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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 1
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Seligmann, Adalbert Franz: Die neue Schule [1]
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Berger, Ernst: Bimsteingrund für Pastellgemälde
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0006

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6

Münchner kunsttechnische Blätter

Nr. i

hier die durch Wiederholung besonders verstärkten
äusseren Reize (optische, akustische) schiiessiich ganz
isoliert, ohne mehr die sonst gewöhnlich darangeknüpf-
den Assoziationen zu erzeugen, vermutlich eine Ermü-
dungserscheinung. Dieser Zustand pflegt zwar sehr rasch
vorüberzugehen, kann aber mit einiger Uebung willkür-
lich hervorgerufen und durch längere Zeit festgehalten
werden.
Auf empfindliche, leicht erregbare Naturen, wie es
künstlerisch Veranlagte zu sein pflegen, wirken solche
Eindrücke natürlich besonders stark. Denken wir uns
einen lebhaften, ehrgeizigen jungen Mann, der Neigung
zur Malerei hat und sich diesem Berufe widmet. Er
wird erstlich eine unübersehbare Masse von Vorbildern
finden, die, was man durch Begabung und Fleiss auf
allen möglichen Gebieten erreichen kann, aufs Aller-
vollkommenste repräsentieren. Wenn er nun nicht sehr
rasche Fortschritte macht, so wird er den Mut ver-
lieren müssen bei der Erkenntnis dessen, was ihm noch
alles zu lernen bevorsteht. Andererseits aber wird er
selbst vor Meisterwerken solchen Stimmungen und
Empfindungen, wie ich sie vorhin beschrieben habe,
nicht entgehen können. Eine allgemeine Unbefriedigung
ergreift ihn; er sieht, dass seine eigenen Arbeiten nicht
genügen, dass sie hinter unzähligen Vorbildern aus
Gegenwart und Vergangenheit Zurückbleiben; aber ihm
genügen auch diese Vorbilder nicht. Er hat die Emp-
hndung, man müsse die ganze Sache von einer anderen
Seite anpacken. Aber ach! von welcher? Es gibt kein
unentdecktes Gebiet mehr! Wo immer er sich der
Natur nähert, stösst er auf Spuren eines Meisters der
Gegenwart oder Vergangenheit, der ihm hier zuvor-
gekommen ist, die Welt der Erscheinungen eben von
dieser Seite aufgefasst und mit unübertrefflicher Voll-
endung dargestellt hat. Nun ist es eben diese Voll-
endung, dieses ausgereifte, satte Können, das er zu
hassen beginnt. (Dass er darin dem Fuchs gleicht,
dem die Trauben zu sauer sind, merkt er nicht oder
will's nicht merken!) Uebersättigt und hungrig zugleich
sieht er nach einem Neuen, einem völlig Anderen und
findet diesen Gegensatz ganz logischerweise im Dilettan-
tismus, in der Ungeschicklichkeit. Die unbeholfenen
Nachahmungsversuche eines Urzeitmenschen, eines
Wilden oder eines Kindes scheinen ihm mit einemmal
ein reineres Verhältnis zur Natur, einen unmittelbaren,
rührenden Ausdruck der Persönlichkeit zu enthalten,
als selbst die Werke der grössten Künstler aus fortge-
schrittenen Kulturepochen. Diese plötzliche Erkennt-
nis kann in einem lebhaften, leicht erregbaren Gemüt
eine so schwere Erschütterung hervorrufen, dass davon
das ganze Fühlen und Denken beeinflusst wird. Immer
deutlicher formt sich der Gedanke, das Heil der Kunst
sei in einer Art Rückkehr zum Verstände zu suchen,
alle Tradition, alles schulmässige Lernen, ja alles „Kön-
nen" überhaupt sei zu vermeiden; man müsse gleich-
sam wieder ganz von vorne anfangen. Je kindischer,
ungeschickter, desto besser.
Es ist nicht schwer, den Punkt zu finden, wo diese
Ideenfolge, die auf einem ganz richtigen Grundgedan-
ken beruht, in Unsinn übergeht. Dort nämlich, wo
aus der Rührung, dem Gefallen, das eine ursprüng-
liche Primitivität in uns erregt, geschlossen wird,
eine nachgeahmte, also gefälschte, müsste den
gleichen Effekt hervorbringen. Aber eine nachgeahmte
Naivität ist ebensowenig wert als eine nachgeahmte
Banknote. Man kann vielleicht einen oder den anderen
damit foppen, aber es kommt am Ende doch heraus.
Wir leben nun einmal in einem bestimmten, hochent-
wickelten Kulturmilieu, können uns davon ebensowenig
loslösen als von unserer Haut, und vermögen nicht,
eine einzelne geistige Funktion, wie es die künstlerische
Anschauung ist, auf ein Niveau herunterzuschrauben,
das einer längst vergangenen Urzeit oder einem primi-
tiven Naturzustände entspricht. Ein Maler, der heute

so malt wie ein Fidschi-Insulaner, dabei aber seine
Bilder in feine Pariser Goldrahmen steckt, auf Aus-
stellungen schickt und verkaufen will, handelt nicht
anders als jemand, dem unsere Kultur so zuwider ge-
worden ist, dass er beschliesst, in der freien Natur zu
leben, Gras und Wurzeln zu fressen und nackt auf allen
vieren herumzulaufen, in diesem Zustande aber von
Zeit zu Zeit auf einem Rout oder einem „Five ö clock"
erscheint.
(Schluss folgt.)
Bimsteingrund iür Pastellgemälde.
Eine Porträtmalerin sendet uns folgende Frage mit
dem Ersuchen um Beantwortung: „Lässt sich ein Pastell-
grund für lebensgrosse Porträts herstellen aus Bimstein-
grund oder dergl. in Art von Rabitzwänden? Die Tafel
müsste eine gewisse Elastizität haben, so dass sie
einen Transport aushält, dürfte auch nicht zu schwer
sein, da doch wahrscheinlich eine Glasscheibe über
die Malerei gelegt werden müsste, denn man kann
Pastell nicht derart fixieren, dass es schutzlos allen Un-
bilden preisgegeben werden dürfte."
Folgendes diene als Antwort:
Die Idee, einen Bimsteingrund für Pastellmalerei
zu bereiten, wie ihn Prof. W. Ostwald in seinem Büch-
lein über Pastellmalerei als Fresko vor einiger Zeit
empfohlen hat, ist für Wanddekoration gewiss vorteil-
haft, weil der Bimsteingrund hier eine gleichmässig
rauhe Fläche bilden soll, die den Pastellstaub gut auf-
nimmt und bis zu einem gewissen Grad festhält. Als
transportable Fläche müsste freilich erst eine Rabitz-
wand als Träger des Grundes hergestellt werden. Dazu
ist aber zunächst ein fester Eisenrahmen, in dem ein
ziemlich starkes Eisengeflecht eingespannt sein muss,
nötig. Auf diese Unterlage kommt ein etwa U/<, cm
starker, etwas rauh gehaltener Zementputz, und auf
diesen muss erst die Bimsteinschicht (feiner Sand, ge-
siebter Bimstein und gelöschter Kalk) aufgetragen wer-
den. Dass ein solcher Grund elastisch sein könnte, er-
achte ich für ausgeschlossen. Was hätte es auch für
Zweck, die rauhe Putzfläche transportabel zu machen?
Wäre es nicht ebensogut, einen Bimsteingrund herzu-
stellen, der den Vorteil der gleichmässigen Rauhigkeit
böte, ohne die komplizierte Rabitzwand als Unterlage
zu benötigen? Denn leicht wird eine solche mit dem
Eisenrahmen, dem Zementgrund usw. doch niemals
werden, und würde sicher springen, wenn das Gemälde
transportiert werden müsste!
Viel einfacher liesse sich ein Grund mit Bimstein-
pulver auf guter fester Leinwand herstellen, wenn man
dieselbe zuerst mit gutem Kölner Leim, oder sog. rus-
sischem Leim als erste Lage überstreicht, und darüber
eine Lage von gleichen Teilen weisser Kreide und Bim-
steinpulver, in der gewünschten Feinheit gesiebt, mit
dem obigen Leim heiss angerührt, gibt, eventuell diese
Lage ein zweites Mal wiederholt. Nach gutem Trocknen
überreibt man die Fläche mit feinem Bimstein oder
Glaspapier, wie man auch sonst beim Grundieren von
Kreideleinen verfährt, und der Grund ist zum Malen
bereit. Will man den Bimsteingrund besonders stark
und widerstandsfähig haben, dann kann man statt Leim
kräftige Kaseinlösung nehmen und wie oben verfahren.
Etwas Oelfirnis mit Kaseinlösung vereinigt (falls derlei
noch zu haben ist) wird den Grund geschmeidig genug
machen. Endlich würde es sich empfehlen, den Bim-
stein-Kreidegrund mit irgendeiner Farbe zu tönen (etwas
Ocker, oder Umbraun, oder Schwarz, je nach Bedarf),
um eine allgemeine farbige Unterlage zu haben. Das
würde den obigen Zwecken wohl am Besten entsprechen.

Vertag der Werkstatt der Knnst (E. A. Seemann. Leipzigs.
 
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