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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 15
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Berger, Ernst: [Rezension von: Ostwald, Wilhelm, Die Harmonie der Farben]
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Hillig, Hugo: Dekorative Techniken [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0090
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Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 15

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beruht. Nicht zum wenigsten ist der Farbenzauber
alter Malereien auf die gleichmässige Veränderung
der Farben infolge des Nachdunkeins der Oele
und Firnisse zurückzuführen.
ln Ostwalds Buch Anden wir alle diese Gesetze
mathematisch gesichtet und methodisch aneinander
gereiht. Zur Illustrierung seiner Theorie hat er
die Einrichtung von „Farbenplatten" ersonnen, auf
denen je 5 Farbentöne (Tünchen) in geeigneten,
genau bestimmten, mit Weiss und Schwarz her-
gestellten Mischungen angeordnet sind, so dass
man damit experimentieren kann, um die geeig-
neten Harmonien der Farben zu Anden. Es ist
hier eine Art von Unterrichtsmaterial gegeben,
aus dem sich erst mit der Zeit und Uebung Er-
fahrungen aller Art werden ableiten lassen. Durch
diese neue Lehrmethode würden sich allerdings
kaum, wie Ostwald richtig bemerkt, über Nacht
fertige Maler ausbilden lassen. Der Begabte wird
auch ohne Harmonielehre einiges leisten, aber der
gleich Begabte wird mit ihr sehr viel mehr leisten
können, und die besten Leistungen werden durch
ausgiebige Erkenntnis der Lehren von der Farben-
harmonie nur erleichtert und durch dieselbe unter-
stützt. Theorie und Praxis führen somit zu gleichem
Ziel, wie das Motto besagt, das Ostwald an die
Spitze seines Buches setzt:
Natur und Kunst, sie scheinen sich zu Aiehen,
Und haben sich, eh' man es denkt, gefunden.
E. B.
Dekorative Techniken.
Von Hugo Hillig.
(1. Fortsetzung.)
Nicht in der Art, das der Dekorationsmaler glauben
soll, der Verfall der alten Dortkultur Hesse sich auf-
halten, abwehren, der expansiven grosstädtischen
Kultur sieghaft gegenüberstellen, nicht etwa auch, das
er glauben soll, es komme auf eine Nachahmung der
alten Bauernkünste an, nein, das wäre ein verkehrter
Weg. Nur lernen sollen wir in unserer Verbildung, die
die Fachschulen so oft noch fördern, lernen, wie in
aller Unbefangenheit eine ästhetisch erfreuende Arbeit
am besten zu machen ist. Und wer z. B. auf der
III. Deutschen Kunstgewerbeausstellung die Abteilung:
Volkskunst aufmerksam studierte, wer sich die alten
Bauernmöbel genau angesehen hat, der wird erkennen,
welcher Born von dekorativen und maltechnischen An-
regungen aus dieser Abteilung gerade der Dekorations-
malerei Aiessen kann.
Es gibt kunstgewerbliche Theoretiker verschiedener
Spielart. Solche, dte da meinen, wenn ein Stil werden
soll, so müsste man da anknüpfen, wo die bürgerliche
Kunststilentwicklung aufgehört habe: in der vormärz-
lichen Zeit, in einer Zeit politischer Stagnation, met-
ternichscher Polizeischikane über allem Deutschtum
und über allem geistigen Leben, in einer Zeit, die die
letzte selbständige Stil form hervorbrachte, in der Bie-
dermeierzeit.
Aber die kunstgewerblichenTheoretiker der anderen
Gruppe, die sich besonders für den Begriff der Volks-
kunst interessieren und die eine dekorative Kunst für
das werktätige, arbeitendeVolkebenso notwendig halten,
als eine speziAsch bürgerliche Kunst, die wollen einen
anderen, unzweifelhaft deutscheren Ursprung des wer-

denden oder kommendenStiles festsetzen. Diemöchten,
dass von der Bauernkunst ausgegangen werde. Und
hier liegt nun die Sache wesentlich anders als beim
Biedermeierschen für den Maler. Wenn die Dekora-
tionsmalerei von der Bauernkunst ausgehen, d. h. an
die Bauernkunst anknüpfen will, so wird das meiner
Ansicht nach für sie das Beste sein. Ich habe oft da-
rauf hingewiesen, welchen Weg die bürgerliche kunst-
gewerbliche Entwickelung gehen wird, einen Weg, den
die Masse der Dekorationsmaler einmal nicht mit-
gehen kann, den sie aber auch nicht mitzugehen
braucht, weil sich im dekorativen Bauwesen durch
die Einführung neuerer und — seien wir ehrlich —
besserer Materialien, die die Dekorationsmalerei in be-
zug auf Zweckdienlichkeit, künstlerischen Wert und
Haltbarkeit vollauf ersetzen, mancherlei zuungunsten
der Dekorationsmalerei verändert hat. Will sich die
Dekorationsmalerei aber als Volkskunst auswachsen,
will sie wahrhaft volkstümlich werden, sich den breiten
Abnehmerkreis des werktätigen Volkes erschliessen,
so wird es für sie sehr gut sein, wenn sie besonders an
die alte Bauernkunst anknüpft, herausholt, was dabei
herauszuholen ist. Es kommt nicht so viel mehr auf
Malerei an, als darauf, einen farbigen und dekorativ
wirksamen Anstrich hersteilen zu können, und die Schab-
lone, wenn sie schon gebraucht werden muss, in ver-
ständiger Weise anzuwenden.
Was uns die alte Bauernkunst lehrt, das ist schon
eingangs angedeutet; sie lehrt uns aber noch mehr.
Alle unsere dekorativen Techniken, die heute wieder
aufgekommen sind, die Anden wir schon an den alten
Bauernmöbeln, die vor Jahrhunderten entstanden sind.
Ich werde in den nachfolgenden einzelnen Artikeln
die verschiedenen Arten dieser dekorativen Tech-
niken besprechen, auf ihren Ursprung nach Möglichkeit
eingehen und ihre moderne Anwendungsmöglichkeit
erörtern. Selbstverständlich werde ich auch, soweit
es notwendig ist, die Technik selber streifen.
II.
Das Tupfen.
Es ist eine ganze Gruppe dekorativer Techniken,
zu der das Tupfen gehört. Vom Stupfen angefangen,
d. i. die Bearbeitung der frischgestrichenen Fläche mit
einem stumpfen Pinsel, einem neuen Ringpinsel, einem
Handbesen oder einer geeigneten Bürste bis zum Spritzen,
Wickeln und Flammen des Anstrichs, wovon sich die
Holzmalerei und auch die Marmormalerei als Speziali-
tät abgezweigt haben, ist es eine Reihe von zum Teil
sehr verschiedenen Verfahren auf dem nassen oder
dem trockenen Anstrich, die in ihren verschiedenen For-
men alle nur den Zweck haben, die einförmige Fläche
des Anstrichs an Wand oder Decke in einen farbigen
Flimmer aufzulösen, ihm Tiefe zu verleihen. Denken
wir uns eine Fläche, die mit Samt überzogen ist, und
eine Fläche in ebensolcher Beleuchtung, die einen ge-
wöhnlichen glänzenden oder matten Anstrich hat. Wenn
die Farbentöne schon gleich sind, so ist doch ihre Wir-
kung nicht gleich. Der Samt wird viel tiefer, viel voller
aussehen, viel farbiger, und das liegt nur daran, dass
wir in Wirklichkeit auf der einfarbigen Fläche doch
vielerlei Nuancen sehen, das feine Lichterspiel der
Seidenhärchen. Was dem Samt die farbige Tiefe gibt,
ist in Wirklichkeit weiter nichts als das Widerspiel
des Lichtes mit den Schatten auf der Fläche, die da-
durch in ungezählte helle und dunkle Punkte zerfällt;
dem Auge erscheint die Fläche mannigfaltiger als die
glatt angestrichene Fläche, auf der sich, wenn sie glänzt,
höchstens die speckig-weiss glänzenden GlanzAächendes
polarisch reAektierten Lichtes erkennen lassen.
(Fortsetzung folgt.)

Verlag der Werkstatt der Kunst E. A. Seemann, Leipzig
 
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