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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 15
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Geschichte der Grundierungsmethoden für Holztafeln und Leinwanden [15]
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Berger, Ernst: [Rezension von: Ostwald, Wilhelm, Die Harmonie der Farben]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0089

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Nr 15

Münchner kunsttechnische Blätter

wenn der Grund darauf kommt, so wird das Tuch
gleichsamkieinerund ziehet sich zusammen, dannen-
hero, wenn es anfänglich allzu starck und steif
angezogen worden, pfleget es wohl zu springen
und entzwey zu reissen, zumal wenn die Leinewand
etwas fein ist. Ist nun diese Leinewand auf den
Ramen oder Bret gedachter massen angezogen und
angenagelt, so bestreiche es mit Buchbinder-Kleister
recht wohl, und das mit Hülffe eines Bretlein, so
4 Finger breit lang und 3 Finger breit seyn soll,
unten scharf und oben etwas dick [wie die Figur
zeigt], reibe den Kleister wohl ein, und fülle die
Löcher der Leinewand voll, das übrige nimm alles
weg, und glätte es wohl, wenn es noch nass, mit
einem gläsernen Reibe-Steine, lass es trocknen;
wenn es nun trocken, und du siehest, dass es nicht
gleich oder hier und da sich noch einige Löcher
in der Leinwand zeigen, so überstreiche es noch
einmal dünne mit Kleister, damit alle Löcher ge-
füllet werden, reibe ihn wohl ein, und ist es ja
von den Kleister nicht allenthalben recht gleich oder
höckericht, kanst du es, wenn der Kleister trocken
worden, mit einem gleichen Bimsteine, und dazu
verfertigten Sandleder, (so ich dir auch lehren will)
etwas abreiben; überstreich es dünn hernach mit
einem Pinsel mit Oel-Farben-Grund, so gemeinig-
lich von rothem Bolus und Fürnis angerieben ist,
fein gleich, und lass ihn auch trocknen, zeichne
darnach dein im Sinn entworffenes Bild mit Kreide
darauf, und führe es vollends der Kunst gemäss
in seiner Vollkommenheit hinaus. Hierbey mercke
aber, dass der Kleister nicht allzu oft und zu viel
soll aufgetragen werden, weil die Leinwand, wenn
dieselbe zumal nicht garstark von Faden ist, gern
brüchig wird. (Schluss folgt.)
Wilh. Ostwald: Die Harmonie der
Farben.*)
Im Verfolg seiner das allgemein-wissenschaft-
liche System der Farben behandelnden Arbeiten ist
Wilh. Ostwald auch in der Frage der Aesthetik
der Farben, die vor ihm schon wiederholt das
Interesse der Gelehrten und naturgemäss aller jener,
die sich mit Farben beschäftigen, erregt hat, heran-
getreten. Die Harmonie der Farben gehört eigent-
lich in das Gebiet der Psychologie, denn es ist
reine Empfindungssache, welche Farben oder
Farbenzusammenstellungen auf unsere Psyche einen
anziehenden oder abstossenden Eindruck machen.
Ostwald hätte demnach dieses Kapitel in das
5- Buch seiner gross angelegten „Farbenlehre" ein-
reihen können. Aber die vielseitige Beschäftigung
theoretischer Art in Verbindung mit den prak-
tischen Arbeiten an dem grossen „Farbenatlas" mit
seiner Unmenge von Tönen und Mischungen hat
ihn dazu geführt, in einer besonderen Schrift auf

*) Vgl. die Anzeige in Nr. io dieses Jahrgangs.

die Gesetze der Farbenharmonie, wie sie sich ihm
notwendig ergeben haben, zurückzukommen. Schon
in seinem früher erschienenen Band (Farbenfibel,
S. 45) hatte er die Idee ausgesprochen, dass jeder
gesetzmässige Zusammenhang von Farben als
Grundlage einer Harmonie betätigen könne. Diese
möglichen gesetzmässigen Zusammenhänge fest-
zustellen und sie methodisch zu ordnen, ist die
Aufgabe, die Ostwald in seinem neuen Buch zu
lösen sich vorgenommen hat.
Bis jetzt hatten wir uns an gewisse Normen
gehalten, wir wussten aus Erfahrung, welche Farben
„harmonisch" sind, ebenso wie man von musikali-
schen Tönen aus der Harmonielehre Schlüsse ziehen
kann. Besonders beanlagte Personen, wie Maler
aller Zeiten oder vielfach auch Leute, die sich mit
Herstellung und Verarbeitung von Textilwaren
(Seidenweber, Teppichweber, Damenmodehändler
u. a.) befasst haben, haben vorbildlich gewirkt,
sie haben, wie man sagt, durch stets neue Farben-
kombinationen auf den Geschmack Einfluss ge-
wonnen. Aus diesen Vorbildern haben Gelehrte
wie E. Brücke auf eine gewisse Regel geschlossen,
die darauf beruht, dass Farben, die im sog. Farben-
kreise in bestimmter Lage zueinander stehen,
harmonieren, andere aber dissonieren. Brücke hat
das Gesetz der „grossen und der kleinen Inter-
valle" in seiner Physiologie der Farben (Leipzig
1866, S. 246ff.) näher begründet und hat gefun-
den, was ja die Maler längst empfindungsmässig
geübt, dass Farbenpaare sich gegenseitig unter-
stützen, wenn sie möglichst weit im Farbenkreise
voneinander entfernt liegen (komplementäre Far-
ben). Bei Zusammenstellung von drei Farben
(Triaden) sind jene Kombinationen für unser Auge
angenehm, wenn zwei der Farben im „kleinen"
Intervall, die dritte Farbe aber gleichweit von
diesen beiden ersten Farben im Kreise entfernt
gelegen ist.*)
Ostwald weist auf diese Gesetzmässigkeit im
$. Kapitel seiner Harmonie der Farben auch hin;
er erweitert das System aber durch Hinzuziehung
aller jener Farbenmischungen, die sowohl Weiss
als auch Schwarz zu Komponenten der Farbentöne
haben, und in dem Grade als die weissen oder
schwarzen Anteile die Farbenmischungen variieren,
sind auch die Harmonien verschiedener Art. Diese
Grundsätze sind von früheren Physiologen nicht
beachtet worden, da sie von den Farben des Spek-
trums, also nur von den reinen Farben ausgegangen
waren.
In der Praxis hat sich freilich dieses System
längst bewährt, denn man weiss, welche Harmonie
die Farben durch gleichmässiges Verblassen der
Töne entsteht und dass darauf der Farbenzauber
alter Gobelins und verblichener Stickereien u. a.
*) Zu praktischen Zwecken ist „Kreuzers
Farbenordner", der auf gleichen Grundlagen beruht,
längst im Gebrauch und gut geeignet.
 
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