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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 9
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Geschichte der Grundierungsmethoden für Holztafeln und Leinwanden [9]
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Georg Hirth: der Begriff des "spezifisch Künstlerischen" [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0053

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Nr. 9

MGnchner kunsttechnische Blätter

53

dann den leim an mit der handt oder mit den pensel
vnd thue das behendt aibegen (allerwärts). Dar-
nach las das wol trucken werden, darnach streich
den leim aber (wieder) an nit als hais als zu dem
ersten und lass es aber trucken vnd das thue als
offt pis das holtz ein wenig gleissend werd vnd
den leym mach albeg ein wenig kalter. Darnach
nim kreyden und reib sy mit varb leim gar wol
vnd nim ein grossen tegel vnd thue die kreyden
darein vnd geuss vil leim wasser daran, dass es
gar ein düns (dünnes) weyss ward, vnd der tegl
mit dem wasser sol aibegen (stets) in einem warmen
wasser sten. Darnach trag das weyss auf zu dem
ersten mit der handt. Darnach nim ein porst (Borsten)
pensel, der sawber sey vnd oben wol zugcsnitten,
das er kain har lass vnd stoss den in das weyss,
vnd nim nit vil in den pensel vnd dupplir auf der
tafel hin und her da mit, vnd das thue aibegen
behendt vnd wenn du das ganz über weysst hast
zu dem ersten, so lass es darnach drucken von im
selber vnd so! nit ganz hert werden sondern nur
kaum drucken; auch sol dy stadt (Werkstätte)
dadrin das druckent nit zehais sein, sunder nur
ein wenig warm. Darnach nim der geriben creydn
vnd thue im wenig in das erst weyss vnd mach
es dicker ein wenig, vnd trag das auf vnd lass es
drucken werden als vor, vnd der ze sex malen,
nur das du das weyss albeg dicker machest, also
das es zu dem lezsten chaum (kaum) durch den
pensel gang, auch albegn trag man das auff mit
dem pensel und nit mit der handt, nuer (nur) des
ersten mals vnd zu den lezsten lass das gar wol
abdrucken vnd schab es dann, das es eben werd mit
ander schab, trucken oder mit einen wolschneydind
messer. Darnach reib es mit schafflhalm gar subtil
vnd nit lang an jeder stat. (Es folgt dann die
ebenso ausführliche Angabe den braunroten (Bolus-)
Grund als Unterlage für die Vergoldung aufzutragen,
die hernach geglättet werden soll, in der Art
unserer Glanzvergoldung.)
Diese Anweisung deckt sich in vieler Hinsicht
mit dem Rezept für Grundierung von Holztafeln
des Cennino Cennini; hier sind jedoch die Vor-
arbeiten für die Ausstafßerung von geschnitzten
Bildwerken zu verstehen, die grosse Aufmerksam-
keit erforderte.
An einer weiteren Stelle des Lib. illuminiatorius
findet sich eine Aufschreibung, wie man den Grund
für Bildertatein bereiten soll, sofern auch da-
bei Vergoldungen anzubringen waren; es heisst da:
(Fortsetzung folgt.)
Georg Hirth: Der Begriff des „spezifisch
Künstlerischen
Wir entnehmen diesen Abschnitt Hirths vor-
trefflichem Buch „Aufgaben der Kunstphysiolo-
gie" (München und Leipzig :89t) I. Bd., S. n-25.
Bevor wir den springenden Punkt unserer Betrach-
tung ins Auge fassen, müssen wir der Frage nach den

psychischen Vorgängen näher treten, welche das
„Kunstwerk" überhaupt seine Entstehung verdankt.
Hören wir zunächst, wie ein hervorragender Mann
der Wissenschaft*) sich hierüber äussert: „Die aktive
Phantasietätigkeit liegt jeder Art künstlerischer Schöp-
fung zugrunde, und in grösserem Grade ist sie an
allen anderen schöpferischen Erzeugnissen des mensch-
lichen Geistes beteiligt, an den Erfindungen der Tech-
nik so gut wie an den Entdeckungen der Wissenschaft.
Bei keiner dieser Schöpfungen aber setzt sich das
Ganze mosaikartig aus seinen Teilen zusammen,
sondern es steht zuerst im Bewusstsein: es bildet
die Idee des Kunstwerkes, die oft blitzartig aufleuch-
tende Konzeption einer intellektuellen Schöpfung;
dann erst gliedert es sich in seine einzelnen Bestand-
teile, wobei freilich manches aufgenommen wird, was
ursprünglich nicht geplant war, oder wohl sogar die
Idee selbst wesentliche Umgestaltungen erfährt. Nichts
kann verkehrter sein als die Meinung, die ursprüng-
liche Idee des Kunstwerkes müsse in der Form eines
logischen Denkaktes in der Seele des Künstlers
liegen. Die aesth< tische Analyse kann es gelegentlich
versuchen, eine solche Uebertragung in die logische
Gedankenform nachträglich vorzunehmen. Aber wo
das Kunstwerk selbst diesen Ursprung nimmt, da setzt
es sich in Widerspruch mit den eigensten Gesetzen
der Phantasietätigkeit. Der wahre'Künstler wird
nie darüber Auskunft geben können, welchen
Zweck er bei einer bestimmten Schöpfung
im Auge hatte; wie die Ausührung seiner Idee
den Gedat ken nur in anschaulichen Bildern darstellt,
so lag die Idee selbst nur in der Form der An-
schauung in ihm. Der symbolisierenden Kunst
und der lehrhaften Poesie mag darum immerhin ihr
Wert bleiben; aber sie sind so wenig wie die Erzeug-
nisse des Kunstgewerbes reine Kunstschöpfungen,
sondern intellektuelle Erzeugnisse in künstlerischer
Form."
In diesen Ausführungen liegt einerseits eine
Uebertreibung, andererseits eine Beschränkung des
Kunstbegriffes, welche weder durch das Wesen des
Kunstwerkes, noch durch den erfahrungsmässigen Ver-
lauf des künstlerischen Schaffens gerechtfertigt er-
scheinen.
Richtig ist zunächst nur das eine, dass nämlich
von einer „künstlerischen" Gestaltung überhaupt erst
von dem Augenblicke an die Rede sein kann, wo der
Gegenstand oder Vorgang, um welchen es sich handelt,
in der Phantasie die Form einer (wenn meist auch
noch unklar schwankenden) bildlichen Anschau-
ung angenommen hat. Abstrakte Begriffe, generelle
Aufgaben, schöne Ideen ohne Gegenständlichkeit
bieten dem Künstler als solchem noch keine An-
griffsfläche dar. Damit ist doch aber nicht gesagt,
dass nicht auch des Künstlers (wie jedes Kulturmenschen)
Seele mit solchen unbildlichen Begriffen Umgang pflegen
könne, und ebensowenig ist bewiesen, dass die Phan-
tasie des Künstlet s unvermögend sei, rein begriffliche
in anschauliche Anregungen zu übersetzen. Wir tun
überhaupt gut, uns die Seele des Künstlers ungefähr
als eine gewöhnliche gebildete Menschenseele vorzu-
stellen und ihr insoweit ein Präcipium einzuräumen,
als es zur Erklärung der ihr innewohnenden spezi-
fisch künstlerischen Gestaltungskraft unbe-
dingt erforderlich ist. Ich verstehe darunter nur das,
was der bildende Künstler (Zeichner, Maler, Modellier
usw.) vor seinen Mitmenschen voraus hat, nämlich
die Fähigkeit und Fertigkeit, die in der Pnantasie
entstehenden, direkt der Wirklichkeit entnommenen
oder frei erfundenen bildlichen Anschauungen zu

*) W i 1 h. W u n d t, Grundzüge der physiolog.
Psychologie. (3. AuH.) II. Bd., S. 399.
 
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