber
der eine wegen seiner rein turmartigen Konstruktion hier nicht in Betracht kommt.
Beylie hat dort erfolgreiche Ausgrabungen unternommen, deren Resultate uns in einer
kürzlich erschienenen Publikation 2) vorliegen. Sie sind deshalb von besonderem Werte,
9 Vgl. Saladin, Manuel d'art musulman, Paris 1907, Fig. 152, 153.
2) L. de Beylie, La Kalaa des Beni Hammad. Paris 1909.