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Beschützers des felsigen Tibur lässt im Hinblick auf den Charakter
des Hercules Saxanus eine „commixtio numinum", eine Ver-
schmelzung der beiden Gottheiten annehmbar erscheinen. War
Tiburtus die Personifikation der felsenzerklüfteten, wasser-
durehwogten Höhe der Stadt, so war dies nicht minder Hercules
Saxanus, der seine wahre Bedeutung an dieser Stelle deutlich
genug durch seinen Namen verrät. Hier trenne ich mich denn
auch ganz entschieden von Nibby, mit dessen Schlüssen ich sonst
parallel ging, schon ehe ich sein Originalwerk zur Hand hatte.
Ich stehe nicht an, mit aller Bestimmtheit einen der beiden
Tempel dem Kult des Tiburtus und zwar in dessen
römischer Metamorphose als Hercules Saxanus zuzueignen,
indem ich die Verehrung des letzteren in Tibur mit dem Beginn
der römischen Herrschaft datiere und die Bezeichnung ,.Templum
Tiburti seu Heraclis Saxani" oder .,Templum Heraclis-Tiburnr'
seit Römerzeiten als geschichtlich legitimiert erachte. "Warum soll
es keinen Heracles Saxanus-Tiburs geben, da man doch einen
rHercules Victor Tiburs" gelten lässt?!
Wir haben uns den Tempel des Tiburtus(-Hercules Saxanus)
nach den Quellen mit einem Hain zu denken. Allein gerade
seine verhältnismässige Kleinheit ist es, welche die meisten Archä-
ologen bisher verführte, seine Beziehung auf Hercules Saxanus
zu läugnen. Diese Gelehrten klammerten sich nämlich mit einer
fast köstlich zu nennenden Schüchternheit und Sparsamkeit an
die durch nichts bewiesene, wohl aber durch zahllose Beispiele
widerlegte Meinung, es könne in Tibur-Tivoli nur ein Hercules-
tempel bestanden haben und dieser sei weit grösser zu denken
als irgend einer der beiden erhaltenen Tempel. Das Letztere ist
insofern richtig, als unsere beiden Tempel niemals dem Heraklei on
entsprächen, das, als besonders wichtiger Bau. uns ausdrücklich
als ein Umfangreicher Tempel geschildert wird. Wir geben mit
Nibhy von vornherein zu, dass der Herculestempel, in dessen
Porticus nach Sueton *) der Kaiser Augustus Recht sprach,
') Sucton, vita Aug. c 72.
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Beschützers des felsigen Tibur lässt im Hinblick auf den Charakter
des Hercules Saxanus eine „commixtio numinum", eine Ver-
schmelzung der beiden Gottheiten annehmbar erscheinen. War
Tiburtus die Personifikation der felsenzerklüfteten, wasser-
durehwogten Höhe der Stadt, so war dies nicht minder Hercules
Saxanus, der seine wahre Bedeutung an dieser Stelle deutlich
genug durch seinen Namen verrät. Hier trenne ich mich denn
auch ganz entschieden von Nibby, mit dessen Schlüssen ich sonst
parallel ging, schon ehe ich sein Originalwerk zur Hand hatte.
Ich stehe nicht an, mit aller Bestimmtheit einen der beiden
Tempel dem Kult des Tiburtus und zwar in dessen
römischer Metamorphose als Hercules Saxanus zuzueignen,
indem ich die Verehrung des letzteren in Tibur mit dem Beginn
der römischen Herrschaft datiere und die Bezeichnung ,.Templum
Tiburti seu Heraclis Saxani" oder .,Templum Heraclis-Tiburnr'
seit Römerzeiten als geschichtlich legitimiert erachte. "Warum soll
es keinen Heracles Saxanus-Tiburs geben, da man doch einen
rHercules Victor Tiburs" gelten lässt?!
Wir haben uns den Tempel des Tiburtus(-Hercules Saxanus)
nach den Quellen mit einem Hain zu denken. Allein gerade
seine verhältnismässige Kleinheit ist es, welche die meisten Archä-
ologen bisher verführte, seine Beziehung auf Hercules Saxanus
zu läugnen. Diese Gelehrten klammerten sich nämlich mit einer
fast köstlich zu nennenden Schüchternheit und Sparsamkeit an
die durch nichts bewiesene, wohl aber durch zahllose Beispiele
widerlegte Meinung, es könne in Tibur-Tivoli nur ein Hercules-
tempel bestanden haben und dieser sei weit grösser zu denken
als irgend einer der beiden erhaltenen Tempel. Das Letztere ist
insofern richtig, als unsere beiden Tempel niemals dem Heraklei on
entsprächen, das, als besonders wichtiger Bau. uns ausdrücklich
als ein Umfangreicher Tempel geschildert wird. Wir geben mit
Nibhy von vornherein zu, dass der Herculestempel, in dessen
Porticus nach Sueton *) der Kaiser Augustus Recht sprach,
') Sucton, vita Aug. c 72.
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