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Müller, Karl Otfried
Archäologische Mittheilungen aus Griechenland (Band 1,1): Athens Antiken-Sammlung — Frankfurt a.M., 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.900#0020
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Nachgrabungen hier, als in Italien, und dass, was solche wiederholt gefördert hatten, vor der Zeit der
neuen Regierung immer aus dem Lande geführt worden, so wird man sich nicht wundern, dass ein
Göttenvald, wie im Vatikan oder in Neapels Museum, hier nicht anzutreffen ist.

Nichts desto weniger beut Athen dem Archäologen auch in dem Erübrigten dieser Antiken-
Classe eine maniiichfaltige Beschäftigung. Ausser einigen Statuen aus verschiedenen Theilen- des
Landes und Grabreüefs von später Entstehung, die grösstentheils aus den Cykfaden stammen, enthal-
ten diejenigen Sculpturen, die neben jenen architektonischen, ans dem Boden der Akropoüs hervor-
gegangen sind, und andere, die Ausbeute griechischer Gräber, besonders des Piräeus, Exemplare von
hohem, (heile kunstgeschichtlichem, theils auch in ihrer Schönheit begründetem Interesse. Unter jenen
von der Akropolis befinden sich merkwürdige, charaktervolle Werke der altattischen Bildnerschule.
Reliefs, eben da gefunden, geben mit solchen Piräischer Gräber einen lehrreichen Ueberbiick über
den mannichfaltigen und lange bestandenen Gebrauch der Stelen, jener pfeilerartigen oder auch tafel-
ähnlichen Denksteine, welche, häufig architektonisch gekrönt und mit'grösserem oder kleinerem Bild-
werk verziert, in ihren Inschriften bald das Gedächtniss öffentlicher Acte des Staates oder eines Be-
amten, bald eines religiösen Gelübdes, bald Verstorbener zu verewigen bestimmt waren. Ein Theil
der letzteren zeigt innerhalb einer Umrahmung, welche die Form von Anten mit Giebeldeckung hat,
Reliefdarstellungen, an welchen die Fortsetzung des edelanmuthigen attischen Styis, wenn auch im
Uebergange zur Abschwächung und in dieser selbst, bemerkenswert« und in den besten von sehr an-
ziehender Wirkung ist. Ihnen schliessen sich, als Werke von gleicher Bestimmung und ähnlichem In-
teresse, einige marmorne Graburnen mit flachen Keliefbiidern an, die Attika eigentümlich sind.

Es gibt auch diesen Gegenständen der Betrachtung und Erinnerung die Umgebung einen eige-
nen Reiz, besonders auf der Akropolis von Athen, wenn man da im Freien einzelne dem Schutt ent-
rungene Sculpturen in der unmittelbaren Nähe der schönen Ruinen und mit der Aussicht auf Land-
schaft und Meer vor sich unter andern Trümmern hat Da auf grüner Erde eines jener Gebälkstücke
vom Erechtheion, deren Ornament der Arbeit eines Carneo nichts nachgibt, neben der Basis eines
alten Weihgeschenkes mit altertümlichen Buchstaben, dabei vielleicht Marmorblöcke, beschrieben
an einer Seite mit Namen freier Bürger, an einer andern mit den Titeln der Cäsaren, zu deren Posta-
ment das alte Familiendenkmal umgebaut wurde, oder das Stück einer Inschrift, welche Gold- und
Silberschätze des Parthenon oder Steuersummen der fernen Städte aufzählt, über die sich die See-
herrschaft Athens erstreckte; und hierbei nun der Ueberrest einer thronenden Statue in hieratischem
Gewand oder sonst ein Bruchstück sorgfältiger Meisselarbeit — wird es nicht in dem angemessensten
Museum, das man ihm wünschen könnte, gefunden? Wenn der leuchtende Tag darüber hinschaut mit
demselben an den goldfarbigen Parthenonsäulen sich vertiefenden Himmelblau, denselben klardunkeln
Berglehnen des Thaiurnfanges, derselben Helligkeit des Meerbusens und ihn überschwebenden fernen
Gebirges, welche die Ammen des Sinnes solcher plastischen Gebilde waren — ist diese Umgebung
der letzteren nicht schöner und bezeichnender, als irgend ein gemauerter Prachtsaal es sein könnte?
Wenn die nebenstehenden und umherliegenden Trümmer mit ihren Formen und Gedächtnisszeichen
noch die wirklichen Worte der vergangenen Geschichte reden, in deren Mitte die Phantasie zu solchen
Bildungen sich verkörperte — haben sie hieran nicht eine viel wahrhafter erklärende und würdiger
 
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