STUDIEN UND FORSCHUNGEN
EIN FRÜHBILD
DES HAUSBUCHMEISTERS?
Es befindet sich nicht etwa in einer unbe-
kannten Privatsammlung noch irgendwo im Aus-
land, sondern unter den paar oberdeutschen Ge-
mälden des Cölner Wallraf - Richartzmuseums.
Offenbar hat es, bescheiden und unauffällig in
Format (91X55 cm) wie wenig hervorstechend im
Charakter, bisher keine andere als flüchtige Be-
achtung gefunden. Die zurückhaltende Bezeich-
nung des Katalogs „Schule des Martin Schon-
gauer" mag dazu beigetragen haben.
Allein das Gemälde, das den Tod der Maria
darstellt, verdient diese Teilnahmlosigkeit nicht.
Es hat ein prachtvolles, harmonisches und dabei
mannigfaches Kolorit; die Bettdecke aus schwar-
zem Brokat mit goldenen Lichtern gibt einen
satten, eigenartigen Kontrast mit dem Weiß und
Dunkelblau der sterbenden Maria, dem Rot des
Johannes, dem Gelb und Zinnober des vorn
links hockenden Apostels. Dazu hat die Kom-
position in ihrer Zusammenballung der
Figuren der oberen Hälfte und der küh-
nen, lediglich durch den Leuchter ge-
füllten Leere unten doch etwas beson-
deres, eigenes, das den Meister des
Bildes als eine Persönlichkeit, keinen
Nachahmer erweist. Von Schongauers
berühmten Kupfer „Tod Mariens" (B. 33)
sind wir meilenweit entfernt.
Daß der Künstler der Art des viel-
genannten mittelrheinischen Meisters
näher steht, scheint mir der erste, flüchtige
Blick darzutun. Der Eindruck ist dann
zunächst: eines der vielen Werke aus
seiner Werkstatt! Ich gestehe, daß meine
erste Meinung ebenfalls diese war. Aber
während man gewöhnlich ein Bild im
Anfänge zu hoch einschätzt, wenn man
den Stil eines berühmten Künstlers darin
erkannt zu haben glaubt, so gewinnt
die Cölner Tafel bei genauerer Betrach-
tung. Was darin, im Vergleich mit an-
deren Arbeiten des Hausbuchmeisters,
allzu mager, kunstlos und hart erschien,
stimmt im Gegenteil gerade zum Ver-
trauen. Denn die gewisse Armut der
Komposition (die übrigens durch die
Pracht der Farbe völlig ausgeglichen
wird) ist keineswegs schülerhafte Dürftig-
keit: eben die nicht eigenhändigen und
die Werkstatt-Arbeiten wie die Mainzer
Marienlebenserie bemühen sich „reich"
und abwechselnd zu erscheinen — man
vergleiche die Cölner Darstellung mit der
entsprechenden in Mainz, um zu sehen,
daß es sich bei uns um die echte Kraft
einer „primitiven" Entwicklungsstufe, in
Mainz aber um die Ausschweifungen
einer ungenügsamen Werkstatt handelt.
Ich bin mir bewußt, daß diese Argu-
mentation keinen überzeugen wird, bei
EIN FRÜHBILD
DES HAUSBUCHMEISTERS?
Es befindet sich nicht etwa in einer unbe-
kannten Privatsammlung noch irgendwo im Aus-
land, sondern unter den paar oberdeutschen Ge-
mälden des Cölner Wallraf - Richartzmuseums.
Offenbar hat es, bescheiden und unauffällig in
Format (91X55 cm) wie wenig hervorstechend im
Charakter, bisher keine andere als flüchtige Be-
achtung gefunden. Die zurückhaltende Bezeich-
nung des Katalogs „Schule des Martin Schon-
gauer" mag dazu beigetragen haben.
Allein das Gemälde, das den Tod der Maria
darstellt, verdient diese Teilnahmlosigkeit nicht.
Es hat ein prachtvolles, harmonisches und dabei
mannigfaches Kolorit; die Bettdecke aus schwar-
zem Brokat mit goldenen Lichtern gibt einen
satten, eigenartigen Kontrast mit dem Weiß und
Dunkelblau der sterbenden Maria, dem Rot des
Johannes, dem Gelb und Zinnober des vorn
links hockenden Apostels. Dazu hat die Kom-
position in ihrer Zusammenballung der
Figuren der oberen Hälfte und der küh-
nen, lediglich durch den Leuchter ge-
füllten Leere unten doch etwas beson-
deres, eigenes, das den Meister des
Bildes als eine Persönlichkeit, keinen
Nachahmer erweist. Von Schongauers
berühmten Kupfer „Tod Mariens" (B. 33)
sind wir meilenweit entfernt.
Daß der Künstler der Art des viel-
genannten mittelrheinischen Meisters
näher steht, scheint mir der erste, flüchtige
Blick darzutun. Der Eindruck ist dann
zunächst: eines der vielen Werke aus
seiner Werkstatt! Ich gestehe, daß meine
erste Meinung ebenfalls diese war. Aber
während man gewöhnlich ein Bild im
Anfänge zu hoch einschätzt, wenn man
den Stil eines berühmten Künstlers darin
erkannt zu haben glaubt, so gewinnt
die Cölner Tafel bei genauerer Betrach-
tung. Was darin, im Vergleich mit an-
deren Arbeiten des Hausbuchmeisters,
allzu mager, kunstlos und hart erschien,
stimmt im Gegenteil gerade zum Ver-
trauen. Denn die gewisse Armut der
Komposition (die übrigens durch die
Pracht der Farbe völlig ausgeglichen
wird) ist keineswegs schülerhafte Dürftig-
keit: eben die nicht eigenhändigen und
die Werkstatt-Arbeiten wie die Mainzer
Marienlebenserie bemühen sich „reich"
und abwechselnd zu erscheinen — man
vergleiche die Cölner Darstellung mit der
entsprechenden in Mainz, um zu sehen,
daß es sich bei uns um die echte Kraft
einer „primitiven" Entwicklungsstufe, in
Mainz aber um die Ausschweifungen
einer ungenügsamen Werkstatt handelt.
Ich bin mir bewußt, daß diese Argu-
mentation keinen überzeugen wird, bei