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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 14
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Die Farben des Isenheimer Altars [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0079

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Manchen, 14. April 1919.

BeHagt zur „Werkstatt der Haast" (E. A. Seeataaa, Leipzig).
Erscheint !4tägig anter Leitang von Maier Prof. Ernst Berger.

IT. Jahrg. Nr. 14

Inhalt: Die Farben des Isenheiner Altars. Vom Herausgeber. — 25 Jahre Münchner Mattechnik. Von E. B. (6. Fort*
Setzung.) — Geschichte der Grundierungsmethoden für Hotztafetn und Leinwänden. (12. Fortsetzung.)
— Goethes Farbenlehre im Urteit seiner Zeit. (Schluss) — Hugo Hittig: Die dekorativen Techniken.

Die Farben des Isenheimer Altars.
Vom Herausgeber.

Durch die aussergewöhnlichen Umstände der
modernen Kriegführung veranlasst, hatte bekannt-
lich die städtische Verwaltung von Colmar das
in ihrem Besitz befindliche Altarwerk des Mathias
Grünewald der Münchner Pinakothek zur Ver-
wahrung übergeben. Gleichzeitig sollten die nötig
gewordenen Konservierungsarbeiten, wie Neu-
kehlung der Holztafeln, Auffrischung stumpf ge-
wordener Partien u. dgl. kunstgerecht vorgenommen
werden. Für diese von der Leitung der Pina-
kothek kostenlos herzustellenden Arbeiten wurde
als Entgelt die Erlaubnis ausbedungen, das seltene
Altarwerk durch sechs Monate hindurch der
Oeffentlichkeit zugänglich machen zu dürfen.
Auf diese Weise sind wir in der glücklichen
Lage, eines der grössten Meisterwerke der
frühen deutschen Malerei studieren und bewundern
zu können, was sonst nur durch besondere Fahrt
nach Colmar im Eisass möglich war.
Der Eindruck des umfangreichen, in fast lebens-
grossen Figuren ausgeführten Werkes, mit seinen
8 Tafeln*), das Mathias Grünewald für das Prä-
monstratenser-Kloster in Isenheim im Auftrag seines
Abtes Guido um 1510 gemalt hat, ist in der Tat
überwältigend. Die Tiefe der Empfindung im
Ausdruck der Figuren der Kreuzigung, das „Un-
erhörte" dieses Schmerzensmannes am Kreuz, über-
bietet alles was wir an ähnlichen Darstellungen
zu sehen gewohnt sind. Diesem krassen Realis-
mus steht die Innigkeit in der Darstellung der
Marienfigur auf dem zweiten Hauptbild in wohl-
tuendem Gegensatz. Dann die Tafeln mit der
*) Davon sind zwei Doppeltafeln (Kreuzigung und
Maria in der Glorie), dazu eine Predelle, also im ganzen
iß Gemälde.

Darstellung des von Teufeln und Dämonen ge-
quälten hl. Antonius, das Bild des gleichen Heiligen
im Gespräch mit Paulus in Thebais, die Verkün-
digung mit dem herrlichen gotischen Interieur,
die Auferstehung, sowie die Seitenflügel mit den
Einzelfiguren des Antonius und Sebastian, bieten
eine Unmenge von wundervoll erfundenen Einzel-
heiten, die in ihrer Vollendung eine Beherrschung
des Zeichnerischen und Malerischen bekunden, die
nur von einem Meister ersten Ranges bewältigt
werden konnten.
Was wir vor allem dabei bewundern, das ist
die phänomenale Kraft der Farben und deren
ungewöhnliche gute Erhaltung (viele Partien sehen
so aus, als ob sie nur wenige Jahre alt wären),
dann die ausserordentliche Steigerung der Kolo-
ristik, die wie in der Kreuzigung nur auf einem
Akkord von Rot-Weiss und Schwarz gestimmt ist;
im Gegensatz zu dieser überaus ernsten Stimmung,
die Glorie der Madonna, deren Farbenreiz auf
den Uebergang von Geldgelb bis ins feurigste Rot
mit den Kontrasten in Blau und Grün der Land-
schaft basiert ist. Die unbestimmten Blau und
strahlenden Rotviolett der Gewänder einiger Fi-
guren heben sich von dem Braungrün der Land-
schaft, die als Dunkelheit die Figuren umschliesst,
wohltuend ruhig ab. Der Glorienschein des auf-
erstehenden Christus geht vom Celb des Körpers
in Hellrot und tiefes Zinnoberrot bis ins Violett
des Gewandes über, der herabhängende Zipfel
desselben aber ist in hellblauem Kontrast gehalten.
Und welch' herrliche Harmonie der Farben bietet
die Tafel mit der Verkündigung! Die Madonna,
fast schwarz gewandet, zwischen dem vorderen
hochroten und dem rückwärtigen grünen Vorhang,
 
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