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Münchner kunsttechnische Biätter
Nr. 9
neuen wirklichen Bi!dem zu verdichten, — mit einem
Worte: Das Können. Nicht aber verstehe ich
darunter auch das, was der Dichter, der Historiker,
was jeder lebhafte, gebitdete Mensch etwa an soge-
genannten „künstlerischen Entwürfen" in seiner Phan-
tasie sich zurecht machen kann. Es ist ja zweifellos,
dass der Künstler durch seine Tätigkeit eine besondere
Schulung in den bildlichen Anschauungen der Phantasie
erreicht; diese Schulung aber wird vorwiegend eine
kritische, alles Ueberschwängliche, Unrealisierbare,
Unbrauchbare verbauende sein, sie wird zu einer wohl-
tätigen Beschränkung und Vereinfachung der phan-
tastischen Gebilde in der Richtung des individuellen
Könnens herleiten, während gerade der „Nichtkünstler"
seiner Phantasie keine Zügel anzulegen braucht.
Indem wir so das allgemein-menschlich „Visionäre"
von dem besonderen Wesen der bildenden Kunst
loslösen und die Kritik lediglich auf das Verhältnis
zwischen Wollen und Können richten, gewinnen wir
den einzig und allein gerechten Standpunkt. Es ist
der Standpunkt ernster Kunstkennerschaft.
Während das grosse Publikum sich mehr durch den
poetischen oder sittlichen, rührsamen oder erheitern-
den Inhalt des Gegenstandes der Darstellung be-
stimmen lässt, fragt der Kunstkenner zunächst und in
vielen Fällen ausschliesslich nach der Art des Vor-
trags, danach, ob der Künstler die Kraft hatte, seiner
Darstellung eine gewisse Vollkommenheit lebenswahrer
und schwungvoller Charakteristik zu geben. Hierunter
ist aber keineswegs überall eine täuschende Nachbil-
dung der Wirklichkeit zu verstehen; im allgemeinen
genügt der in der Gestalt des Kunstwerkes geführte
Beweis, dass der Künstler mit seinem Können und
Wissen den Gegenstand beherrscht habe. So ist
die wahre Freude an einem Kunstwerke nichts anderes
als die Freude am Können eines Mitmenschen, — an
der Gestaltungskraft des menschlichen Geistes*).
Diese Arbeit des Künstlers aber erscheint uns als ein
Ringen des Verstandes nach rechtbar klarem, leben-
digem Ausdruck für Bilder, welche andere Sterbliche
nur phantomartig in ihrer Phantasie hegen oder nur
mit dichterischen Worten beschreiben können.
Diese Auffassung des spezifisch-künstlerischen
Ingeniums als einer wesentlich kritischen, also einer
Verstandestätigkeit, harmoniert denn auch mit
dem, was die grossen Künstler alle Zeiten über die
Art ihrer Arbeit gelegentlich berichtet haben und
was uns jeder tüchtige mitlebende Künstler bestätigt.
Es ist und war immer ein sorgsames Berechnen und
Abwägen der technischen Mittel, um einen bestimmten
farbigen oder formalen, naturwahren oder rythmischen
Ausdruck zu finden. Dass bei grosser Begabung
und Aeissiger Uebung diese Arbeit allmählich den
Charakter der Qua! abstreift und in ihnen zugleich
kühn und rücksichtsvoll, zugleich fein und kraftvoll
auftretenden Ergebnissen uns mehr wie eine unbewusst
göttliche „Offenbarung" erscheint, darf uns über den
intellektuellen Ursprung der Kunst nicht irre
machen; auch dann nicht, wenn der Künstler selbst
des anfänglichen Ringens nicht mehr eingedenk ist
und gerne sein „angeborenes Genie" anstaunen lässt,
das doch in Wirklichkeit nur eine höhere Potenz real
erworbenen, sicheren Könnens darstellt.
Wenn es nun aber möglich sein soll, dass bei
diesem wesentlich kritischen, verstandesmässigen Pro-
zess „der wahre Künstler nie darüber Auskunft geben
können werde, welchen Zweck er bei einer bestimmten
Schöpfung im Auge hatte", — das ist mir unbegreiflich.
(Fortsetzung folgt.)
*) Das Prometheische Prinzip! Vergl. auch meine
Einleitung zum „Cicerone" in den Gemäldegalerien zu
Berlin und München.
Retouchen und Fixierungen an Fresken.
Von Eugen Bartl, Augsburg.
Obwohl Uebermalungen an schon fertigen Fresken
nicht Vorkommen sollen, da eben der Maler in Mal-
technik und Zeichnung vollständig sicher sein soll, so
erheischen oft verschiedenartige Umstände doch eine
Retouche der fertigen Fresken.
Auch an alten Freskogemälden kann man Retouchen
bemerken, es ist dies also nicht eine Errungenschaft
heutigen Tages.
Da man Freskomalen nicht an modernen Meistern
studieren kann, so muß man Aeißig die Technik der
Altmeister studieren und so auch, wie diese ihre Re-
touchen ausgeführt haben.
Sie benutzten dazu Kasein und etwas Kalk und wenn
man Kasein, z. B. Gerhards Marmorkasein für Außen-
fresken benutzt, so braucht man keine Angst zu haben,
daß das Wetter die Retouchen wegwäscht und erspart
sich das Fixieren, denn mit Fixierungen wurde schon
sehr viel verschlechtert, hauptsächlich mit Was-
serglas.
Wasserglasfixierungen zerstören oder beeinträchtigen
die Wirkung der Fresken, z. B. die vor ca. 3 Jahren
fertiggestellten neuen Fresken an der kgl. Residenz zu
München, hatten ein Jahr nach Fertigstellung einen
weißen faden Schimmer, der heute wohl noch schwach,
aber unangemehm störend wirkt, jedenfalls von Was-
serglas herrührend. Die dort befindlichen sehr figur-
reichen Fassaden zeigten aber schon nach zwei Jahren
der Fertigstellung an vielen Stellen Abwitterungen der
Farbe.
Eine mittelalterliche Fassade hier in Augsburg wurde
seiner Zeit renoviert und mit Wasserglas fixiert. Dies
bewirkte em solches Zerstören der alten, sowie auch
der neuen Farben, dass man es vorzog, dieser Fassade
neuen Bewurf zu geben, freilich leider ohne den
wirkungsvollen Freskenschmuck.
Ist eine Fassade, welche neu in Fresko gemalt,
derart, dass die Farbe als frisch schon abfärbt, wenn
man mit dem Finger darüber fährt oder mit einem
nassen Schwamm wäscht, so hilft das Fixieren auch
nichts, da kann eben der betreffende Maler nicht mit
Fresko umgehen, hat er seine Malereien jedoch gut
ausgeführt und will sie durch Fixieren verbessern, so
tut er falsch. Diesen unnötigen Skrupel braucht nie-
mand zu hegen, denn die gute Freskomalerei zieht aus
dem Kalkgrunde selbst einen Schutzstoff, das Kalk-
hydrat. das unsichtbar an die OberAäche der Malerei
dringt und die Farbe bis zur Erhärtung des Mörtels
schützt.
Müssen aber Retouchen vorgenommen werden, so
braucht man nur dem Kasein etwas Kalk zuzuführen
und dieser Kalk besorgt bei der Retouche dasselbe.
Also brauchen selbst Retouchen auf feuchtem oder
schon trocken gewordenem Freskogrund ausgeführt,
nicht weiter fixiert zu werden.
Hat man jedoch Fixierungen vorgenommen und
dabei schlechte Resultate erhalten, so dass weisse
Ueberzüge stattfinden, so muss man mit abgekochtem
Wasser trachten, die Stellen zu reinigen, gelingt es
nicht, so ist es besser, an diesen Stellen den Fresko-
malgrund zu entfernen und eine frische Putzschicht
zu machen, dabei muss der Grund gut feucht und der
aufgescheibte Mörtel vor zu raschem Trocknen durch
öfteres Anspritzen mit Wasser bewahrt werden.
Diese Stellen malt man auf trockenem Grund mit
Kasein und kann zuerst mit Umbra vorstreichen, erst
auf diesen Ton kann man malen. Dies bewirkt, dass
die frischen Stellen mit den übrigen Malereien har-
monieren. (Leipz. Malerzeitung.)
Vertag Act WwAttaM dar Kan* E. A. Seemann, Leipzig.
Münchner kunsttechnische Biätter
Nr. 9
neuen wirklichen Bi!dem zu verdichten, — mit einem
Worte: Das Können. Nicht aber verstehe ich
darunter auch das, was der Dichter, der Historiker,
was jeder lebhafte, gebitdete Mensch etwa an soge-
genannten „künstlerischen Entwürfen" in seiner Phan-
tasie sich zurecht machen kann. Es ist ja zweifellos,
dass der Künstler durch seine Tätigkeit eine besondere
Schulung in den bildlichen Anschauungen der Phantasie
erreicht; diese Schulung aber wird vorwiegend eine
kritische, alles Ueberschwängliche, Unrealisierbare,
Unbrauchbare verbauende sein, sie wird zu einer wohl-
tätigen Beschränkung und Vereinfachung der phan-
tastischen Gebilde in der Richtung des individuellen
Könnens herleiten, während gerade der „Nichtkünstler"
seiner Phantasie keine Zügel anzulegen braucht.
Indem wir so das allgemein-menschlich „Visionäre"
von dem besonderen Wesen der bildenden Kunst
loslösen und die Kritik lediglich auf das Verhältnis
zwischen Wollen und Können richten, gewinnen wir
den einzig und allein gerechten Standpunkt. Es ist
der Standpunkt ernster Kunstkennerschaft.
Während das grosse Publikum sich mehr durch den
poetischen oder sittlichen, rührsamen oder erheitern-
den Inhalt des Gegenstandes der Darstellung be-
stimmen lässt, fragt der Kunstkenner zunächst und in
vielen Fällen ausschliesslich nach der Art des Vor-
trags, danach, ob der Künstler die Kraft hatte, seiner
Darstellung eine gewisse Vollkommenheit lebenswahrer
und schwungvoller Charakteristik zu geben. Hierunter
ist aber keineswegs überall eine täuschende Nachbil-
dung der Wirklichkeit zu verstehen; im allgemeinen
genügt der in der Gestalt des Kunstwerkes geführte
Beweis, dass der Künstler mit seinem Können und
Wissen den Gegenstand beherrscht habe. So ist
die wahre Freude an einem Kunstwerke nichts anderes
als die Freude am Können eines Mitmenschen, — an
der Gestaltungskraft des menschlichen Geistes*).
Diese Arbeit des Künstlers aber erscheint uns als ein
Ringen des Verstandes nach rechtbar klarem, leben-
digem Ausdruck für Bilder, welche andere Sterbliche
nur phantomartig in ihrer Phantasie hegen oder nur
mit dichterischen Worten beschreiben können.
Diese Auffassung des spezifisch-künstlerischen
Ingeniums als einer wesentlich kritischen, also einer
Verstandestätigkeit, harmoniert denn auch mit
dem, was die grossen Künstler alle Zeiten über die
Art ihrer Arbeit gelegentlich berichtet haben und
was uns jeder tüchtige mitlebende Künstler bestätigt.
Es ist und war immer ein sorgsames Berechnen und
Abwägen der technischen Mittel, um einen bestimmten
farbigen oder formalen, naturwahren oder rythmischen
Ausdruck zu finden. Dass bei grosser Begabung
und Aeissiger Uebung diese Arbeit allmählich den
Charakter der Qua! abstreift und in ihnen zugleich
kühn und rücksichtsvoll, zugleich fein und kraftvoll
auftretenden Ergebnissen uns mehr wie eine unbewusst
göttliche „Offenbarung" erscheint, darf uns über den
intellektuellen Ursprung der Kunst nicht irre
machen; auch dann nicht, wenn der Künstler selbst
des anfänglichen Ringens nicht mehr eingedenk ist
und gerne sein „angeborenes Genie" anstaunen lässt,
das doch in Wirklichkeit nur eine höhere Potenz real
erworbenen, sicheren Könnens darstellt.
Wenn es nun aber möglich sein soll, dass bei
diesem wesentlich kritischen, verstandesmässigen Pro-
zess „der wahre Künstler nie darüber Auskunft geben
können werde, welchen Zweck er bei einer bestimmten
Schöpfung im Auge hatte", — das ist mir unbegreiflich.
(Fortsetzung folgt.)
*) Das Prometheische Prinzip! Vergl. auch meine
Einleitung zum „Cicerone" in den Gemäldegalerien zu
Berlin und München.
Retouchen und Fixierungen an Fresken.
Von Eugen Bartl, Augsburg.
Obwohl Uebermalungen an schon fertigen Fresken
nicht Vorkommen sollen, da eben der Maler in Mal-
technik und Zeichnung vollständig sicher sein soll, so
erheischen oft verschiedenartige Umstände doch eine
Retouche der fertigen Fresken.
Auch an alten Freskogemälden kann man Retouchen
bemerken, es ist dies also nicht eine Errungenschaft
heutigen Tages.
Da man Freskomalen nicht an modernen Meistern
studieren kann, so muß man Aeißig die Technik der
Altmeister studieren und so auch, wie diese ihre Re-
touchen ausgeführt haben.
Sie benutzten dazu Kasein und etwas Kalk und wenn
man Kasein, z. B. Gerhards Marmorkasein für Außen-
fresken benutzt, so braucht man keine Angst zu haben,
daß das Wetter die Retouchen wegwäscht und erspart
sich das Fixieren, denn mit Fixierungen wurde schon
sehr viel verschlechtert, hauptsächlich mit Was-
serglas.
Wasserglasfixierungen zerstören oder beeinträchtigen
die Wirkung der Fresken, z. B. die vor ca. 3 Jahren
fertiggestellten neuen Fresken an der kgl. Residenz zu
München, hatten ein Jahr nach Fertigstellung einen
weißen faden Schimmer, der heute wohl noch schwach,
aber unangemehm störend wirkt, jedenfalls von Was-
serglas herrührend. Die dort befindlichen sehr figur-
reichen Fassaden zeigten aber schon nach zwei Jahren
der Fertigstellung an vielen Stellen Abwitterungen der
Farbe.
Eine mittelalterliche Fassade hier in Augsburg wurde
seiner Zeit renoviert und mit Wasserglas fixiert. Dies
bewirkte em solches Zerstören der alten, sowie auch
der neuen Farben, dass man es vorzog, dieser Fassade
neuen Bewurf zu geben, freilich leider ohne den
wirkungsvollen Freskenschmuck.
Ist eine Fassade, welche neu in Fresko gemalt,
derart, dass die Farbe als frisch schon abfärbt, wenn
man mit dem Finger darüber fährt oder mit einem
nassen Schwamm wäscht, so hilft das Fixieren auch
nichts, da kann eben der betreffende Maler nicht mit
Fresko umgehen, hat er seine Malereien jedoch gut
ausgeführt und will sie durch Fixieren verbessern, so
tut er falsch. Diesen unnötigen Skrupel braucht nie-
mand zu hegen, denn die gute Freskomalerei zieht aus
dem Kalkgrunde selbst einen Schutzstoff, das Kalk-
hydrat. das unsichtbar an die OberAäche der Malerei
dringt und die Farbe bis zur Erhärtung des Mörtels
schützt.
Müssen aber Retouchen vorgenommen werden, so
braucht man nur dem Kasein etwas Kalk zuzuführen
und dieser Kalk besorgt bei der Retouche dasselbe.
Also brauchen selbst Retouchen auf feuchtem oder
schon trocken gewordenem Freskogrund ausgeführt,
nicht weiter fixiert zu werden.
Hat man jedoch Fixierungen vorgenommen und
dabei schlechte Resultate erhalten, so dass weisse
Ueberzüge stattfinden, so muss man mit abgekochtem
Wasser trachten, die Stellen zu reinigen, gelingt es
nicht, so ist es besser, an diesen Stellen den Fresko-
malgrund zu entfernen und eine frische Putzschicht
zu machen, dabei muss der Grund gut feucht und der
aufgescheibte Mörtel vor zu raschem Trocknen durch
öfteres Anspritzen mit Wasser bewahrt werden.
Diese Stellen malt man auf trockenem Grund mit
Kasein und kann zuerst mit Umbra vorstreichen, erst
auf diesen Ton kann man malen. Dies bewirkt, dass
die frischen Stellen mit den übrigen Malereien har-
monieren. (Leipz. Malerzeitung.)
Vertag Act WwAttaM dar Kan* E. A. Seemann, Leipzig.