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Ist Fetischismus die Urform aller Keligion ?

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Göttliches galt, oder sie mag eine göttliche Geltung er-
halten haben, weil sie als Wahrzeichen diente. Jedenfalls
scheint nichts natürlicher, als dass Menschen, die sich
Schlangen nannten, mit der Zeit eine Schlange als ihren
Ahnherrn und endlich als ihren Gott erwählten. In Indien
spielen die Schlangen sehr zeitig eine bedeutende Rolle in
Volksdichtung und epischer Poesie. Sie werden bald was
Feen und Gnomen in unseren Märchen sind, und sie bilden
mit Gandharvas, Apsaras, Kinnaras und andern fabelhaften
Wesen die ältesten Motive zur Ornamentirung von öffent-
lichen Gebäuden.

Ganz verschieden von diesen indischen Schlangen sind
die Schlange des Avesta, die Schlange der Genesis und
wiederum die Schlangen und Drachen der griechischen
und deutschen Sage. Endlich gilt uns noch die Schlange
als Symbol der Ewigkeit, sei es, weil sie ihre Haut jähr-
lich abstreift, sei es, weil sie sich in einen Kreis zusammen-
rollt, oder, wie man sagt, sich in den Schwanz beisst.
Jedes von diesen Gebilden der Phantasie hat seine eigene
Biographie, und sie alle zusammen zu werfen wäre etwa
dasselbe, als wollte man eine Biographie von allen Menschen
schreiben, die Alexander heissen.

Afrika ist voll von Thierfabeln, nach Art der Aeso-
pischen Fabeln; doch finden sie sich nur bei gewissen
Stämmen, nicht überall. Man erzählt sogar, dass früher
Männer mit den Thieren sprechen konnten, und in Borau
sagt man sich, dass ein Mann das Geheimniss der Thier-
sprache seiner Frau verrathen, und dass danach der Um-
gang zwischen Menschen und Thieren aufgehört habe.1

Der Mensch allein, soviel wir wissen, scheint nie in

Kölle, African native Literature, 1854; S. 145.

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