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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 17
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Hillig, Hugo: Dekorative Techniken [4]
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Stehl, Georg: Kunstlackierungen [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0101

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Nr. i?

Münchner kunsttechnische Blätter

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einzelne ringförmige Partien darin, und da ausserdem
die Spritzen verschieden gross sind, so kann man sie
sehr gut auch als Dekorationsmittel, besonders in der
Firmenschilderindustrie gebrauchen. Man muss aller-
dings den richtigen Zeitpunkt abwarten, denn wenn die
Lasur noch zu nass ist, so entstehen keine runden
Flecken, sondern Tränen und Gardinen, und die Sache
ist verhunzt. Wir werden jedoch in einem späteren
Artikel noch sehen, wie der Maler aus dieser Not eine
Tugend machen kann.
Das Spritzen hat den Uebelstand, dass man be-
nachbarte Flächen, die nicht gespritzt werden sollen,
schlecht anders und einfacher schützen kann, als dass
man sie mit Papier usw. bedeckt oder es müssen die
Nachbarpartien nachgestrichen werden.
Dem Maler verhilft diese Arbeit jedoch zu einer
Idee. Er denkt daran, die Schablone zu Hilfe zu nehmen,
deren ganzer Witz ja auch darin besteht, dass sie das,
was von der Farbe verschont bleiben soll, zudeckt.
Und fürwahr, es lassen sich dadurch ganz ausserordent-
lich feine Wirkungen erzielen. Nicht etwa, dass man
das farbig voll schablonierte Bild durch nochmaliges
Auflegen der Schablone noch spritzt und zwar in einer
anderen Farbe. Das geht an, ist aber nicht sonder-
lich eigenartig, und wer in der Wahl der hierzu ver-
wendeten Farben nicht vorsichtig ist, der kann sich
leicht die Wirkung des Schablonenornamentes ganz
und gar verderben, wenn sonst etwas daran zu ver-
derben ist.
In einer Hamburger Tapetenauslage sah ich ein-
mal ein Muster, das viel feiner ist. Und zwar war es
Handarbeit, wie überhaupt in der Tapetenindustrie die
Tendenz des Luxus sich jetzt in der Weise äussert,
dass man handgemalte oder wenigstens schablonierte
Tapeten für die reichen Leute macht. Das Muster war
weiter nichts als ein doppelhandbreiter Fries auf einer
mattroten Tapete. Der Untergrund dieses Frieses war
nun mit einer hellblauweissen Farbe gespritzt, also durch
die Schablone. Aus dem Untergrund und diesem bläu-
lichen Weiss wurde nun ein hellgrauer Ton von äusserster
Zartheit. Dann hatte man eine Schablone genommen,
aus der nur die von vorn sichtbaren, also in schmalen
Lichtern stehenden Blätter von Rosen ausgeschnitten
waren, die also nur die belichteten Blattstellen auf-
geblühter Rosen zeigte. Diese Schablone wurde auf
den schon einmal gespritzten Fond gelegt und nun das
zweite Mal mit einem grünlicheren Weiss gespritzt;
dieser Farbenton war gerade so abgewogen, dass nach
dem Wegnehmen der Schablone die Rosen als duftige,
zart verschleierte Blumen zum Vorschein kamen. Den
Zwischenraum hatte man durch kleinere, in einem
röllichviolettenTone auch mittels Schablone gespritzte
Streublüten ausgefüllt. Wenn man nun noch mit einem
hellen Patinagrün die Lichtstellen einiger Rosenblätter
eingefügt hätte, so wäre damit ein wunderbares Bei-
spiel einer Dekoration geschaffen worden, die weiter
nichts ist als eine bewusste und künstlerisch durch-
dachte Erweiterung einer alten Dekorationstechnik,
die man fast auf jedem Dorfe seit undenkbarer Zeit
angewendet findet.
Ich will hier noch daran erinnern, dass sich diese
Technik auch in anderer Weise noch anwenden lässt,
nämlich als Ueberzug auf eine fertige Malerei. In
dem Dorfschulhaus der III. Deutschen Kunstgewerbe-
ausstellung hatte man so gearbeitet. Ganz flüchtig
angelegte Rosen auf dem Deckenputz und darauf dann
weiss gespritzt: das war eine ganz prächtige Deko-
ration, die wirklich nachahmenswert ist.
Hermann Hesse schildert einmal eine Fußreise im
Herbst und er sagt da: „Braune Brombeerblätter an
langen Ranken hingen über die Weg herein, und auf
jedem Blatte lag seidig der durchsichtig dünne Reif,
silbrig flimmernd wie die feinen Härchen auf einem
Stück Samt. Wenn einem Maler oder Kunst-

sticker oder Keramiker eine halbe Nach-
ahmung gelingt, so reisst man in der Stadt
die Augen auf." — Es ist also nicht ganz unnütz,
nach den Mitteln zu suchen, mit denen solche Fein-
heiten herzustellen sind. Auch mit ihnen kann man
versuchen, die Schönheit, die in der Natur steckt,
herauszureissen, um sie zu haben.
(Fortsetzung folgt.)
Kunstlackierungen.
Von Georg Stehl, Wien.
Zu den verschiedenen Lackierungsarten, die kunst-
handwerkliche Gebarung und Fleiss erfordern, gehört
unter vielen anderen die sogenannte „Vernis-Martin-
Lackierung", von der heute im wesentlichen die Rede
sein soll.
Geschichtliches darüber wollen wir übergehen, es
genügt zu wissen, dass diese Art der Lackierung be-
sonders in der Zeit des Rokoko in Blüte stand. An
den Möbeln und Wohnungsausstattungsgegenständen
dieses Zeitalters der Kunst und des Kunsthandwerkes
finden wir kostbare Lackierungen sehr häufig. Die
Möbel, Spiegel, Verkleidungen usw. der besseren Woh-
nungen von Ade! und Bürgerschaft wurden (vornehm-
lich in Frankreich) weiss und farbig feinst lackiert.
Die beim Rokoko so häufigen Schnitzereien dazu reich
vergoldet oder farbig gemalt (gefasst). Blumen und
Blätter wurden in Naturfarben oder weiss, elfenbein
oder im Ton behandelt und deren Kanten und Um-
schläge dann oft in Glanzvergoldung gehalten. Es war
eine reiche, üppige Zeit, und man ging sogar so weit,
auch die Flächen reicher zu behandeln, wie dies sonst
eigentlich üblich war. Viele solcher Möbel und an-
derer Gegenstände sind aus jener Zeit auf uns ge-
kommen und noch sehr gut erhalten, um als Muster
dienen zu können. Ende der achtziger, Anfang der
neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts brachte (un-
seres Wissens als einzige in Deutschland) eine grosse
Luxusmöbelfabrik in F., welche sich nur mit Anfertigung
stilgerechter Möbel und Wohnungseinrichtungen auf
Bestellung befasste, diese Kunstlackierung (Vernis-
Martin) wieder in Verkehr.
Bei der Kostbarkeit der Möbel und Ausstattungs-
gegenstände selbst sowie der Lackierung im beson-
deren konnten sich nur ausgesprochen reiche Leute
diesen Luxus leisten. Die meist in geschweifter Bau-
art mit gebogenen Füllungen versehenen Rokokomöbet
waren mit reichen Schnitzereien verziert, an deren
Steile oft echte Bronzearbeiten traten. So wissen wir
von Gegenständen, deren Bau in der Fabrik erledigt
wurde, die dann nach K., dem Sitz einer Kunstschule,
gesandt wurden, wo ein Bildhauerprofessor die Orna-
mente frei darauf modellierte. Dann gingen die Gegen-
stände nach M. in eine Kunstbronzegiesserei; dort
wurde die Bronze nach dem Modell gegossen und an-
gepasst. Dann wanderten die Sachen wieder in die
I'abrik nach F. zurück, um dort mit Bemalung, Lackie-
rung, Vergoldung versehen und mit Kristallglasscheiben
und Tafeln sowie mit Samtausschlag und dergleichen
ausgestattet zu werden. Aus Vorstehendem geht wohl
hervor, wie kostbar solche Sachen waren, so dass ein-
zelne Stücke, wie z. B. „Vitrinen" (Glasschränke), die
zur Aufnahme von ein paar „Nippes" (Schmuckgegen-
ständen) dienten, tausende Mark (wir wissen Gegen-
stände von 9—10000 Mark und höher) kosteten.
Mit dem Aufkommen der neuzeitlichen Stilarten
war wohl dem weiteren Umsichgreifen der Kunstlackie-
rung Einhalt getan und das sehr mit Unrecht, denn
wir finden, dass sich die Vernis-Martin-Lackierung
keineswegs nur an den Rokokostil zu binden braucht.
Wir haben diese Lackierung wiederholt auch bei neu-
 
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