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Sechste Vorlesung.

natürlich eine wahre und vollkommene, und demnach eine
monotheistische Religion sein musste. Dieser urweltliche
Monotheismus wurde dann, so hiess es, nur vom jüdischen
Volke in seiner ursprünglichen Reinheit bewahrt, während
alle anderen Völker abtrünnig wurden, in Vielgötterei und
Götzendienst versanken, woraus sie sich erst in einer
späteren Zeit langsam wieder frei machten, bis sie sich
endlich zu dem reineren Lichte eines religiösen oder philo-
sophischen Monotheismus erhoben.

Man glaubt es kaum, wie viel Zeit dazu gehört, ehe
solche rein aus der Luft oder aus den luftigen Gedanken
sogenannter Gelehrten gegriffenen Theorien wieder in das
Nichts versinken, aus dem sie erstanden. Sie mögen noch
so oft gründlich widerlegt worden sein, die besten Theo-
logen und Philosophen mögen noch so oft öffentlich aner-
kannt haben, dass ihnen alle thatsächliche Grundlage
mangelt, nichtsdestoweniger schiessen sie von Neuem empor,
wo wir am wenigsten darauf gefasst sind, in Encyklopädien,
Conversationslexika und anderen Sammelwerken, aus denen
die rasch lebende Gegenwart ihre tägliche "Weisheit schöpft;
ja, was noch schlimmer ist, in Schulbüchern, welche den
Samen des Unkrauts mit so vollen Händen ausstreuen,
dass er oft den guten Samen für immer überwuchert und
erstickt.

Die Sprachwissenschaft und die Religionswissenschaft.

Die Sprachwissenschaft bietet in dieser Beziehung
manche Uebereinstimmungen mit der Religionswissen-
schaft. Ohne irgend welche thatsächliche Beglaubigung,
sei es aus der Bibel, sei es aus einer anderen Quelle, ja
ich möchte sagen, ohne im Stande zu sein, irgend einen
 
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