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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 19.1866

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https://doi.org/10.11588/diglit.25837#0144

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Unter den Sehenswürdiqkeiten der Leipziger Messe befindet sick m
einer Bnde auch eine Million. Die rneisten Menschenkinder haben
wohl oft von Millionen gebört, aber eine wirkliche, leibhastige Diillion
haben wohl die Weniczsten schon gesehcn. Diesem Bednrfniß ist absiehol-
fen. Die Million liegt da, und zwar in lauter Fnnffrankenstückchen.
Taß dieselben nicht von Gold sondern nnr von Papiermache sind, nimmt
dem Ganzen das Unheimliche des Eindrncks, ohne das Jnteresse sür den
Anblick zn schwächen. Also eine Million, in viertel Napoleons, ist pyra-
midenförmisi aufsiestellt an der Spitze 12^// hoch und hat an der Basis
9 Ouadratschnh. Man denke sich erst eine Million in lanter Bier-
pfennigen. Welches Genncht, welche Masse! Das gibt 's nicht, denkt
vielleicht Mancher. Das gibt 's allerdings!

Das Berliner Hoftheater feierte unlängst ein merkwürdigcs Fest:
den Abschied der berühniten Tänzerin Marie Taglioni; sie heirathete einen
Fürsten Windischgrätz, deir Sohn cines Marschalls, der keineswegs
gewohnt war, auf den Zehenspitzen aufzutrcten. Jn Deiüscbland und
Oestreich scheint sich der hohe Adcl znm Theater besonders hingezogen zn
sühlen; was sind nicht schon für eine Masse von Baroninnen, Gräfinnen,
Fürstinncn nnd Prinzessinnen linker Hand von den Brettern hergekom:
men nnd hie und da anch wieder dahin zurückgekehrt. Umd wie wnrde die
scheidende Marie Taglioni fetirt! Seine Majestät der König von Pren-
ßen würdigte die Künstlerin nach der Vorstellung einer längeren Unter-
haltnng im Empfangszimmer oer Königsloge und freute sich besonders,
daß der 88jährige Großvater eigens aus Jtalien gekommen war, nm
dem Triumph der Enkelin beizuwohnen. Von den Majestäten erhielt „Marie"
eine goldene Halskette, mit verschiedenen allerhöchsten Porträtmedaillons in
Brillanten,vom Kronprinzen ein Armband mit Smaragden, vom Prinzen
Carl („Allzeitvoranf") ein ditto mit Nubinen u. s. w. Leicht und mühelos
ist das Alles erworben, denn die heitere Kunst schüttet ihren Bevorzugten
das Glück mit vollen Händen in den Schooß. Was blüht dagegen einem
Beamten, der nach vierzig- oder fünfzigjähriger Dienstzeit init gebrochener
Körpertraft in den „wohlverdienten" Ruhestand tritt? Em Orden. Und
auch diese Auszeichnuug ist uicht mehr sein Privilcgium. Mau kanu
keiue Theaterzeitung in die Hand nehmen, ohne von einem halben
Dutzend Sänger oder Schauspieler zu leseu, daß sie von diesem und
jenem deutschen Fürsten dekorirt worden sind! Es ist schon bald kein
richtiger Cornödiant mehr, der nicht sein Bändchen im Knopfloch hat.
Also Kinder, geht zur Bühne hin!

Der Nürnberger Anzeiger bringt einen warmen Lobartikel ans Hrn.
Hans v. Bülow, sein Oirektionstalent, seine musikalische Begabung und
seni von jeoer Ueberhebung freies Auftreten. Auch der „kuust-
sinnige Monarch" wird in Betrefs seiner „Musikstudien" in Schutz ge-
nommcu uud nebenbei ein Hofmusiker wiederholt denunzirt, daß er einen
berühmten Cornponisten in der Carnevalszeit parodirl habe.

Den hiesigen Abnehmern dieses Blattes

diene zur Nachricht, das; sich die Erpedition des Punsch vom
4. Mai an im Hause Nr. 22 der Löwengrube, gegennber
der Frauenkirche besindet, vom dermaligen Uokale zwei Hänser
weit entfernt.

Druck dcr vc. Wild'schen Buchdruckerei (Parcus).
 
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