Wilhelm Bode, Originalwiederholungen glafierter Madonnenreliefs von Luca della Robbia.
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eine, wenige Handbreit von der andern. Daß fie in diefer unfymmetrifchen, wenig
glücklichen Art angebracht find, hat wohl feinen Grund darin, daß der Innenfchmuck
der Impruneta, über deffen Gefchichte uns die Dokumente noch fehlen, aus irgend
einem Grunde — vielleicht weil Michelozzo inzwifchen nach Mailand gezogen war
— rafch und flüchtig fertiggeftel 11 wurde. Wie hier der ganze plaftifche glafierte
Schmuck auf Luca zurückgeht, fo find zweifellos auch jene beiden Madonnenreliefs
von feiner Hand. Möglich wäre ja auch, daß das eine Exemplar nach dem andern
unter feinen Augen oder mit feiner Beihilfe von feinem Neffen Andrea ausgeführt
wurde. Aber keines von beiden Reliefs hat die charakteriftifchen Merkmale von
Andreas beglaubigten Arbeiten; beide zeigen vielmehr alle Kennzeichen von Lucas
Kunft, auch ift keines vor dem andern ausgezeichnet, wohl aber — und das ift
befonders charakteriftifch — weifen fie bei genauer Betrachtung eine Reihe von
Abweichungen auf, die es zur Gewißheit machen, daß keineswegs das eine Stück
bloß durch Abformung über das andere hergeftellt worden ift. In den Ge-
wandfalten, wie in den Konturen und im Ausdruck find deutliche Verfchieden-
heiten, die, felbft wenn ein Abdruck in mechanifcher Weife hergeftellt fein follte,
feine Vollendung durch Überarbeitung durch die Hand des Künftlers als zweifellos
erfcheinen laffen.
Ähnlich find die Abweichungen bei anderen Madonnenreliefs Lucas, von
denen verfchiedene Exemplare bekannt find. So von der fchönen Madonna in
der Nifche, von der die beiden trefflichen, nur in allem Nebenfächlichen wefentlich
verfchiedenen Exemplare zufällig beide in amerikanifchem Privatbeßt?, bei Quincy
A. Shaw in Bofton und im Metropolitan-Mufeum zu New-York (früher bei Henry
G. Marquand) fich befinden.
Von einer ähnlichen Madonnenkompofition, bei der das Chriftkind gleichfalls
zur Seite der Mutter fteht, die es zärtlich an fich zieht, find mir fogar vier Exem-
plare bekannt, die alle den Anfpruch auf eigenhändige Ausführung durch den
alten Luca erheben können. Drei derfelben habe ich fchon 1902 in meinen
„Florentiner Bildhauern der Renaijfance“ namhaft gemacht: eines im Bargello zu
Florenz; ein zweites, aus der Sammlung Eastlake flammend, im Kaifer Friedrich
Mufeum zu Berlin ; das dritte, das in einem Palaft zu Genua eingemauert war,
jetjt in der Sammlung G. Benda in Wien. Dazu ift kürzlich ein viertes Exemplar
gekommen, das fchönfte von allen, welches jetjt das reizvolle von Meffel gebaute
Heim des Dr. Eduard Simon-Berlin fchmückt. Um die Abweichungen diefer Ar-
beiten von einander zu charakterifieren, geben wir fie hier nebeneinander in Ab-
bildungen nach den Originalen. In allen Einzelheiten weifen fie kleine Abweich-
ungen auf, am ftärkften grade in dem, was den Künftler bezeigt, im Ausdruck,
in der Empfindung. Den befonderen Reiz, den das Simon’fche Exemplar vor
den übrigen voraus hat, gibt die Abbildung leider nicht wieder. Er befteht, ab-
gefehen von der tadellofen Erhaltung, in der alten, fein getönten Vergoldung der
Gewandfäume, Haare und Heiligenfcheine, die in der photographifchen Aufnahme
ftatt hell gerade dunkel und fleckig erfcheint.
Daß diefe und einige wenige ähnliche Wiederholungen feiner Madonnen-
reliefs wirklich eigenhändige Arbeiten Lucas find, dies wird uns zu allem Über-
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eine, wenige Handbreit von der andern. Daß fie in diefer unfymmetrifchen, wenig
glücklichen Art angebracht find, hat wohl feinen Grund darin, daß der Innenfchmuck
der Impruneta, über deffen Gefchichte uns die Dokumente noch fehlen, aus irgend
einem Grunde — vielleicht weil Michelozzo inzwifchen nach Mailand gezogen war
— rafch und flüchtig fertiggeftel 11 wurde. Wie hier der ganze plaftifche glafierte
Schmuck auf Luca zurückgeht, fo find zweifellos auch jene beiden Madonnenreliefs
von feiner Hand. Möglich wäre ja auch, daß das eine Exemplar nach dem andern
unter feinen Augen oder mit feiner Beihilfe von feinem Neffen Andrea ausgeführt
wurde. Aber keines von beiden Reliefs hat die charakteriftifchen Merkmale von
Andreas beglaubigten Arbeiten; beide zeigen vielmehr alle Kennzeichen von Lucas
Kunft, auch ift keines vor dem andern ausgezeichnet, wohl aber — und das ift
befonders charakteriftifch — weifen fie bei genauer Betrachtung eine Reihe von
Abweichungen auf, die es zur Gewißheit machen, daß keineswegs das eine Stück
bloß durch Abformung über das andere hergeftellt worden ift. In den Ge-
wandfalten, wie in den Konturen und im Ausdruck find deutliche Verfchieden-
heiten, die, felbft wenn ein Abdruck in mechanifcher Weife hergeftellt fein follte,
feine Vollendung durch Überarbeitung durch die Hand des Künftlers als zweifellos
erfcheinen laffen.
Ähnlich find die Abweichungen bei anderen Madonnenreliefs Lucas, von
denen verfchiedene Exemplare bekannt find. So von der fchönen Madonna in
der Nifche, von der die beiden trefflichen, nur in allem Nebenfächlichen wefentlich
verfchiedenen Exemplare zufällig beide in amerikanifchem Privatbeßt?, bei Quincy
A. Shaw in Bofton und im Metropolitan-Mufeum zu New-York (früher bei Henry
G. Marquand) fich befinden.
Von einer ähnlichen Madonnenkompofition, bei der das Chriftkind gleichfalls
zur Seite der Mutter fteht, die es zärtlich an fich zieht, find mir fogar vier Exem-
plare bekannt, die alle den Anfpruch auf eigenhändige Ausführung durch den
alten Luca erheben können. Drei derfelben habe ich fchon 1902 in meinen
„Florentiner Bildhauern der Renaijfance“ namhaft gemacht: eines im Bargello zu
Florenz; ein zweites, aus der Sammlung Eastlake flammend, im Kaifer Friedrich
Mufeum zu Berlin ; das dritte, das in einem Palaft zu Genua eingemauert war,
jetjt in der Sammlung G. Benda in Wien. Dazu ift kürzlich ein viertes Exemplar
gekommen, das fchönfte von allen, welches jetjt das reizvolle von Meffel gebaute
Heim des Dr. Eduard Simon-Berlin fchmückt. Um die Abweichungen diefer Ar-
beiten von einander zu charakterifieren, geben wir fie hier nebeneinander in Ab-
bildungen nach den Originalen. In allen Einzelheiten weifen fie kleine Abweich-
ungen auf, am ftärkften grade in dem, was den Künftler bezeigt, im Ausdruck,
in der Empfindung. Den befonderen Reiz, den das Simon’fche Exemplar vor
den übrigen voraus hat, gibt die Abbildung leider nicht wieder. Er befteht, ab-
gefehen von der tadellofen Erhaltung, in der alten, fein getönten Vergoldung der
Gewandfäume, Haare und Heiligenfcheine, die in der photographifchen Aufnahme
ftatt hell gerade dunkel und fleckig erfcheint.
Daß diefe und einige wenige ähnliche Wiederholungen feiner Madonnen-
reliefs wirklich eigenhändige Arbeiten Lucas find, dies wird uns zu allem Über-