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Müller, Gustav Adolf
Die Tempel zu Tivoli bei Rom und das altchristliche Privathaus auf dem Monte Celio: archäologische Studien — Leipzig, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.12565#0011
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Die Tempel zu Tibur-Tivoli.

Was das heutige Tivoli, das antike Tibur, so berühmt macht
und so viele Tausende alljährlich zu diesem romantischen Ge-
danken der Natur führt, das ist die unvergleichliche, paradiesische
Lage der Stadt, die wilde Schönheit der weltbekannten Wasser-
stürze, das grottenreiche Geklüft der die Stadt tragenden Felsen
und gewiss auch die ergreifend wirkende Lage des alten Rund-
tempels, den die Reiseführer sowohl wie archäologische Streit-
schriften bald der Vesta, bald der Sibylla heilig sein lassen, durch
diese Ungenauigkeit das vordrängende Interesse an der Geschichte
dieses äusserst wertvollen antiken Denkmals verletzend.

Im Anblick Tivolis wird jedem Archäologen und jedem
Freunde des Altertums, der die Fühlung mit dem warmen Menschen-
leben noch nicht ganz verloren hat, die oft gehörte und gelesene
Behauptung, es sei den Alten und besonders den Römern das
frische und unmittelbare Empfinden für die Schönheiten der Natur,
wie es der moderne Mensch besitze, abgegangen, gewiss lächer-
lich erscheinen. Viele hier entstandene Oden des heiteren Horatius
atmen wohl zuweilen sinnlich materielles Vergnügen; wer
aber die reine, erhabene Freude verkennt, die den Dichter in
der grandiosen Umgebung Tivolis, wo sein Gönner Mäcenas eine
herrliche Villa besass, zu den begeistertsten Gefühlen entflammte,
der vermag eben selbst nicht jener Empfindung fähig zu werden,
in welcher der Mensch, überwältigt von der Grossartigkeit der
Natur, den Blick nur aufwärts richtet und, wenn er ein Dichter
wie Horatius Flaccus ist, ausruft:

„odi profanum vulgus!"
 
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