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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 3.1850

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https://doi.org/10.11588/diglit.21526#0092

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und die Blume nicht gesehen, als sie noch im vormärzlichen Garten blühte

— aber ich war hingeriffen von dem sröhlichen und freien Getriebe der
Massen, entzückt von dieser LebenSlust, und von der genialen Weise, wie
sie befriedigt wird. — „Pfingsten war, daS Fest der Freude" — Hundert-
tauscnde verließen die „engen Gaffen, die finsteren Gemächer, den Druck
der Giebcl und Dächer" und strömten zu allen Thoren hinaus — zu Fuß,
zu Wagen und zu Pferd — der Arme und der Reiche, die Jungen und
die Alten — alle finden ihr Bergnügen. Die Kinder sind selig im Wur-
stelprater, beim Policinello (der aber nur Pantomime spielen, und nichts
reden darf, wahrschcinlich wegen der Sprachverschiedeuheit, damit ihn alle
verstehen) — die Gefallsüchtigen zeigen sich in den Alleen -- die Heiß-
bluti'gen suchen und finden Li'ebeöabentcuer — di'e Gemächlichen trinken
einen Pfiff um den andern — die Kunstfreunde ftrömcn zur Arena —
kurz Alles sreut sich des Lebcns — jeder tummelt sich auf seinem Fetde
herum. Jch habe in München oft gehört: Jn Lestcrrei'ch dürfe nichts ge-
redet werden — gar nichts — kcine Silbe! — und ich ward ordentlich
stolz auf meine baycri'schc Frei'heit. Das Arenathcater hat mich eines
andern belehrt! Ein politischcr Witz schlägt den andern — sowie er eini-
germaffen reaktionär riecht — surchtbares Gezisch — ein liberaler Witz

— und donnecnder Beisallssturm durchtönt die amphitheatralischen Räume.
Es wurde eben FcldmannS neuestes Stück gegeben, die beioen Faßbinder.
Der Wiener wird von einem Gassenreini'ger angespritzt, woraus der Ber-
li'ner erwiedert: Laßt ihr euch üas so gefallen? — Ach, erwiedert der
Wiener, wir müssen unS noch ganz anderc Sachen gefallen laffen! (Unge-
heurer Applaus). — Der Magcn, monologisirt der eine Faßbinder, ist die
Eentralgewalt, die alle Staaten ancrkennen müffen — in die Magenkam-
mer schicken alle Staatsbürger ihre Deputirten — und eS ist gleich, ob
sic einen Dchsen oder ein Schaf hinschickcn. .Jch sende Krebscn und
Schnecken in den Magen: während die Schnccken langsam vorwärts gehen,
gehcn die Krebse langsam zurück — auf diese Art ist bei mir niemals
eine Revolution zu bcfürchten. (Stürmischer Applaus.) — Namentlich
st'nd eS die Eouplets, in wclchcn die Wiener um 100 Prozcnt mehr Nede-
srcihcit genießcn, als die constitutionelten, sreien Münchener. Jn obigem
Stück hat der eine eifersüchtige Faßbinder ein Li'ed mit dem Refrain: „Ha,
die Falsche muß erblcichen!" — So singt er unter anderm über die Reak-
tion, und setzt hinzu: „Ha, die Falsche muß erbleichen!" (Wüthender
Beifallsfturm) — dann kommt er aus die Angeberei, und singt wieder;
„Ha, die Falsche muß erbleichen!" — wobei der Applaus den Gipfel des
Enthusiasmus erreicht. — Wer ebensalls lacht und applaudirt, das ist

— der Banus Jellachich, ein fleißiger Besucher der Arena. — Möchte
dieß Alles hindringen bis zu den Ohren der Münchener Theatercensur!

Druck der llr. Fr. Wild'schen Buchdruckerei (A. Wild).
 
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