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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 19.1866

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https://doi.org/10.11588/diglit.25837#0328

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Herr Hans v. Bülow, dem die neuere bayerische Geschichte einige
ihrer erhebendsten Mvmente verdankt, hatte vor einiger Zeit alle Hand-
werker, die sür ihn gearbeitet — (auch Recensenten?) — anf Mitte
September znr Ausbezahlnng in seine Wohnnng bcschieden. Ein Artikel
im alten Bayer. Knrier berichtet nun, daß der siebenoktavige Clavierheld
Bayern leineswegs so rasch räumen, sondern erst noch 2000 fl. Pension
als Kriegskostenentschädignng nnd einen Titel oder Orden heransschlagen
will. Nun, wenn dann Friede wird, wir können's ja leisten.

Die Weserzeitung wirft ein interessantes Streiflicht auf den unauf-
hörlich stattfindenden Mischungsprozeß zwischen Berlinern und Jud en.
Der Großvater wandert mit Schabbeslocken ein, der Vater ist ein
toleranter Mann, der Sohn ein Freigeist, der seine Kinder dem Pastor
zum Tanfen schickt, die Enkelin heirathet einen Lieutenant oder Beamten,
der Enkel ist Neferendarius, Kaufmann, Diplomat u. dgl. Da nun das
benachbarte Polen eine nnversiegbare Judenquelle ist, so danern Znsluß
und Mischnng immer fort, daher auch der eigenthümliche Witz, die ge-
ringe Bescheidenheit vieler Berliner. Das conscrvative nnd reine Pren-
ßenthum wächst aus dem Lande.

Bognmil Dawison hat bereits ans Amerika nach Leipzig geschrie-
ben. Als er zum ersten Mal das Stadttheater als Zuschaner besuchte,
empfing ihn der Direktor in sestlicher Kleidung am Portal und geleitete ihn
in die "große, mit Guirlanden verzierte Mittelloge! Sofort erhob sich oas
Publikum zu einem stürmischen Applaus und das Orchester ließ einen
dreimaligen Tusch erschallen! Eine Zeitung hatte nämlich — wozn doch
Zeitnngen nicht gut sind — vorher dieNachrichl gedracht, Dawison werde
das Theater besuchen. Das klingt übrigens noch bescheiden gegen das,
was der köstliche Beckmann einst dem Schreiber dieses erzählte. „Jch ga-
stirte, sagte er, in Schwerin. Nach der ersten Vorstellung kam ein Ad-
jntant des Großherzogs zu mir, mit der Meldung, ich hätle Höchstdem-
selben sowie dem Publikum dermaßen entsprochen, daß S.K. Hoheit sich
bewogen sühllen, mir die Mitr egentschast anzntragen. Dcr Adju-
rant drang im Namen seines Herrn in mich, das Anerbieten ja nicht
auszuschlagen. Jch entließ ihn mit der Bitte um Bedenkzeit bis znm
Morgen. Am srühesten Morgen erschien nun der Kronprinz auf mcinem
Zimmer und beschwor mich, von dem Antrag keinen Gebrauch zu ma-
chen, indem dadnrch endlose Verwicklungen nnd Partheikämpfe entstehen
müßten. Jm Jnteresse des Landes entschloß ich mich daher, ans die
Theilhaberschaft am Throne zu verzichten nnd unter Vorschützung eines
Unwohlseins abzureiseil. Der Kronprinz, Sie mögen mir's glauben oder
nicht, stellte mir einen vierspännigenWagen znr Verfügnng und mehrere
Diplomaten sprachen mir nachträglich die hohe Besriedigung ihrer Regier-
ung über meine klneigennützigkeit aus." — Wer weiß ob Andrew John-
son, dessen Nepräsentation neuestens ohnehin viele Mängel zeigt, sich
nicht auch bald um efilen routinirten Mit-Präsidenten umsieht?

Druck der vr. Wild'schen Buchdruckerci (ParcuS).
 
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