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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Rintelen, F: Dante über Cimabue II
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0117

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eigenen Ruhm zur Geltung bringen wollte. Aber zur Geltung bringt er sich ja
nicht, die Worte enthalten höchstens eine Andeutung und dazu eine so sachte,
allgemeine, daß die Person des Dichters, nicht etwa in unechter Bescheidenheit
nur leicht verhüllt wird, sondern ganz mit dem Gang der Dinge verschwimmt;
sein Spiegelbild in dem dahinflutenden Wasser der Geschichte — nicht mehr wird
von ihm sichtbar. Aber dies Wenige ist dennoch unverkennbar, und immer klingt
in meinen Ohren der eckige alte Satz des Jacopo della Lana: „Qui intende l'autore
di se medesimo." Anders konnte von einer naiven Zeit der Dichter nicht ver-
standen werden, denn diese mußte das richtige Empfinden dafür haben, daß Dante
nicht blind war, und daß er, wenn er mitten in der Arbeit am zweiten Teile
seines Riesenwerks, die Bewegung der Literatur bedenkend, frug, was seit dem
Cavalcanti gehe, niemanden anders wie sich selbst als das Neue wahrnehmen
konnte, und daß er einem Mucker gleichen würde, wenn er sich nicht eingestanden
hätte, daß er es sei, der den Cavalcanti aus dem Nest des Ruhmes jagen werde.
Dante stellt sich nicht vor uns hin, aber der Gedankengang führt ihn mit Not-
wendigkeit auf seine eigene Person; er scheut sich dennoch nicht, dem Ge-
danken zu folgen, nur hält er sich, mit dem ihm selbstverständlichen Anstand im
Unbestimmten1).
Sei es aber damit, wie es wolle, der Kern der ganzen Stelle, den ich mich be-
mühte, durch Hervorziehung wichtiger Ergänzungen von neuem ins rechte Licht
zu rücken, wird durch die beiden von Dvorak zitierten Autoritäten nicht abermals
verdunkelt werden, von der einen nicht, weil sie es nicht will, von der andern
nicht, weil sie es nicht kann, und es bleibt mir nur übrig, zwei mehr an der Peripherie
der Streitfrage gelegene Behauptungen gegen Dvoraks Gründe und gegen Dvoraks
Entstellung zu verteidigen.
Die erste war: Dante hat die beiden Strophen, deren eine von den Malern,
deren andere von den Dichtern handelt, als eine künstlerische Einheit gestaltet,
die über die bloß syntaktische Verbindung durch das Wörtchen cosi hinüberreicht.
Während also streng grammatisch lediglich die beiden Guido, der Guinicelli und
der Cavalcanti mit Cimabue und Giotto verbunden werden und damit die Beziehung
zwischen den Künstlern verschiedener Observanz erschöpft zu sein und das Schluß-
glied, das auf Dante zu beziehen ist, nur ein loses Anhängsel zu bilden scheint, bin
ich der Meinung, der Satzbau sei nicht von solch ausschließender Strenge, dagegen
das System der beiden Strophen ein festes Gefüge mit großem Parallelismus von
Glied zu Glied2).
(i) Auch für diese Frage darf man wohl auf andre Stellen der Komödie hinweisen. Jedermann kennt
die berühmten Verse im ersten Gesang des Inferno:
„Tu sei solo colui, da cui io tolsi
Lo bello stile, che m'ha fatto onore."
Dante beschäftigt sich gar sehr mit seiner eignen Person, und er scheut sich nicht, uns gleich zu
Anfang mit seinem bereits erlangten onore zu kommen. Aber noch beredter ist das Folgende. Im
ersten Gesang des Paradiso heißt es:
„Forse retro da me con miglior voci
si pregherä perche Cirra risponda."
Wie schön fügt sich das zu unserer Stelle. Damals, als er nel mezzo del cammin seines Werkes
stand, da sah er im Zwielicht des Forse sich selbst; jetzt, wo er zum „ultimo lavoro" sich anschickt,
kommt abermals ein Forse herauf, aber diesmal lehrt es ihn an die denken, die mit „besserer Stimme"
nach ihm kommen werden.
(2) J. v. Schlosser hat den Streit nicht genau verfolgt; die enge Pressung der Parallelität zwischen
Cimabue und Guinicelli, die er „willkürlich und unbeweisbar" nennt, stammt nicht von mir, sondern von
Schlossers Meinungsgenossen Dvorak.
Monatshefte für Kunstwissenschaft, X. Jahrg., 1917, Heft 2/3 8 TO7
 
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