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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 2.1849

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https://doi.org/10.11588/diglit.20260#0111

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r«3

hinciufgeschwungen, und plötzlich — Kruch! — brachcn die Schrunken auf
und herausstürzten vier und dreissig! Ein Schrei des Erstaunens entfuhr
der ganzen curopüischcn Zuschauerschaft. Voran war zuerst Bayern, dann
Sachsen — dann Preußen! Preußen, das zu gallopiren anfing, als das
Roß schon durch Allcs, was gewöhnlich Sporn zur Nevolution ist, geblu-
tet hatte; als eö nicht mehr zurückhalten konnte, da wollte es auch vorne
an dcr Spitzc Allcr sciu, und um hinzustiegcn, hicb es dcn andern Mitrcnner
seine langcn, lederncn Proklamationen mit dcm bekanntcn großartigcn
Peitschcn-Styl iu's Gesicht. Zctzt fing auch Oesterrelch an, zu rennen
abcr nicht aus inncrcr lebendiger Hast, sondern nur durch die Sprünge
der andern scheu gcworden!

So ging nnn das Renncn eine Weile sort, man konntc cigcntlich gar
nicht unterschciden, wer vorne und hintcn d'ran sei, und wcnn's so fort-
gegangen wäre auf der Bahn, so hättcn wohl alle miteinander den
Preis kricgen müssen, uämlich. die Freiheit. So aber stng der schcuc Gaul
Oesterreich an, anszuspringen, Baycrn stutzte und sprang ihm nach. Ver-
gcbenS stellte sich dicKammer in dcn Weg, schrie und winkte, ranschtc mit
Papicrgcld, hob den Sto>5 des Mißtrauens auf, und drohte, dcn Renn-
knabcn Pfordten, der dic dünne Schärpe dcS Constitutionalismus roman-
tisch >m Winde flattern ließ, herabzuwerfcn — es half alles nichts, das
Noß Baycrn galopvirte dcm Roß Oesterreich nach. ' Jnzwischen waren
auf der Bahn selbst einige Nenner an einandcr gerannt, der Tumult war
fertig, da bäumte sich der preußische schwarzweißc Scheck und der rothna-
stgc Rcnnbube sagte zu de» Andcrn: Hört, auf der Bahn, und auf die
Art gcht's nicht mchr vorwärts. Wir wolleu umkehren, und dcnsclben
Wcg wicder zur ü ck laufen »nd sehen, wer da am schnellsten ift. —
Somit drücktc er scinem Roß die pietistischen Sporen mit dcn Gottes-
gnadenstachel» in den Leib — hui, ging's rückwärts, und gleich eine
Menge gtosse nach. Dic übrigcn abcr slehen matt auf der Bahn, nnd
wisscn nicht wohin sie laufcn sollcn — und die Deutschen werdcn stch
dadurch unterscheidcn, daß die eincn in Galopp, dic andern im Schritt
in den alten Schrankcn wieder aukommen. — DaS ist die Gcschichte vom
dcm großen Wcttrcnnen von 1848j4g, nnd dcr bavrische Hofstaat hat dcm
Volk eine gcrcchte Zronie angethan, wenn cr zum Krcb s abgcslicgcn ist!

Ilnd Windischgrätz zur Kanone! Wer erinnert stch »icht an Fer-
dinandum dcn Gütigcn, dcffcn Wahlspruch war: „I laß net schicß'n."
Dcr gute Mann dachte oft bei stch: was hat der füx cine Vcrantwortung
auf seinem Gewissen, dcr daö Pulver ersunden hat. Gott im Himmel,
wie dank' ich dir, daß du mich zum Heile der Mcnschhcit mit keinem Er-
findungsgciste gcstraft hast!" — Abgesehen von diescm Fürsten, so ist das
Erfindungstalcnt in dcn regicrenden Familicn überhaupt nicht sehr zu
Hause. Die Fürsten habcn weder die Buchdruckerkunst noch die Dampf-
maschinen, wcder die Fleckseifc noch die Gasbeleuchtuug crfunden. Außer
König Ludwigs Dichtertalent besitzt gcgcnwärtig kein Erlauchter cinc
außcrordenlliche Gabe — abcr ebcn deßhalb müsscn sic von Gottcs Gnaden
sein — und der Herr hat es selbst gesagt: Selig sind dic Armcn im
Gciste. Die Fürsten brauchcn aber nicht nur nicht die Gescheidtcitcn, sie
brauchcn auch nicht die bcstcn zu scin, dciin die unvcrmcidliche Gottes-
Gnadc kann sich an cinem Schlcchtc» erst rccht vffeiibaren. Jn Anbctracht
 
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