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Morelli, Giovanni
Kunstkritische Studien über italienische Malerei (Band 1): Die Galerien Borghese und Doria Panfili in Rom — Leipzig, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.2151#0127
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106

Die Galerie Borghese.

Gemälde, gehören wahrscheinlich dem Meister selbst au
allein die Ausführung des Bildes darf doch nur einem seiner
Gehülfen zugeschrieben werden. Ich vermisse nämlich in
diesem Tondo nicht nur die dem Meister eigenthüm-
liche Lebendigkeit der Affecte, sondern auch jene Durch-
sichtigkeit der Farbe, die die Werke des Botticelli vor
denen seiner vielen Nachahmer kennzeichnet. Und in
der That, wir sehen hier wol die Form seiner Hand
mit den unschönen knöchernen Fingern und den vier-
eckigen, schwarzumrissenen Nägeln, allein dieser Hand
fehlt das Leben; auch ist das Haar ohne Geist behan-
delt. Ein Vergleich dieses Gemäldes mit den herrlichen
Rundbildern in den Uffizien in Florenz dürfte wol jeden,
der da sehen will, von der Wahrheit meiner Bemer-
kung sogleich überzeugen.1 Es versteht sich von selbst,
dass, wie schon Mephistopheles dem Schüler bemerkte,
„ein jeder lernt nur das, was er lernen kann".

Mit Ausnahme der trefflichen Fresken in der Sixti-
nischen Kapelle und einem ganz vorzüglichen Madon-
nenbilde im Besitz des Fürsten Mario Chigi (Maria mit
dem Kind, welchem ein Engel einen Büschel Korn-
ähren darbringt) befindet sich in Rom, soviel wenig-
stens mir bekannt ist, kein anderes echtes Werk dieses
energischen Florentiners. Sowol das Bildchen (die Jung-
frau mit dem unbekleideten Christkind im Arm) im
letzten Saal der Colonna-Galerie2, als auch die „kleine

1 Die Herren Crowe und Cavalcaselle (II, 425) und Director
W. Bode (II, 580) halten dagegen auch dieses Gemälde für em
Originalwerk.

2 Im letzten Saal der Galerie Colonna befindet sich ein Bild-
chen, worauf der heilige Jacobus dargestellt ist und das dort
wunderlicherweise demMelozzo daForli zugemuthetwird. Täusche
ich mich nicht sehr, so ist jenes Machwerk nichts anders als die
Copie eines schwachen nordischen Malers nach einer Heiligen"^1
aus der Schule des Botticelli. Man betrachte unter andern Merk-
malen auch die nordische hackenförmige Falte am Mantel. (T)
 
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