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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 10.1917

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Steinmann, Ernst: Die Zerstörung der Königsdenkmäler in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.73982#0371

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fehl unterschrieben hat, der dich im Verließ der Bastille begrub!" — „Gleichzeitig,"
so schreibt ein Augenzeuge, „legte man zu den Füßen des armen Teufels eine
bronzene Hand nieder, die man zu diesem Zweck von der Statue abgebrochen hatte,
die am Boden lag."
„Geh hin!" rief Palloy pathetisch, „und trage diese Trophäen in deine beschei-
dene Wohnung und erinnere dich immer des Tages, an dem die Munificenz der
Nation so hochherzig mit dir verfahren ist."
Nach dieser Ansprache zog sich Palloy mit seinen fünf Begleitern zurück. Latude
aber blieb gänzlich fassungslos mit seinem Stein von der Bastille und seiner Hand
Ludwigs XIV. im vergoldeten Sessel sitzen und wußte nicht, „ob er lachen oder
weinen sollte über das Geschenk der großen Nation."
Madame de Genlis hat in ihren Denkwürdigkeiten den furchtbaren Eindruck be-
schrieben, den sie empfing, als sie nach jahrelanger Abwesenheit nach Paris zurück-
kehrte und alles zerstört fand, was sie einst geliebt und bewundert hatte. Sie
schlich vorüber an den stolzen Palästen, in denen einmal ihre Freunde gewohnt
hatten, sie sah in irgendeinem Laden eine lange Reihe von Gemälden ausgestellt
von Männern und Frauen, die sie fast alle gekannt hatte, und die fast alle auf die
eine oder andere Weise zugrunde gegangen waren, und ihr war, als wenn eine eis-
kalte Hand ihr Herz berührte.
Mit solchen Empfindungen nahten sich in den Jahren nach der Revolution die
Reisenden, die Paris besuchten, dem Platz, wo einst die Statue Ludwigs XV. ge-
standen hatte, und wo zu ihren Füßen Ludwig XVI. und Marie Antoinette, Lavoi-
sier und Chenier und viele, viele andere unschuldig verblutet waren. Auf dem
Postament des Königsdenkmals sah man die Statue der Freiheit sich erheben.
„Sie ist von bronziertem Ton und vielmehr das Bild der Vergänglichkeit als das
Symbol der Freiheit. Der täuschende Bronzeanstrich blättert ab, und die undichte
Masse bröckelt weg und verwittert. Die sitzende Figur ist eine Nachbildung der
Dea Roma: sie hält den Speer in der einen Hand und stützt die andere auf eine
auf dem Knie ruhende Erdkugel. Das marmorne Postament hat man mit Absicht
halb zertrümmert gelassen. Die Gesimse sind zerschlagen, die Seitenplatten mit
den Inschriften sind zerbrochen, die Marmorstufen zerschmettert und die marmor-
nen Schranken halb umgerissen. Auf diesen Trümmern thront die Göttin aus Ton
— la liberte de boue, wie die Pariser sagen — ein roher und unförmlicher
Klumpen!"148)
Vor diesem Denkmal sah im Jahre 1799 ein Pariser einen Landsmann stehen
mit völlig erstarrten Mienen.
„Citoyen," redete er ihn an, „Sie scheinen überrascht zu sein."
„Nein, Citoyen, ich bin empört."
„Warum, wenn ich fragen darf?"
„Citoyen, ich bin ein Freund der Künste und stolz darauf, ein Franzose zu sein.
Ich habe Paris seit der Revolution nicht gesehen. Ich komme eben von der Place
des Victoires. Ihr seht mich jetzt hier. Ich glaube, ich brauche euch nicht mehr
zu sagen."149)
Das Denkmal Ludwigs XV. — schmählichen Angedenkens — wagte Ludwig XVIII.
nicht zu ersetzen wie andere Denkmäler seiner Ahnen in Paris. Dort, wo einst
Bouchardons Meisterwerk stand, sieht man heute einen Obelisken.160) Er bezeichnet
zugleich den Platz des großen Blutgerichtes, das über Frankreichs Bürger erging.
Mit Ludwig XV. schließt auch das Drama der Königsdenkmäler in Paris, denn
Ludwig XVI. hat man in seiner Hauptstadt keine Denkmäler mehr gesetzt. Zwar

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