Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

DOI Heft:
Nr. 1
DOI Artikel:
Berger, Ernst: Albrecht Dürers "eigene" Malweise
DOI Artikel:
Geschichte der Grundierungsmethoden für Holztafeln und Leinwanden [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0002

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2

Münchner kunsttechnische Bfätter

Nr. r

In den obigen Bemerkungen ist eigentlich die
Antwort schon umschrieben, denn es dürfte schwer
sein, aus dem Studium der beiden Bildnisse von
1499 und 1500 deutliche Merkmale eines neu-
artigen technischen Verfahrens erblicken zu können,
und seibst wenn wirklich bemerkbare Unterschiede
vorhanden wären, woran sollten wir die dabei an-
gewandten rein technischen Hilfsmittel erkennen?
Im gegenwärtigen Moment, da vorsichtshalber alle
wertvollsten Schätze der Pinakothek in bomben-
sicheren Räumen aufbewahrt sind, ist ein Vergleich
ohnehin ausgeschlossen.
Soviel wir aus seinen Briefen aus Venedig und
an Jakob Heller wissen, hatte Dürer stets aui die
Wahl seines Farbenmaterials grosse Sorgfalt gelegt,
er suchte sich die „besten Farben" zu verschaffen,
ebenso wie beim Ultramarin, auch wenn es noch
so kostspielig war. Darin war er nicht viel an-
ders geartet als seine Zeitgenossen, oder wie z. B.
auch noch A. Böcklin es getan, der sich einen
Vorrat besonders schöner Farben hielt und so spar-
sam als möglich damit umging. Wir wissen aber
auch andererseits (aus den Briefen an Heller),
welche Sorgfalt Dürer auf die Herstellung der Holz-
tafel, die er „beim Vergolder" zurichten liess, ver-
wandte, dass er „mit zwei gar guten Farben"
untermalte, und dass er willens war, das Werk
(er arbeitete an dem später bei dem grossen Brande
des Münchner Schlosses 1673 zugrunde gegan-
genen Altar, darstellend die Himmelskrönung Mariä)
„4, $ oder 6ma! unter-, über- und auszumalen";
endlich weiss Dürer von einem „eigenen Firnis,
den man sonst nicht kann machen" zu berichten,
dem er die Wirkung besonderer Dauerhaftigkeit
zuschrieb.
Stehen nun diese beglaubigten Nachrichten mit
der Inschrift auf dem Selbstporträt in irgend-
welcher Beziehung? Ist dieses Porträt etwa als
erstes Beispiel der ihm eigenen, neuen Technik
anzusehen, die er dann immermehr vervollkommte
und dessen Höhepunkt, etwa im folgenden Jahr-
zehnt, er in Werken wie die „Dreifaltigkeit" vom
Jahre 15 II (Wiener Galerie) erreichte, oder deren
subtile Durchführung wir endlich in dem Holz-
schuher-Bildnis vom Jahre 1 $ 16 bewundern können?
Freilich dürfen wir nicht vergessen, dass zwischen
dem hier in Frage stehenden Selbstporträt und
dem Hellerschen Altar die Reise nach Venedig
(1505) fällt und Dürer dort im Technischen gar
manches Neue zugelernt haben wird. Den höch-
sten Grad der Vollendung zeigt sicherlich das er-
wähnte Holzschuher-Porträt; bei diesem kann
man wohl begreifen, dass die vielfache „Unter-,
Ueber- und Ausmalung" alle jene Einzelheiten aus-
zuführen ermöglichte, und dass dieses Bild die Vor-
hersage einer mehrhundertjährigen Haltbarkeit be-
wahrheitet, beweist die wunderbare Frische des
Kolorits, die noch heute so zu sein scheint, wie
zur Zeit des Entstehens.

In der Durchführung aller Einzelheiten (Haare
Augen, Hände, Gewand) ist das Selbstporträt von
1500 gewiss ein Meisterwerk, aber bezüglich des
Kolorits kann es mit dem Holzschuher-Porträt nicht
in Vergleich gesetzt werden. Das erstere scheint
bedauerlicherweise zu den Bildern zu gehören, die
(traurigen Andenkens!) durch das „Putzwasser"
unverständiger Restauratoren gelitten haben, denn
das Kolorit ist bis auf die ersten Farbschichten
abgewaschen; jetzt sieht man nichts von der sub-
tilen „Unter-, Ueber- und Ausmalung", die spätere
Werke auszeichnen, die als die eigenste Malweise
Dürers angesprochen werden muss, und die er
wohl mit den Worten propriis coloribus bezeich-
nete. Ob Dürer zu diesen vielfach übereinander-
gefügten Schichten sich unserer Oelfarbe oder einer
besonderen Temperamischung bediente, ob der von
ihm geheimgehaltene Firnis ein integrierender Be-
standteil seiner Technik war, darüber lassen sich
heute freilich nur Vermutungen aussprechen.
Geschichte der Grundierungsmethoden
tür Holztatein und Leinwänden.
Einleitung.
Ueber die Wichtigkeit und den Einfluss, den
die Grundierung der Holztafeln oder der Leinwand
auf das Endergebnis der Malerei hat, sind sich
wohl alle Fachgenossen einig. Nicht nur rein mate-
riell steht und fällt die auf dem Untergrund auf-
getragene Malerei, dieselbe wird auch durch die
Beschaffenheit der Grundierung koloristisch wesent-
lich beeinflusst. Diesem ersteren Umstande ist
es zu verdanken, dass wir Malereien aus fast allen
Zeiten des künstlerischen oder handwerklichen
Betriebes kennen, aus deren Erhaltung wir den Ein-
fluss einzelner Grundierungsmethoden bemessen
können. Wie wesentlich aber z. B. der weisse
Kreidegrund auf Holztafeln für den gesamten tech-
nischen und koloristischen Aufbau der mittelalter-
lichen Malerei gewesen ist, braucht nicht besonders
hervorgehoben zu werden; es ist von allen Ein-
sichtigen längt erkannt, dass ohne diesen weissen
Leim- oder Kreidegrund, der identisch ist mit dem
sog. Vergoldergrund, die Schönheiten der frühen
niederländischen oder frühdeutschen Meister (Köl-
ner Schule) bis Dürer und Holbein kaum bis heute
so sichtbar geblieben wären und ebenso sicher
ist es, dass mit dem Verlassen dieses weissen Grun-
des einerseits und der Verwendung weniger Licht
reflektierender Unterlagen, ganz besonders seit
Einführung dunkelgefärbter Leinwänden, die Er-
haltung des Kolorits immer mehr zu wünschen
übrig gelassen hat.
Die Wichtigkeit dieser Erkenntnis übersehend,
ist man im allgemeinen heute viel zu gleichgül-
tig beim Einkauf von Leinwänden; man frägt kaum
darnach, in welcher Manier die Grundierung her-
 
Annotationen