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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 3
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Inglin, M.: Dada
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Pastellgrundierung
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Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0018

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:8

Münchner kunsttechnische Blatter

Nr. 3

wie in einem Lazarett, in dem vieie Soldaten schon ge-
storben sind, während andere in Fieberträumen noch
für das Vaterland kämpfen.
Es war mir klar geworden, dass hier eine moderne
Kunstströmung in ihrer letzten Auswirkung sichtbar
wurde und in der unbegreiilichen Einfalt ihrer Aeusse-
rungen immer noch den Willen in sich trug, auibauend
und kulturschaffend zu wirken. Diese „Künstler" schie-
nen mir die letzten Nachkommen einer dekadenten
Generation, die noch wie ein langsam absterbender
Zweig am starken, wachsenden Stamme eines neuen,
kriegserprobten Geschlechtes haftet. Diese Menschen,
die alle Zeichen einer unheilbaren Nervosität an sich
tragen, flüchten vor der Zerrissenheit und der „Diffe-
renzierung" ihrer eigenen Seele in die denkbar grösste
Gegensätzlichkeit und suchen im Primitiven das Heil
ihrer Persönlichkeit und der Kultur. Sie leben in dem
wohltätigen Irrtum, dass ihr Zustand auch der des mo-
dernen Menschen sei, und glauben an die Wirklichkeit
des trostlosen Bildes, das sie sich von moderner Kunst
und Kultur gemacht haben. Das Erstaunliche aber,
ja das Grossartige, ist die Leidenschaft, womit diese
seelisch Kranken, diese überempfindsamen, von Neu-
rosen und Psychosen verheerten modernen Seelen an
die Riesenaufgabe herantreten, eine neue Kunst zu
schaffen, an die Quellen zurückzukehren, den Anfang
zu erzwingen. Auch auf diesen letzten Irrwegen mo-
derner Kunst lebt noch der Glaube an eine Kulturauf-
gabe und der mächtige Drang, sie nach eigener Er-
kenntnis zu verwirklichen.
Unvergesslich bleibt mir dieses bleiche, junge Weib,
das inmitten einer uns unverständlichen und läppisch
anmutenden Kunst leidenschaftlich ihre Sendung ver-
teidigte, dieses seelenkranke Weib, das am Abgrund
stand und immer noch die Welt in ihr Gleichgewicht
bringen wollte. . . M. Inglin

PasteHgrundierung.
Zur Anfrage in Nr. : dieses Jahrgangs erhalten wir
von geschätzter Seite die folgenden Angaben über ein
bewährtes Verfahren für Pastellgrundierung usw.
Leinwand, Pappe, Holz oder auch dünner trok-
kener Putz wird geölt und dann zweimal mit einer
Oelfarbe gestrichen, damit nichts mehr einschlagen kann.
Zwischen jedem neuen Anstrich liegt eine Trockenzeit
von mindestens 48 Stunden. Jeder Anstrich wird vor-
sichtig und sauber abgeschliffen; also richtige An-
streicherarbeit „kunstgerecht" ausgeführt; auch ja nicht
mit Tubenfarben (die sind zu teuer), sondern mit An-
streicherfarhen: Leinöl, */, Terpentin und Farbpulver.
Der letzte Anstrich wird besonders vorsichtig ge-
schliffen und nun mit einem Oellack (Kopal- oder Bern-
steinlack) recht gleichmässig, wohl flott, aber nicht
zu dick überzogen. Ist dieser Lack soweitangetrocknet,
dass er eben noch leicht klebt, so nimmt man einen
Wattebausch oder weichen Haarpinsel, taucht diesen
in das Bimsteinpulver und stäubt dasselbe in den Lack
ein; damit ist der gewünschte Grund fertig.
Zu beachten ist, dass der Lack möglichst dünn
aufgetragen wird und nur noch ganz leicht klebt,
sonst „versäuft" das Pulver. —

Literatur.
Wilhelm Ostwald: Goethe, Schopenhauer
und die Farbenlehre. Leipzig 1918. Ver-
lag Unesma G. m. b. PI. Preis geh. M. 5.—,
gebunden M. 6.60.

Zu dem in der letzten Zeit erneut umstrittenen
Problem, das mit dem Namen Goethes und der von
ihm verfochtenen Farbenlehre, wie der Autor sagt, für
den Deutschen eine „automatische" Gedankenverbin-
dung bildet, nimmt nun auch der bekannte Gelehrte
Stellung. Was ihn dazu besonders geeignet macht, ist
sein auf Grundlage neuester Forschung und Wissens
beruhender Standpunkt, der ihn befähigt, das, was in
Goethes Farbenlehre von dauerndem Wert und weit-
tragender Bedeutung ist, genau von dem zu trennen,
was dieser Bewertung nicht standhalten könnte. Dabei
ist zu bedenken, dass Goethe sich in manchen Dingen
in Ungewissheit befand, ja gar nicht anders konnte,
weil zu seiner Zeit bestimmte, heute allgemein aner-
kannte, und vielfältig nachgeprüfte Tatsachen noch un-
bekannt, oder in den ersten Stadien der Erkenntnis
begriffen waren. So z. B. bezüglich der Lehre von der
Wellenbewegung des Lichts, aus der die Phänomene
wie die Umwandlung der gelb wirkenden in blau wir-
kende Farben, beim Durchgang durch trübe Medien-
zu erklären sind. Goethes Verfahren, das mystisch
persönliche seines Wesens, sein poetisches Denken,
der plötzliche Einfall, der ihn mitunter verführte, seine
Hinneigung zur damals auftauchenden Naturphilosophie,
mithin seine ganze Anlage, waren nicht geeignet, Fragen
physikalisch mathematischer Art zu lösen. Deshalb sind
jene Teile die besten, in denen Goethe seine grosse
Gabe der Beobachtung auswerten konnte, oder ihn
psychologische Gedankenverbindungen zur sinnlich-
sittlichen Wirkung der Farben führen. Ostwalds Dar-
stellung bringt alle diese Umstände zur Sprache und
ebenso das so merkwürdige Verhältnis des grossen
Dichters mit dem grossen Philosophen Schopenhauer,
der ursprünglich durch Goethe selbst in die Farben-
lehre eingeführt, diese mit grösstem Eifer verfochten
hatte, und dennoch sein Gegner geworden ist, und zwar
umsomehr, als sich Schopenhauer in der Frage der
Totalität derFarben-Empfindungen(Mischung derkomp-
lementären Farben auf der Retina zu Weiss) entschie-
den gegen Goethe richtete. Der Briefwechsel der
beiden Männer, über den in diesen Blättern schon ein-
mal ausführlich berichtet wurde (XII. Jahrg. Nr. 13.), dient
Ostwald zum Ausgangspunkt der Darlegungen, die ein-
gehend die Differenzpunkte zwischen Goethes und
Schopenhauers Ansichten behandeln. Die Streitfrage,
die noch manche Gemüter heute so sehr in Atem erhält,
endlich auch von einem massgebenden Gelehrten in
gründlicher Art behandelt zu sehen, bietet Gewähr da-
für, dass „die Akten über diesen Fall endlich geschlos-
sen werden können."
Darin liegt aber freilich das Markante der „Frage",
dass die Diskussionen darüber trotz alledem nicht zu
Ende kommen, weil die unleugbaren wissenschaftlichen
Fortschritte in Goethes Farbenlehre einerseits, mit ent-
schiedenen Fehlern andererseits verbunden sind, die
zu einem einzigen System zu vereinen, nicht möglich
ist. Für Einsichtige kommt es deshalb sehr gelegen,
dass die so grosse, viele Gebiete umfassende Farben-
welt, in ihre Bestandteile getrennt, behandelt wird,
wie es die Ankündigung einer „Farbenlehre" zeigt, die
von Prof. Ostwald in fünf Büchern bearbeitet demnächst
erscheinen soll. Das Gesamtgebiet wird eingeteilt in
i. mathematische, 2. physikalische, 3. chemische, 4. phy-
siologische und 3.psychologische Farbenlehre. „Gegen-
über der bisherigen Farbenlehre, handelt es sich bei
diesem Unternehmen um einen Neubau von Grund
aus", so heisst es in der Ankündigung. Hoffen wir,
dass bei der Zusammenfügung der vielen, weitläufig
auseinanderliegenden Bausteine zu einem geordneten,
übersichtlichen und harmonischen Gebilde, den Ver-
fasser eine glückliche Hand führt und die Erwartungen
erfüllt werden, die an ein so grosses Werk gestellt
werden müssen. B.
 
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