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https://doi.org/10.11588/diglit.20260#0202
1S4
Tiez, und frug ihn, was ich bekäme, wenn ich mich a»f sein Münchener
Tagblatt abonnirte. Nach langen Unterhandlungen wurde mir zugestanden,
daß ich zwar vom Lesen befreit wäre, daß mir aber wegen gänzlichen
Mangels an Mitteln cine weitere Entschädigung nicht geboten werden
könnte. Hierauf wandte ich mich an die Hoftheaterintendanz und supplizirte
um die Stelleeines Mitgliedes des dramatischen Erzeugniß-Prüfungs-
Comits. Zu meinem Siaunen erfnhr ich, daß ich da wöchcntlich 6Stücke
ohne allen Gehalt durchlescn und critistren müßte — (der Gehalt bezieht
sich auf die Funktion). Jch sioh daS Gebäud e und traf einen guten
Freund. Der erzählte mir: der hohe Adel habe unter sich zwei Gesell-
schasten: den Stearinklub und die Wachsfiguren. Jm Stearinklub ver-
fammeln sich die jüngern Lente; ich weiß nicht, ob es Lichter sind, oder
bloßeS Stcarin. Die ältern Herren und die Reichsräthe aber bilden das
Wachssigurenkabinet. Ein solches habe ich mir nun auch angeichafft.
Alles gut gckleidet, HLuftg sogar Gold- und Silberstickereien, durchaus
mechanisch und wirklichcn Menschen sehr ähnlich. Alles, was man von
Wachsfiguren verlangen kann — es fehlt nichts als der Geist. Meine
Herrschaftcn, ich beginne sogleich die Vorstellung. Betrachten Sie hier
diese Figur, eine höchst merkwürdigc Mißgeburt, wie sie nicht alle Jahr-
hunderte vorkömmt. Es ist dieß bayrische Politik, durch welche Lester-
reich an Deutschland festgehaltcn werdcn sollte. DaS arme Ding
hat weder Hand noch Fuß und ist schr zu bedauern. Man wird darüber
an gewiffen Ortcn die Nase sehr hinausziehcn. Das glaube ich, denu
diese Politik hat wie Lazarus schon einen Geruch und es wäre Zeit, sie
in offtciellcn Spiritus zu setzen. Zch hatte zu diesem Zweck schon mehrere
Audienzen, aber es ist gänzlicher Mangel an Spiritus.
Diese Wachsfigur, meine Herrschaftcn, ist ein ehemaliger Burschen-
schäftler. Sehcn Sie, wie täuschcnd er den Mund aufmacht; man er-
schrickt ganz, und meint, er wird eine Nedc halten, und die Burschen-
schaft gegen den Vorwurf in Schutz nehmen, als sei sie an der Revolution
vom Jahre 1848 Schuld. Wenn Sie ihm ein Glas Champagner in die
Hand gcbcn, so stoßt cr mit Jhnen an, und trinkt Bruderschaft.
Diese Wachsfigur hier ist eines der vorzüglichsten Stücke, und wurde
sowohl in Deutschland als in Gricchenland allseitig bewundert. Sie tst
schon alt und doch noch merkwürdig gut erhalten. Das Triebwerk im
Jnncrn ist von eigcnthümlichcr Constitution und die Figur ist im Stande,
namentlich mit Geldstücken die auffallendsten Künste zu machcn.
Betrachten Sie nun diese Wachsfigur mit der auffallend krummen
Nase, wenn Sie thr mit einem Heckerhut nahe treten, so hebt sie die Hand
aus, und schlagt Jhnen selbcn herunter — oder geben sie thr eine Volks-
bötin, so zerreißt sic dieselbc. Auch sie hat früher mit Geld Kunststücke
gemacht, wird aber jetzr nicht mehr dazu vcrwandt. Sie nimmt auch
Tiez, und frug ihn, was ich bekäme, wenn ich mich a»f sein Münchener
Tagblatt abonnirte. Nach langen Unterhandlungen wurde mir zugestanden,
daß ich zwar vom Lesen befreit wäre, daß mir aber wegen gänzlichen
Mangels an Mitteln cine weitere Entschädigung nicht geboten werden
könnte. Hierauf wandte ich mich an die Hoftheaterintendanz und supplizirte
um die Stelleeines Mitgliedes des dramatischen Erzeugniß-Prüfungs-
Comits. Zu meinem Siaunen erfnhr ich, daß ich da wöchcntlich 6Stücke
ohne allen Gehalt durchlescn und critistren müßte — (der Gehalt bezieht
sich auf die Funktion). Jch sioh daS Gebäud e und traf einen guten
Freund. Der erzählte mir: der hohe Adel habe unter sich zwei Gesell-
schasten: den Stearinklub und die Wachsfiguren. Jm Stearinklub ver-
fammeln sich die jüngern Lente; ich weiß nicht, ob es Lichter sind, oder
bloßeS Stcarin. Die ältern Herren und die Reichsräthe aber bilden das
Wachssigurenkabinet. Ein solches habe ich mir nun auch angeichafft.
Alles gut gckleidet, HLuftg sogar Gold- und Silberstickereien, durchaus
mechanisch und wirklichcn Menschen sehr ähnlich. Alles, was man von
Wachsfiguren verlangen kann — es fehlt nichts als der Geist. Meine
Herrschaftcn, ich beginne sogleich die Vorstellung. Betrachten Sie hier
diese Figur, eine höchst merkwürdigc Mißgeburt, wie sie nicht alle Jahr-
hunderte vorkömmt. Es ist dieß bayrische Politik, durch welche Lester-
reich an Deutschland festgehaltcn werdcn sollte. DaS arme Ding
hat weder Hand noch Fuß und ist schr zu bedauern. Man wird darüber
an gewiffen Ortcn die Nase sehr hinausziehcn. Das glaube ich, denu
diese Politik hat wie Lazarus schon einen Geruch und es wäre Zeit, sie
in offtciellcn Spiritus zu setzen. Zch hatte zu diesem Zweck schon mehrere
Audienzen, aber es ist gänzlicher Mangel an Spiritus.
Diese Wachsfigur, meine Herrschaftcn, ist ein ehemaliger Burschen-
schäftler. Sehcn Sie, wie täuschcnd er den Mund aufmacht; man er-
schrickt ganz, und meint, er wird eine Nedc halten, und die Burschen-
schaft gegen den Vorwurf in Schutz nehmen, als sei sie an der Revolution
vom Jahre 1848 Schuld. Wenn Sie ihm ein Glas Champagner in die
Hand gcbcn, so stoßt cr mit Jhnen an, und trinkt Bruderschaft.
Diese Wachsfigur hier ist eines der vorzüglichsten Stücke, und wurde
sowohl in Deutschland als in Gricchenland allseitig bewundert. Sie tst
schon alt und doch noch merkwürdig gut erhalten. Das Triebwerk im
Jnncrn ist von eigcnthümlichcr Constitution und die Figur ist im Stande,
namentlich mit Geldstücken die auffallendsten Künste zu machcn.
Betrachten Sie nun diese Wachsfigur mit der auffallend krummen
Nase, wenn Sie thr mit einem Heckerhut nahe treten, so hebt sie die Hand
aus, und schlagt Jhnen selbcn herunter — oder geben sie thr eine Volks-
bötin, so zerreißt sic dieselbc. Auch sie hat früher mit Geld Kunststücke
gemacht, wird aber jetzr nicht mehr dazu vcrwandt. Sie nimmt auch