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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 18
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Berger, Ernst: 25 Jahre Münchener Maltechnik [11]
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Hillig, Hugo: Dekorative Techniken [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0106

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Münchner kunsttechnische Btätter


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vortreffliche Vorarbeiten gemacht worden; sie
müssen nur gesichtet und mit den allgemeinen
Grundierungsmethoden für Leinwänden usw. in Be-
ziehung gebracht, die letzteren überhaupt erst
einmal studiert werden, was bis jetzt, soviel
ich weiss, noch nicht oder nie richtig ge-
schehen ist.
(Fortsetzung folgt.)
Dekorative Techniken.
Von Hugo Hillig.
(4. Fortsetzung.)
IV.
Das Flammen.
Im Wallensteinmuseum zu Eger in Böhmen steht
eine alte egerländerische Schlafstubeneinrichtung, die
bunt bemalt ist. Alle Rahmen und die gedrehten Teile
sind auf einem weissen Grund mit grober blauer Farbe,
wahrscheinlich Smalte, deren öliges Bindemittel ihr
mit der Zeit einen grünlichen Schimmer gegeben hat,
mit grobem Pinsel geflammt, d. h. in einer Art be-
handelt, dass man annehmen könnte, der egerländische
Bauernmaler habe an Marmor gedacht. Auf den böhmi-
schen und erzgebirgischen Bauernmöbeln sind ebenfalls
so behandelte Anstriche zu finden, auf den Seiten-
wänden ganz komplizierte Einteilungen, mit bunten
Einfassungen und Börtchen auseinander gehalten. Die
Innenflächen sind gewöhnlich weiss oder ganz hell-
farbig gestrichen, und dann wird sowohl die eingefassten
Bänder als die Füllungen und auch das Rahmenholz
so behandelt, dass mit einer ziemlich konsistenten
und gewöhnlich ungeriebenen Lasurfarbe und mit dem
Besen oder einem sonstigen groben Borsteninstrument
diese Lasur durcheinandergearbeitet, aufgerieben ist,
damit der hellere Untergrund unregelmässig zum Vor-
schein kommt. Manchmal sind wirklich ganz reizende
Arbeiten auf diese Weise entstanden, und wenn auch
nicht mehr allzuviel davon erhalten ist und man auch
höchstens nur noch gut erhaltene Exemplare solcher
alten Bauernmöbel in den weltvergessenen böhmischen
und erzgebirgischen Gebirgsdörfern finden kann, so
könnte doch nichts im Wege liegen, wenn die Maler
mit Vorliebe auf diese alte und urwüchsige Deko-
rationstechnik zurückgriffen. Hier und da geschieht
es wohl schon, sowohl in der Dekorationsmalerei als
auch in der Tapetenindustrie, und die Maler haben
wohl von allem Anfang an von dieser Technik gelernt,
vielmehr darauf gebaut, und es lag vielleicht weniger
an ihnen, dass sie bei dieser Anlehnung auf einen
abseits führenden Weg gerieten.
Aus diesen alten Dekorationstechniken an den
böhmischen und obersächsischen Möbeln, die auch an
den Bauernmatereien anderer Landstriche zu beob-
achten sind, entwickelte sich, je mehr sich die Technik
ausbildete und die Werkzeuge und auch die Farbstoffe
brauchbarer wurden, unter der Gunst der Zeit und
ihrer Anschauungen unzweifelhaft die Holz- und Mar-
mormalerei. Je mehr sich diese aber entwickelte, je
selbständiger wurde sie, bis sie zuletzt überhaupt nicht
mehr zu den dekorativen Effekten zu zählen war; sie
wurde gebunden von dem Prinzip, die Naturhölzer und
die Naturmarmore recht getreu nachzuahmen, und einen
anderen Endzweck gab es hier nicht mehr. Oftmals
wurde sogar der dekorative Zusammenhang zwischen
diesen Imitationen und den anderen Dekorationen im
Raume bestritten, wie es ja mit der Spezialisierung

der Holz- und Marmormalerei auch nicht anders zu
erwarten war.
Allein wenn die Holz- und Marmormalerei dank
der Entwicklung der Technik und der Werkzeuge, der
Manieren und der Materialien ihr Ziel, das Naturprodukt
so getreu wie möglich nachzuahmen, erreicht hatte,
und das ist in kaum glaublicher Weise gelungen, so
war diese Imitationsmalerei auf einem toten Punkt
angelangt; sie hatte keine Entwicklungsmöglichkeit vor
sich. Sie musste sich modifizieren oder sie muss ver-
fallen, sie wird aus dem Rahmen der dekorativen Künste-
ausgeschlossen werden. Wie es damit steht, das braucht
hier nicht erörtert zu werden, und es ist auch schwer,
wenn man nicht Raum zu einem weitausholenden Beweis
hat, diese Entwicklung glaubhaft zu machen. Und im
übrigen kommen solche Entwicklungen nicht so schnei!
und jählings, wie man sie beschreiben kann, und was
sich nur in geistiger Abstraktion erfassen lässt, was
man nicht mit Händen greifen kann, ist für manchen
guten Mann, aber schlechten Musikanten ein Buch mit
sieben Siegeln.
Die Bauernmaler haben aber etwa diesen Weg
auch ein Stück mitgemacht. Sehr wohl sogar, aber es
war gewissermassen ein Glück für die Bauernkunst,
dass sie gar bald nicht weiter konnten und bei einer
sehr stümperhaften Technik stehen blieben. Auf der
deutschen landwirtschaftlichen Ausstellung in München
[905 war ein oberbayerisches Gebirgshaus ausgestellt,,
das eine bauernbarocke Schlafzimmereinrichtung ent-
hielt. Und die Doppelbettstatt, die zwei Kästen.
(Schränke), die Wanduhr und der Stuhl waren in ihrem
Rahmenholz — marmoriert. Ob das schön ist oder
auch zu rechtfertigen, das steht nicht in Frage, es
kommt nur darauf an, dass diese Anwendung einer
Dekorationstechnik an Möbeln, die einen marmorähn-
lichen Eindruck hervorruft, weiter nichts ist als ein
Versuch, die alte primitive Flammungdes Holzanstrichs
nach nur irgend einer Richtung zu entwickeln; auch in
Norddeutschland und anderen Gegenden sind mir solche
Versuche bekannt. Ja, wenn ein passionierter Marmor-
maler diesen Bauernmarmor beurteilte, so würde er
zwischen diesem und seinem Marmor etwa denselben
Unterschied finden, wie er vielleicht zwischen aller-
feinstem Parmesankäse und einem echten duftenden
und laufenden Bauernkas besteht: es gibt Leute, die
aus gewichtigen Gründen den Bauernkas vorziehen.
Die alten Bauernmaler wollten kaum glaubhaft machen,
dass ihr hölzernes Ehebettstattei eitel Marmor sei und
dass der Bauer seine Lederhosen auf einen Stuhl aus
Marmelstein bei der Nacht hinlege, — nein, es gefiel
ihnen, ihr altererbtes farbiges Fludribusch auf den
Kästen und sonstigen Dingen einmal so ähnlich zu
machen, wie sie es vielleicht einmal bei einem Stadt-
frack von Maler oder auf einem Bild gesehen hatten.
Und da wurde eben der Marmor draus.
Nun sollten die Stadtfräcke von Malern durchaus
nicht schnurstracks hinlaufen und es ebenso machen
wollen. Sie sollten nicht da zu lernen suchen, wo die
alte Technik schon entartet, wo sie anfängt, sich schief
zu entwickeln. Wo sie in ihrer Urwüchsigkeit besteht,
in ihrer Unmittelbarkeit, da sollten die Maler von
heute ansetzen. Und das sind die Beispiele, die ich
eingangs erwähnt habe. Von ihrer entwickelten Holz-
maser- und Marmorimitationstechniksollen sie versuchen,
zurück zu einem stilistischen Flächendekor zu gelangen,
und ich habe in Zeitschriften der verschiedensten Art
seit Jahren diese Idee verfochten. Als ich dann ein-
mal in Köln eine Tapete sah, die als Muster weiter
nichts hatte als ein stilisiertes Holzmasermotiv, da war
mir bewiesen, dass es sehr gut geht, die Holzmaser
in einen stilistischen Flächendekor umzusetzen, der
tausendmal wertvoller sein kann als alle mittelmässige
Ornamentik. Die Handwerker-und Kunstgewerbeschule
 
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