Zu Dürers Rückenakt-Relief von 1509.
Von Philipp M. Halm.
Die jüngfte Zeit hat die alte Frage über den Kleinplaftiker Albrecht Dürer
wieder aufgegriffen. Georg Habich beantwortete fie in dem erften Kapitel feiner
Studien zur deutfchen Renaiffancemedaille (Jahrbuch der K. Preußifchen Kunft-
fammlungen Bd. XVII) dahin, daß Dürer als gelernter Goldfchmied, der von [ich
felber fagt, daß er nach Ablauf der Lehrzeit in diefem Handwerk „fäuberlich ar-
beiten kunnt“, durchaus die technifchen Fähigkeiten befaß, um die bekannten drei
Medaillen — mit dem Idealkopfe (Lukrezia?) von 1508, mit dem fogenannten Bild-
niffe des Wohlgemut vom gleichen Jahre und mit dem Kopfe des Vaters Dürer
von 1514 und ferner das bekannte Steinrelief des weiblichen Rückenaktes von 1509
fertigen zu können. Im Verlaufe der klaren und überzeugenden Unterfuchung
weiß Habich das von Erman aufgeftellte oeuvre des Medailleurs Dürers noch um
einige wenige weitere Arbeiten zu bereichern, die wir hier zu betrachten keine
Veranlaffung haben. Habichs Urteil fußt auf der eingehendften Materialkenntnis
und vor allem auch auf einer forgfältigen Vertrautheit mit den technifchen Fragen,
die ihn befähigt, eines Meifters Hand auch in Erzeugniffen eines anderen Kunft-
gebietes zu fühlen. Wir folgen ihm als einem durchaus vertrauten, auf feftem
Boden fchreitenden Führer.
Anderer Anfchauung als Habich ift S. Montagu Peartree1), der faft zu gleicher
Zeit wie Habich die Frage, ob wir in Dürer felbft den Schöpfer der obenerwähnten
Medaillen und des Aktreliefs zu erblicken haben, erneut aufwarf. Ihm find die
genannten Arbeiten durchaus von Dürerifcher Art und in diefem Sinne erfcheinen
ihm auch die Monogramme einwandsfrei, aber er erkennt in den Medaillen und
dem Aktrelief, fowie einem weiblichen Relief der Sammlung Felix Werke eines
Bildhauergefellen, der nach Zeichnungen des Meifters und unter deffen Aufficht
die Modelle in „Stechftein“ gefertigt habe. Es ermangele jeder literarifche Nach-
weis, daß Dürer (ich mit plaftifchen Arbeiten verfucht habe. Der Bildhauer aber,
den Peartree an Dürers Stelle fetjen will, foll der Augsburger Hans Daucher fein.
Habich hat uns diefen Meifter vor Jahren feft umriffen vor Augen geftellt und
feine Beziehungen zu Dürer oder vielleicht beffer gefagt Dürers Patenfchaft zu
Dauchers Epitaphien ins richtige Licht gefegt.2) Für mich hat es den Anfchein,
als fei Habichs Unterfuchung Peartree zur Verführung und Verhängnis geworden.
Faft immer wo Peartree eine Dürerfche oder pfeudo-Dürerfche Vorlage in Stein
’) The Burlington Magazine 1905. S. 455.
2) Helbings Monatshefte für Kunft und Kunftwiffenfchaft. 1903. S. 53.
Von Philipp M. Halm.
Die jüngfte Zeit hat die alte Frage über den Kleinplaftiker Albrecht Dürer
wieder aufgegriffen. Georg Habich beantwortete fie in dem erften Kapitel feiner
Studien zur deutfchen Renaiffancemedaille (Jahrbuch der K. Preußifchen Kunft-
fammlungen Bd. XVII) dahin, daß Dürer als gelernter Goldfchmied, der von [ich
felber fagt, daß er nach Ablauf der Lehrzeit in diefem Handwerk „fäuberlich ar-
beiten kunnt“, durchaus die technifchen Fähigkeiten befaß, um die bekannten drei
Medaillen — mit dem Idealkopfe (Lukrezia?) von 1508, mit dem fogenannten Bild-
niffe des Wohlgemut vom gleichen Jahre und mit dem Kopfe des Vaters Dürer
von 1514 und ferner das bekannte Steinrelief des weiblichen Rückenaktes von 1509
fertigen zu können. Im Verlaufe der klaren und überzeugenden Unterfuchung
weiß Habich das von Erman aufgeftellte oeuvre des Medailleurs Dürers noch um
einige wenige weitere Arbeiten zu bereichern, die wir hier zu betrachten keine
Veranlaffung haben. Habichs Urteil fußt auf der eingehendften Materialkenntnis
und vor allem auch auf einer forgfältigen Vertrautheit mit den technifchen Fragen,
die ihn befähigt, eines Meifters Hand auch in Erzeugniffen eines anderen Kunft-
gebietes zu fühlen. Wir folgen ihm als einem durchaus vertrauten, auf feftem
Boden fchreitenden Führer.
Anderer Anfchauung als Habich ift S. Montagu Peartree1), der faft zu gleicher
Zeit wie Habich die Frage, ob wir in Dürer felbft den Schöpfer der obenerwähnten
Medaillen und des Aktreliefs zu erblicken haben, erneut aufwarf. Ihm find die
genannten Arbeiten durchaus von Dürerifcher Art und in diefem Sinne erfcheinen
ihm auch die Monogramme einwandsfrei, aber er erkennt in den Medaillen und
dem Aktrelief, fowie einem weiblichen Relief der Sammlung Felix Werke eines
Bildhauergefellen, der nach Zeichnungen des Meifters und unter deffen Aufficht
die Modelle in „Stechftein“ gefertigt habe. Es ermangele jeder literarifche Nach-
weis, daß Dürer (ich mit plaftifchen Arbeiten verfucht habe. Der Bildhauer aber,
den Peartree an Dürers Stelle fetjen will, foll der Augsburger Hans Daucher fein.
Habich hat uns diefen Meifter vor Jahren feft umriffen vor Augen geftellt und
feine Beziehungen zu Dürer oder vielleicht beffer gefagt Dürers Patenfchaft zu
Dauchers Epitaphien ins richtige Licht gefegt.2) Für mich hat es den Anfchein,
als fei Habichs Unterfuchung Peartree zur Verführung und Verhängnis geworden.
Faft immer wo Peartree eine Dürerfche oder pfeudo-Dürerfche Vorlage in Stein
’) The Burlington Magazine 1905. S. 455.
2) Helbings Monatshefte für Kunft und Kunftwiffenfchaft. 1903. S. 53.