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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 2
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Gerhardt, Fritz [Gefeierte Pers.]: Zu Fritz Gerhardts 90. Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0007

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Machen, 14. Okt, 1918.


Saitägg zar „Werkatatt der Kanet" (E. A. SeeMaaa, Leipzig).
Ergshe!ntt4 tägig aater Leltaag vea Maler Prof. Eraet Berger.

IT. Jahrg. Nr. 2

Inhalt: Zu Fritz Gerhardts 90. Geburtstag. Vom Herausgeber. — Zu Prof. Louis Jacobys 90. Geburtstag. —
Vom Grundieren der Holztafetn und Leinwänden, (t. Portsetzung.) — A. F. Sehgmann: Die neue Schute.
(Schluss.) — Kontraste und Harmonie bei der Verarbeitung bunter Papiere.

Zu Fritz Gerhardts 90. Geburtstag.
Vom Herausgeber.

Am iß. Sept. dieses Jahres hat in Düsseldorf,
Fritz Gerhardt, der Nestor der „Mattechniker",
seinen QO. Geburtstag, wie wir mit grosser Freude
vernehmen, in voller geistiger Frische begehen
können. Dies bietet uns willkommenen Anlass, auf
das Wirken dieses Mannes, der sich mit maltech-
nischen Fragen schon seit mehr als 60 Jahren be-
schäftigt und durch seine Erfindungen auf dem
Gebiete der monumentalen Dekorationstechniken
hervorgetan hat, mit einigen Worten hinzuweisen.
Die jetzt allgemein bekannte und vielfach ge-
übte Kaseinmalerei hat Gerhardt sozusagen der
Vergangenheit wieder entrissen, er hat ihren Wert
für die moderne Dekorationsmalerei grossen Stiles
erkannt und war bestrebt, sie durch fortgesetzte
Verbesserungen so handlich zu machen, dass un-
sere ausschliesslich an die Oelfarbe gewöhnten
Künstler bei deren Ausübung keinerlei Schwierig-
keiten zu überwinden hatten.
Gerhardt ging von dem Gedanken aus, dass
„die gut erhaltenen, zum Teil Jahrtausende alten
Malereien und hellgebliebenen Grundierungen der-
selben mit Farbe gemalt oder untermalt worden
sind, deren Bindemittel meistens aus Kasein, oft
mitZusatz von Ei, Wachs, Harz und zuweilen
auch mit Zusatz von wenig Oel oder Balsam
bestanden, und dass bei Wandmalereien die grösste
Haltbarkeit sich zeigte, wenn sie auf einem ge-
wissen, ausserordentlich plastischen und haltbaren
Mörtelputz, der mit eigentümlich bereitetem Kalk
hergestellt war, ausgeführt waren, besonders, wenn
dieser Putz frisch und noch nicht getrocknet war."
Inwieweit diese Annahme zutreffend ist, soll
hier nicht näher untersucht werden. Jedenfalls
hat Gerhardt eine sehr alte Tradition wieder auf-

genommen und auch empirisch die festigende Wirk-
samkeit der organischen Bindemittelzusätze zur
Kalktünche, ganz richtig eingeschätzt.
Soviel uns die alten Quellen überliefern, wurde
tierische Milch schon im Altertum unter den Mörtel
gemischt, wie Plinius gelegentlich der Färbung
eines Tectoriums mittels Milch und Safran im
Minerva-Tempel zu Elis erzählt; im Lucca-Ms.
(IX. Jahrh.) wird der Käseleim erwähnt; man be-
reitete auch einen „Malta" genannten Kitt aus Kalk,
Käsestoff nebst Oel und Eiklar (Mappae clavicula,
XIII. Jahrh.), und im XII. Jahrh. diente eine aus
weichem Kuhkäse nebst Kalk bereitete Masse zum
Zusammenleimen von Altartafeln und -türen (Theo-
philus, Bd. I, Kap. 17). Auch Cennini benutzte
diese Leimart (Kap. 112) zum Leimen von Brettchen.
Zum An reiben von Farben erscheint der
Käseleim erstmals in einem Ms. des Paters Aude-
mar (XV. Jahrh., s. Le Begue Nr. i6ß, Merrifield,
S. I2Q), wobei die Farben vorher mit Wasser an-
gerührt werden sollten, also eine richtige Kasein-
farbe. Die Verwendung dieser Kaseinfarbe be-
zweckte die bessere Haltbarkeit von Malereien an
den Aussenseiten von Gebäuden, und zu diesem
Mittel griffen die Maler sowohl im Süden (Spanien,
Italien) wie auch im Norden (Tirol). In den hinter-
lassenen Aufzeichnungen des Martin Knoller
finden wir die Nachricht, dass er Farben mit Kalk
und Topfen anrieb und zu Retuschen verwendete,
oder schadhafte Freskomalereien mit Käsekitt re-
staurierte.*)
An diese ältere, scheinbar vergessene Tradi-
*) Näheres über obige historische Nachweise sind
zu finden in meinem Buch, „Fresko- und Sgrafüto-
Technik" (München 1909), S. !7 u. folg.
 
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