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Grausame Selbstironie! Die Daineu Mailauds verehrten der
Kaiserin Euqenie eine Marmorgruppe, darstellend das „dankbare Jtalien".
Letzteres schmiegt sich als innig gerührte Schwester an das kaiserliche
Frankreich, das ihm einen Kuß aus die Stirne drückt. Zu den Füßen
der dankbaren Befreiten liegen einige zerbrocheue Ketten. Die allegorische
Figur, wclche Frankreich darstellt, hat Porträtälmlichkeit mit der Kaiscrin
und trägt die napoleonische Krone, aber keine Crinoline.
Ani ersten Weihnachtsseiertag waren im Berliner Opernhause die
Hugenotten angesetzt. Da nun dic' Darstellerin der Königin Vormittags
krauk wurde und ein Ersatz nicht zu bescbassen war, so ließ man den
zweiten Akt g äuzlich aus. — Also uicht nur kleindeutsch, sondern
auch kleinhugenottisch! Die Oper, die man sich in Berlin einmal iu deu
Kops setzt, muß in Scene gehen, uud wenn man das Beste auslassen
müßte. Da hätte mau in München schon geschrüen: Die ganzen Hu-
genotten müsseu es seiu — o Meyerbeer sieh darein!
Von Friedrich Halm in Wien soll wieder eiue neue Tragödie zu
erwarteu sein, betitelt: „Der junge König." Von Halni war seit den
dreissiger Jahren jedes Decennium cin anderes Drama in der Mode:
1830—40 „Griseldis", 1840—ÖO „Sohu der Wildniß" und iu den OOger
Jahren „Der Fechter von Ravenna". Man kann nur sehr gespannt
daraus sein, was der greise Romantiker dem jetzigen Jahrzehend zu be-
scheeren gedenkt. Halm ist übrigens der einzige lebende Dramendichtcr,
dem cinige wirkliche Größe innewohut und der von Gottes Gnaden sür
die Bühne schreibt, während alle übrigen Mittelgutfabrikanten und Aus-
schußwaarcnlieferanten als Scküllcrverwässerer, Birch-Pfeiseranbeter uud
Becker's Weltgeschichte-Dramatisirer lediglich die Armuth unserer Zeit aus
die Nachwelt bringen werden.
Die Coburger Tiirn - und „Wehr" - Vereinler haben bekanntlich
unlängst bei Absingung der sogeiiaiinten Garibaldihymne ihre Häupter
ganz unvorsichtig entblvßt, wobei sreilich mituiiter nicht viel anf's Spiel
gesetzt sein mochte. Nun vernimmt man ueuesteus, daß auch eine Anzahl
von Leipziger Einwohnern, resp. Pimplhubern, sich gedrungen sühlte,
Herrn Garibaldi einen silberncn Lorbeerkranz als Weihnachtsgabe zu über-
schicken. Bci solchem Garibaldifieber wird „mein Leipzig" bald nicht nur
„ein klein Paris", sondern auch ein „kleiu Turiu", ein „klein Neapel",
letzteres natürlich ohne Brigantaggio. Wenn irgend welche Leute kindisch
seiu wollen, so sällt es uns nicht ein, ihnen ihre Spielereien verleiden zu
wollen, da aber heuer in Leipzig ein großes deutsches Turnerfest statt-
findeu soll, so dürften jene Vercine, die um des körperlichen Tur-
nen s, undnicht um des politischen Schwindels willen eristiren, vielleicht Hiit
thuu, wenn sie einige Vorbehalle machten, damit sie sich nicht etwa plotz-
lich als C horverstärknng sür die Gariba ldi-Hy mne mißbraucht
sehen. Auch mag Jeder, bevor er denHut abnimmt, sich erst erkundigen,
um was und um wen es fich handelt, und ob es der Mübe werth ist,
einen Katarrh zu riskiren.
Druck der vr. Wild'schen Buchdruckerci (Parcus).
Grausame Selbstironie! Die Daineu Mailauds verehrten der
Kaiserin Euqenie eine Marmorgruppe, darstellend das „dankbare Jtalien".
Letzteres schmiegt sich als innig gerührte Schwester an das kaiserliche
Frankreich, das ihm einen Kuß aus die Stirne drückt. Zu den Füßen
der dankbaren Befreiten liegen einige zerbrocheue Ketten. Die allegorische
Figur, wclche Frankreich darstellt, hat Porträtälmlichkeit mit der Kaiscrin
und trägt die napoleonische Krone, aber keine Crinoline.
Ani ersten Weihnachtsseiertag waren im Berliner Opernhause die
Hugenotten angesetzt. Da nun dic' Darstellerin der Königin Vormittags
krauk wurde und ein Ersatz nicht zu bescbassen war, so ließ man den
zweiten Akt g äuzlich aus. — Also uicht nur kleindeutsch, sondern
auch kleinhugenottisch! Die Oper, die man sich in Berlin einmal iu deu
Kops setzt, muß in Scene gehen, uud wenn man das Beste auslassen
müßte. Da hätte mau in München schon geschrüen: Die ganzen Hu-
genotten müsseu es seiu — o Meyerbeer sieh darein!
Von Friedrich Halm in Wien soll wieder eiue neue Tragödie zu
erwarteu sein, betitelt: „Der junge König." Von Halni war seit den
dreissiger Jahren jedes Decennium cin anderes Drama in der Mode:
1830—40 „Griseldis", 1840—ÖO „Sohu der Wildniß" und iu den OOger
Jahren „Der Fechter von Ravenna". Man kann nur sehr gespannt
daraus sein, was der greise Romantiker dem jetzigen Jahrzehend zu be-
scheeren gedenkt. Halm ist übrigens der einzige lebende Dramendichtcr,
dem cinige wirkliche Größe innewohut und der von Gottes Gnaden sür
die Bühne schreibt, während alle übrigen Mittelgutfabrikanten und Aus-
schußwaarcnlieferanten als Scküllcrverwässerer, Birch-Pfeiseranbeter uud
Becker's Weltgeschichte-Dramatisirer lediglich die Armuth unserer Zeit aus
die Nachwelt bringen werden.
Die Coburger Tiirn - und „Wehr" - Vereinler haben bekanntlich
unlängst bei Absingung der sogeiiaiinten Garibaldihymne ihre Häupter
ganz unvorsichtig entblvßt, wobei sreilich mituiiter nicht viel anf's Spiel
gesetzt sein mochte. Nun vernimmt man ueuesteus, daß auch eine Anzahl
von Leipziger Einwohnern, resp. Pimplhubern, sich gedrungen sühlte,
Herrn Garibaldi einen silberncn Lorbeerkranz als Weihnachtsgabe zu über-
schicken. Bci solchem Garibaldifieber wird „mein Leipzig" bald nicht nur
„ein klein Paris", sondern auch ein „kleiu Turiu", ein „klein Neapel",
letzteres natürlich ohne Brigantaggio. Wenn irgend welche Leute kindisch
seiu wollen, so sällt es uns nicht ein, ihnen ihre Spielereien verleiden zu
wollen, da aber heuer in Leipzig ein großes deutsches Turnerfest statt-
findeu soll, so dürften jene Vercine, die um des körperlichen Tur-
nen s, undnicht um des politischen Schwindels willen eristiren, vielleicht Hiit
thuu, wenn sie einige Vorbehalle machten, damit sie sich nicht etwa plotz-
lich als C horverstärknng sür die Gariba ldi-Hy mne mißbraucht
sehen. Auch mag Jeder, bevor er denHut abnimmt, sich erst erkundigen,
um was und um wen es fich handelt, und ob es der Mübe werth ist,
einen Katarrh zu riskiren.
Druck der vr. Wild'schen Buchdruckerci (Parcus).