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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 23
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Die künstlerische Proportionslehre von Vitruv bis Dürer [3]
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Berger, Ernst: 25 Jahre Münchener Maltechnik: zur Geschichte meiner römisch-pompejanischen Rekonstruktionsversuche [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0135

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Nr 23

Münchner kunsttechnische Blätter

!35

herrscht, variierst auch du. Und solltest du
dennoch deine Figuren sämtlich nach einem Masse
anfertigen, so wisse, dass man sie eine von der
anderen nicht auseinanderkennen wird, was man
in der Natur nicht sieht.
Nr. 267 (272).
Von der Verhältnismässigkeit der
Glieder.
Alle Teile eines jeglichen Tieres seien dessen
Ganzem entsprechend, d. h. bei einem solchen,
das kurz und dick ist, sei auch jedes Glied für
sich kurz und dick, und eines, das lang und dünn
ist, habe auch lange und dünne Gliedmassen, und
so eines von mittleren Proportionen mässig lange
und dicke.
Das Nämliche will ich auch von den Pflanzen
gesagt haben, wenn sie nicht von Menschenhand
oder vom Winde verstümmelt sind. Denn solche,
die dies sind, setzen Junges auf Altes an, und
so ist ihre natürliche Proportionalität zerstört.
(Fortsetzung folgt.)
25 Jahre Münchener Maitechnik.
Zur Geschichte meiner römisch-pompeja-
nischen Rekonstruktionsversuche.
Von E. B.
(1. Fortsetzung.)
Von Prof. Dr. A. Furtwängler, Direktor der
Glyptothek, Professor für Archäologie an der
Münchener Universität, erhielt ich folgende Antwort:
„Ihre erste Frage betreffend, ist es gar nicht
zweifelhaft, dass Vitruv VII, 3, $ff. der
Glättung des Bewurfes besonderes Ge-
wicht beilegt und dass er als Resultat der
Arbeit eine spiegelglatte Fläche be-
zeichnet. Er betont vor allem den dicken
dreifachen Bewurf mit Marmorstuck und
dann das Glätten desselben als Vorbe-
dingungen für jenes Ergebnis der spie-
gelnden Fläche und ihrer Dauerhaftigkeit.
Vergl. „sed et baculorum subactionibus fundata
soliditate mormorisque caudare ürmo levigata . . .
(parietes) nitidos expriment splendores",*)
ferner „et ürmitatem et splendorem . . . poterunt
habere". Solidität und Glanz sind es immer,
auf die es ankommt; vergl. „. . . rumpitus, nec
splendorem . . . obtinebit". Endlich wird das
Spiegeln, § 9, Schluss, deutlichst ausge-
drückt: „non modo suntnitentia, sedetiam
imagines expressas aspicientibus . . .
remittunt."
„Ihre zweite Frage anlangend, erinnere ich mich
an wohlerhaltenen Stuckwänden in Pom-
peji und Rom durchweg des milden Glanzes
*) In der Uebersetzung von Reber: Wenn die
Festigkeit des Verputzes durch das Schlagen mit
Hölzern noch mehr gesichert und derselbe bis zum
harten Marmorglanz geglättet ist . . . werden (die
Wände) einen schimmernden Glanz erhalten.

der Oberfläche. Die Wände in Pompeji und die
Pompeji gleichzeitigen in Rom unterscheiden
sich dadurch sehr von den bemalten
Wänden älterer Zeiten (der mykenischen)
ebenso wie der späteren. Der Glanz hängt, wie
Vitruv angibt, mit der dicken vielfachen Schicht
zusammen, die allein eine solche dauerhafte
Glättung zulässt. Die frühgriechischen, ebenso
wie die spätrömischen Wände haben aber jene
solide Technik und Glättung nicht."
„Mit dem Spiegelglanz modernen polierten
Kunstmarmors (Gipsmarmor) hat jener milde
Glanz der antiken Wände nichts zu tun; doch
ist er stark genug, um eine matte Spiege-
lung zu erzeugen."*)
Universitätsprofessor Dr. Ludwig Traube J,
dessen Autorität auf philologischem Gebiet an-
erkannt ist, hatte ich nur die erste Frage vor-
gelegt, mit der Zusatzfrage (b): Hat Vitruv diesen
Umstand (nämlich den spiegelnd-glatten Effekt
der Oberfläche) durch den Vergleich mit dem
Silberspiegel deutlich zum Ausdruck bringen
wollen? Darauf erhielt ich die folgende Antwort:
„Die erste Frage beantworte ich unbe-
denklich mit ja; zu b) möchte ich sagen,
dass das Tertiumcomparationesvielleicht
etwas anderes ist, aber der ganze Ver-
gleich ist suppetiert worden durch die
Verwandtschaft der beiden Spiegel-
fläche n."
Der als Autorität für alles, was die Altertümer
Pompejis angeht, längst anerkannte Archäologe
Prof. Aug. Mau J in Rom (Verfasser der „Geschichte
der dekorativen Wandmalerei in Pompeji", Berlin
1882), gab mir folgende Antwort und zwar auf
die erste Frage:
„Vitruv sagt hier ohne Zweifel deut-
lich, dass der Stuck spiegelnd blank sein
soll. Auch der Vergleich mit dem Silber-
spiegel ist nur so zu verstehen."
In betreff der zweiten Frage verwies Prof. Mau
auf seine Geschichte der dekorativen Wandmalerei
S. 46 und einige spiegelnd glatte (weisse)
Pilaster im Case del Fauno, erklärt jedoch, als
Nichttechniker kein rechtes Urteil zu haben, wie
die Wandflächen ursprünglich gewesen seien.**)
Vom Architekten (jetzt Geh. Hofrat) Herrn
Prof. J. Bühlmann an der kgl. technischen Hoch-
schule (München), einem der besten Kenner
klassischer Baukunst, erhielt ich folgende Ant-
worten und zwar:

*) D. h. er ist heute noch stark genug, um eine
matte Spiegelung zu erzeugen; vor 2000 Jahren war
es jedenfalls eine klare spiegelnde Fläche!
**) Man darf dabei natürlich nicht übersehen, dass
die fast 2000 Jahre des Begrabenseins auf die geglätteten
Flächen nicht ohne Einfluss geblieben sein können,
denn selbst polierter Stein wird seinen Glanz unmög-
lich behalten können, wenn er so lange in feuchter
Erde gelegen hat.
 
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