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Die rneisten preußischen Bliitter sprachen nicht niehr von eincm oe-
cupirten „Norddayern", sondern schlechtiveq von „Franken". Die unter
der vorletzten Negiernngsperiode eingefnhrte „neue Eintheilung" des
Königreiches Bayern war gewiß eine der verfehltesten Ntaßregeln, die
man sich denkcn kann, indem dadurch innerhalb Bayerns selbst eine
Nationalitätenfrag e anfgeworsen wurde.
Der Wiener „Hansjörgel" erzählt folgende drollige Geschichte. Ein
Badergeselle in Nikolsburg ivar zu eiuein hohen preußischen Stabs-
offizier beschieden. Als der Rasirer zur bestiminten Stunde ankain.
wurde ihm befohlen, zu warten. Der Bader aber erklärte, später wieder
zu kominen, indem er noch den bayerischen Gesandten zu rasiren habe.
„Was? rief der Stabsprcuße, den bayerischen Gesandten? wäre nicht
übel, wenn ich dem nachstehen müßte!" Und setzte sicb flugs aus
den Stuhl.
Diesseits der Demareationsliuie können sich diePolitiker wohl sein
lasseu: Volksversammlung auf Bolksversainmluug mit steuographischer
Aufzeichuung der gehaltencu Nedeu, so daß auch die firauen, Kinder und
Verwandtcn das Vergnügen haben, ein paar Tage darnach die schöne
Rede, die der Vater gehalten hat, in der Augsburger Abendzeitung zu
lesen. So kam es auch in Kempten. Der alte Herr Scknetzer
eröffnete seinen Vortrag mit einer Verurtheilung der Diplomatie vor
50 Jahren. Damals lebten die Talleyrand, Metternich, Gentz, Castlercagh
u. s. a., aber keiu Schuetzer, oder wenigstens wurden Knaben und Jüug-
liuge, ivenn auch noch so hofsnungsvoll, zur Regierung des Welttheils
uicht zugelassen, während heme auch Schuetzer junior das Nechtmud
den Beruf hat, den versammelten Staatsbürgern zu beweisen, daß an
v. d. Pfordten Nichts sei und er sofort abzutreten habe. Dann kam
Herr Stadler, um seiue Freude über deu Ausselfiuß Destreichs auszu-
drücken. „Wenn, sagte er, zwei Rivalen von bereits gleicher Größe
im Bunde sind, wird wahre Einheit nie zu Stande kommen." Jhm
folgte vr. Barth, der „bereits beschäftigtste" Advokat im ganzen Allgäu
uud gab die tröstliche Aufklärung, daß es sich nicht um Äusschlicßung,
sondern nur um Nichth e rc i nl a ssung Deutschöstreichs haudle. Sein
Herz sei nicht bei Preußen, wohl aber sein Verstand. Wo dann eigent-
lich Marquard Barth's Herz ist, wurde nicht gesagt. Ein in Europa
bisher uubekannter Politiker, Rechtsanwalt Bekh vcrliest einen Brief aus
Havre, wornach die Nothhosen thnn, als ob das linke Rheinufer
bereits ihuen gehörte. Das ist allerdings nnverschämt, wobei nur zu
erwähneu seiu dürfte, daß Oesterreich allein sich bereits mit dicsen Noth-
hosen geschlagen hat, Graf Bismark aber noch vor 14 Tagen Biarritz
als sein Verjüngungsbad bczeichnet hat. Zum Schlusse kam —
uun was kann zum Schlusse anderes kommeu, als Or. Völk? Der Maun
fängt an, in der Natnrgeschichte eine eigene Gattung zu bilden: das
Oknus rliotorioum linkile! Die Augsb. Abdztg. erklärt selbst,
daß er in Kempten das Nämliche sagte, was er schon in anderen Volks-
versammlungen gesagt hat.
Druck dcr vr. Wild'schen Buchdruckcr« (Parcus).
Die rneisten preußischen Bliitter sprachen nicht niehr von eincm oe-
cupirten „Norddayern", sondern schlechtiveq von „Franken". Die unter
der vorletzten Negiernngsperiode eingefnhrte „neue Eintheilung" des
Königreiches Bayern war gewiß eine der verfehltesten Ntaßregeln, die
man sich denkcn kann, indem dadurch innerhalb Bayerns selbst eine
Nationalitätenfrag e anfgeworsen wurde.
Der Wiener „Hansjörgel" erzählt folgende drollige Geschichte. Ein
Badergeselle in Nikolsburg ivar zu eiuein hohen preußischen Stabs-
offizier beschieden. Als der Rasirer zur bestiminten Stunde ankain.
wurde ihm befohlen, zu warten. Der Bader aber erklärte, später wieder
zu kominen, indem er noch den bayerischen Gesandten zu rasiren habe.
„Was? rief der Stabsprcuße, den bayerischen Gesandten? wäre nicht
übel, wenn ich dem nachstehen müßte!" Und setzte sicb flugs aus
den Stuhl.
Diesseits der Demareationsliuie können sich diePolitiker wohl sein
lasseu: Volksversammlung auf Bolksversainmluug mit steuographischer
Aufzeichuung der gehaltencu Nedeu, so daß auch die firauen, Kinder und
Verwandtcn das Vergnügen haben, ein paar Tage darnach die schöne
Rede, die der Vater gehalten hat, in der Augsburger Abendzeitung zu
lesen. So kam es auch in Kempten. Der alte Herr Scknetzer
eröffnete seinen Vortrag mit einer Verurtheilung der Diplomatie vor
50 Jahren. Damals lebten die Talleyrand, Metternich, Gentz, Castlercagh
u. s. a., aber keiu Schuetzer, oder wenigstens wurden Knaben und Jüug-
liuge, ivenn auch noch so hofsnungsvoll, zur Regierung des Welttheils
uicht zugelassen, während heme auch Schuetzer junior das Nechtmud
den Beruf hat, den versammelten Staatsbürgern zu beweisen, daß an
v. d. Pfordten Nichts sei und er sofort abzutreten habe. Dann kam
Herr Stadler, um seiue Freude über deu Ausselfiuß Destreichs auszu-
drücken. „Wenn, sagte er, zwei Rivalen von bereits gleicher Größe
im Bunde sind, wird wahre Einheit nie zu Stande kommen." Jhm
folgte vr. Barth, der „bereits beschäftigtste" Advokat im ganzen Allgäu
uud gab die tröstliche Aufklärung, daß es sich nicht um Äusschlicßung,
sondern nur um Nichth e rc i nl a ssung Deutschöstreichs haudle. Sein
Herz sei nicht bei Preußen, wohl aber sein Verstand. Wo dann eigent-
lich Marquard Barth's Herz ist, wurde nicht gesagt. Ein in Europa
bisher uubekannter Politiker, Rechtsanwalt Bekh vcrliest einen Brief aus
Havre, wornach die Nothhosen thnn, als ob das linke Rheinufer
bereits ihuen gehörte. Das ist allerdings nnverschämt, wobei nur zu
erwähneu seiu dürfte, daß Oesterreich allein sich bereits mit dicsen Noth-
hosen geschlagen hat, Graf Bismark aber noch vor 14 Tagen Biarritz
als sein Verjüngungsbad bczeichnet hat. Zum Schlusse kam —
uun was kann zum Schlusse anderes kommeu, als Or. Völk? Der Maun
fängt an, in der Natnrgeschichte eine eigene Gattung zu bilden: das
Oknus rliotorioum linkile! Die Augsb. Abdztg. erklärt selbst,
daß er in Kempten das Nämliche sagte, was er schon in anderen Volks-
versammlungen gesagt hat.
Druck dcr vr. Wild'schen Buchdruckcr« (Parcus).