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In semer Vita Karoli Magni, die auch in der Lorscher Bibliothek vorhan-
den war17, beschreibt Einhard nur Karls Interesse an der Liturgie: «Er
besuchte die Kirche regelmäßig morgens und abends, nahm an den
nächtlichen Horen und an den Messen teil, solange es seme Gesundheit
erlaubte. »18. Weiterhin bemerkt Einhard: «Er bestand darauf, daß alle dort
abgehaltenen Gottesdienste mit möglichst großer Feierlichkeit zelebriert
wurden»19 und «Größte Aufmerksamkeit widmete er der Verbesserung
des liturgischen Lesens und des Psalmengesanges: er war in beidem
selbst wohl bewandert, wenngleich er in der Öffentlichkeit nie vorlas
und nur leise im Chor mitsang»20. Inwieweit diese Äußerungen allerdings
auf direkte Verordnungen bezüglich der Einflihrung des Gregorianischen
Chorals Bezug nehmen, die ja aus damaliger offizieller Sicht eine Verbes-
serung der alten Liturgie bedeuteten, muß Spekulation bleiben.

Während Einhard als Zeitgenosse Karls also darüber noch keine großen
Worte verliert, gewinnt die Frage nach Karls Bedeutung für den Gregori-
anischen Choral gegen Ende des 9. Jahrhunderts, als das fränkische Reich
auseinander fiel an größerer Bedeutung. Wahrscheinlich suchte man -im
Umkehrschluß zu den Intentionen Pippins und Karls- durch die einheit-
liche Liturgie den Einheitstraum des Frankenreichs noch zu retten. Im
Streit um die Frage, wie denn das Frankenreich seine einheitliche Litur-
gie erhielt, wurden auch nationale Töne und Ressentiments deutlich.

So berichtet Notker von Sankt Gallen, dessen Sequenzen auch in Lorsch
gesungen wurden, in seinen anekdotenreichen Gesta Karoli:

« Unermüdlich im Eifer für den Dienst Gottes freute sich Karl, daß zwar in
der Kenntnis der Wissenschaften sein Wunsch soweit als möglich erfiillt
war, aber es schmerzte ihn sehr, daß immer noch alle Provinzen oder
Bezirke und Städte in den Lobgesängen Gottes, d.h. in den Melodien des
Kirchengesangs voneinander abwichen, und er bemiihte sich, faus RomJ
einige im Kirchengesang erfahrene Geistliche zu bekommen. Der Papst,
der seine gute Absicht und seinen von Gott eingegebenen Eifer billigte,
schickte entsprechend der Zahl der zwölf Aposteln zwölf des Singens
kundige Geistliche vom apostolischen Stuhl zu ihm nach Francien. C..J

1T Als Cod. Vindob. 510 (foll. 31-133) in der ÖNB in Wien. vgl. Bischoff S. 132.

16 Vita Karoli Magni, S. 50: Ecclesiam et mane et vespere. item nocturnis horis et sacrificii
tempore.quoad eum valitudo permiserat...

19 ebenda: ...inpigre frequentabat. curabatque magnopere, ut omnia quae in ea gerebantur
cum qua maxima fierent honestate ...

20 ebenda: Legendi atque psallendi disciplinam diligentissime emendavit. Erat eriim utrius-
que admodum eruditus, quamquam ipse nec publice legeret nec nisi submissim et in com-
mune cantaret.
 
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