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laubt, universell zu sein, das heißt das Unbewußte bewußt zu veräußerlichen.
Daher kommt es, daß wir universell sehen und hören, denn wir haben uns bis
zum Gipfel des Alleräußersten erhoben. Indem wir die Form der äußeren Er-
scheinung sehen, die Geräusche, Töne und Worte hören, erscheinen sie uns
anders als durch unser universelles Gesicht und Gehör. Das, was wir wirklich
sehen und hören, ist die unmittelbare Manifestation des Universums, während
das, was wir außer uns als Form oder Ton bemerken, sich nur geschwächt
und verschleiert zeigt. Wenn wir den bildlichen Ausdruck zu geben versuchen,
drücken wir unsere universelleWahrnehmung aus und damit unser universelles
Wesen als Individuum, also das eine mit dem anderen im Gleichgewicht. Sich
über der begrenzenden Form befinden und nichtsdestoweniger die begrenzte
Form und das materialisierte Wort benutzen, das ist keine wahre Offenbarung
unseres Wesens, das ist nicht der reine plastische Ausdruck: Ein neuer plasti-
scher Ausdruck ist unvermeidlich — eine gleichwertige Darstellung des Einen
wie des Anderen — kurz: eine bildende Darstellung gleichgewichtiger Ver-
hältnisse.

Alle Künste bemühen sich zur bildenden Ästhetik dieses Verhältnisses zwischen
dem Individuellen und dem Universellen, zwischen Subjekt und Objekt, Natur
und Geist zu kommen, kurz alle Künste ohne Ausnahme sind gestaltend.

Trotzdem werden nur Baukunst, Malerei und Bildhauerkunst zu den »ge-
staltenden« Künsten gerechnet, da nur sie für das bewußte Individuum da sind.
Aber für das Unbewußte ist eine Ton- oder Wortschöpfung nicht weniger ge-
staltend (=plastisch) als die anderen Künste. Die reine plastische Gestaltung
offenbart sich durch das Unbewußte, während die begrenzte Form der Ge-
staltung vom bewußten Individuum geschaffen und dargestellt wird.

Bis jetzt war keine der Künste rein gestaltend, denn das individuelle Be-
wußtsein war vorherrschend, — alle waren mehr oder weniger beschreibend,
indirekt, annähernd.

Das in und außer uns herrschende Individuelle »beschreibt«, das Universelle
in uns desgleichen, — aber nur dann, wenn es in unserem individuellen Be-
wußtsein nicht bewußt genug wurde, um zu reinem Ausdruck zu kommen.

Während das Universelle in uns mehr und mehr bewußt wird, während das
 
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