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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 16.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.25836#0407

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3S8

Kleine Frühstücksplaudereien.

Von yielen Seiten wird dev Wunsch geäus;ert, es mochte das vor-
tresfliche Schauspiel von Meycrn: Heinrich vonSchwerin auf hiesiger
Hofbühne zur Auffübrung kommen. Das Stück ist patriotisch, von hohem
poetischen Gehalt und hat die Streitfrage, die gegenwärtig Aller Herzen
bewegt, zuin Gegcnstand. Wenn dic Bühne auf dem Gebiete dcr Moral
einen Beruf hat, so hat sie ihn gewiß auch auf dem Gcbiete der Vater-
landsliebe und der historischen Belehrnng. tlnd das Stück wäre dahier
trefflich zu besetzen! Da die Münchener Hoftheaterintendanz auch zu den-'
jenigen gehört, welche das Londoner Protokoll nicht untcrschrieben haben,
fo dürften wohl keinc „staatsrechtlichen" Bedenken im Wege stehen.

Jm Wiener „Fremdenblatt" kündigt ein Friseur an, daß das Ver-
sammlungsrecht zwar von Oben verkümmert werde, daß man sich aber
bei ihm immerhin versammeln und die Tagesfragen besprechen könne. —
(Sollte dabei hie und da ein Redner bcim Schopf genommen werden,
so geschieht es nur, um ihn zn frisiren.)

Jn Folge der eingetretenen Ereignisse sind in ganz Holstein alle
Lheater geschlossen worden. Natnrlich: gegen die große und unge-
heure ComöÜie, die dort jetzt in Scene gesetzt wird, kann keine
Concurrenz mehr aufkommen!

Das bekannte Wiener Lokalblatt „Hansjörgel" bringt ganz ernst-
hafte Erwägungen und Vorschläge, wie die Prostitution in Wien zu
regeln nnd in ein System zu bringen sei. Gehvrt das vielleicht zu den
„Gcmeindeangelegenhciten", mit denen der Magistrat sich besser befassen
würde, statt mit hoher Politik?

Bekanntlich hat es Franz Dingelstedt in Weimar unternommen,
die g anze Wallenstein-Trilogi e an e inem Tage zur Aufführung zu
bringen, und zwar Mittags das „Lager", Nachmittags dic „Piccoloinini"
und Abends „Wallensteins Tod". Also ein höheres Oberammergau! —
Nach alfen bis jetzt erschienenen Berichten ist das ttnternehmen gelungen.
Das Tbeater war überfullt, die Stadt den ganzen Tag iiber voll von
Fremden und in größter Erregung. Personen, welche sick die drei Stüche
von Anfang bis zum Ende ansahen, versichern: die Architektur dcs großen
Werkes sei ihnen nie so klar und gewaltig vor die Augen gctreten, als
auf diese Weise. Dingelstedt bat einen glücklichen Coup ausgeführt, dessen
Folgen für die Theaterwelt noch gar nicht nbersehen werden können! Die
Aufführung eines Meisterwerkes, worauf die Nation stolz ist, zu einem
Volksfest zu machen — der Gedanke ist groß und schön!
 
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