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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 11
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Geschichte der Grundierungsmethoden für Holztafeln und Leinwanden [11]
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Georg Hirth: der Begriff des "spezifisch Künstlerischen" [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0065

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Nr. n

MQnchner kunsttechnische Blätter

65

niemals. Mr. Elias Fettz, ein Konstanzer Maler,
sagte mir, er habe es zu öfteren versucht, aber
gefunden, dass viel Farbe dabei verbraucht werde.
Gebrannter Ocker, der im Feuer rot wird, ist
auch zur Grundierung gut. Gebranntes Braunrot
wird im Feuer reiner, viel dunkler und trocknet gut.
NB. Wenn eine verbogene oder zerknitterte
Leinwand wieder aufzuspannen und gerade zu rich-
ten ist, so tauche man sie in laues Wasser, ziehe
sie hernach mit den Fingern heraus, spanne sie aus-
einander und lasse trocknen. Sie wird wieder (recht).
Noch besser ist es, wenn du (bei zu starker Lei-
mung) die Rückseite feucht machst, d. h. die ganze
Leinwand, und von einer Seite zur anderen mit
Bimstein abschleifest, und hernach eine Lage von
Grundfarbe, bestehend aus Bleiweiss und Kohle gibst.
Eine sehr biegsame Leinwand werdet ihr er-
halten, wenn ihr in dem zum Anfeuchten dienen-
den Wasser Zucker auflöset, dann die Grundierung
auftragt und sie trocknen lasset, aber ich billige
weder den Zucker noch den Honig. Versuchet es.
Ms. Nr. ß: Ein Bild oder eine Leinwand
wieder in Stand zu setzen, wenn die Grun-
dierung wegen zu starken Leimens ge-
sprungen ist.
Wenn es klein ist, ziehe es über die Kante
eines Tisches von Eichen- oder anderem harten
Holz, solange, bis der Leim gleichmässig zerbor-
sten ist. Es zeigen sich dann nirgends Risse, was
in einem Augenblick geschehen ist. Das gleiche
kann auch nach und nach an einer grossen Lein-
wand unter Beihilfe mehrerer Leute gemacht wer-
den. Diese Erfindung ist unversehens in meiner
Gegenwart am 24. Dezember 1641 (?) gemacht und
an einer Landschaft von Abraham La Tombö,
sowie an einem ganz gesprungenen Porträt des
Grafen de la Suze ausgeführt worden. Aber man
darf diese Leinwänden nicht rollen, sondern muss
sie allsogleich auf die Rahmen aufspannen.
(Bemerkung des Mayerne: Ich würde auf die
Rückseite der gut ausgespannten Leinwand ohne
jede Zugabe bis zur Hälfte eingekochtes Oel strei-
chen und trocknen lassen.)
Andere Manier: Lege die gesprungene Lein-
wand auf einen Tisch, befeuchte sie von rückwärts
und trachte, mittels Bimsteins den Leim zu ent-
fernen. Wische mit einem Leinen rein; dann dreht
man die Leinwand um und legt auf die gesprun-
gene Stelle doppeltes Papier und poliert oder glättet
ziemlich fest mit einem Messerheft oder Polierer
von Elfenbein oder Glas.
(Bemerkung des Mayerne: Die Leinwand werde
mittels eines Schwammes dem Bedürfnis entspre-
chend angefeuchtet, dann ausgebreitet und an dem
Rahmen befestigt, trocknen gelassen und wie oben
eingeölt.)
Ms. Nr: 8. Wie man Leinwänden grun-
diert, um zu verhindern, dass sie springen
und brüchig werden.

Georg Hirth: Der Begriff des„spezißsch
Künstlerischen
(Schluss.)
Eine aus wenigen Meisterstrichen bestehende
Skizze, ja eine frappante Karikatur kann das
Entzücken des Kenners hervorrufen, während ihn
daneben eine mühsame Düftelei, vielleicht des-
selben Künstlers kalt lässt. Nicht die Quanti-
tät der Pinselstriche, sondern die Quali-
tät des künstlerischen Verstandes und
Witzes, die Lebendigkeit und packende
Wahrheit des Vortragesist hier allein mass-
gebend. Es gibt Künstler, die überhaupt nur in
ihren Skizzen, Zeichnungen und Entwürfen gross und
stark sind, während sie schwach und langweilig werden,
sobald sie uns mit penibel ausgeführter Marktware
entgegentreten. In jenen geben sie sich selbst, ihr
eigenstes unverdorbenes künstlerisches Ingenium — in
letzterem erblicken wir oft nur die konventionelle
Form, die Verdünnung der .Schule", die Opfer an
dem Geschmack der Käufer — den Herkules im
Frack. „Der frischen Farbe der Entschliessung wird
des Gedankens Blässe angekränkelt, und Unter-
nehmungen voll Kern und Nachdruck, durch diese
Rücksicht aus der Bahn gelenkte, verlieren so der
Handlung Namen." Kenner der Kunstgeschichte werden
mir aber Recht geben, wenn ich sage: Die Zahl der
Künstler, welche in allen Stadien ihrer Arbeit, in
jeder Technik gleich interessant und bedeutend
bleiben, ist eine sehr geringe. Man muss tüchtige
Künstler selbst über diese Dmge urteilen hören, und
muss es achten, wenn sie einer den andern lieber
nach dem ersten kühnen Entwurf als nach der ge-
quälten Ausstellungsmaschine messen. Die Art der
Ausführung, die Wahl d r Technik ist doch grossen-
teils nur eine Konzession an den herrschenden Ge-
schmack, an die Dekoration und Verwendbarkeit, an
die Haltbarkeit u. dergl. Diese Rücksichten wechseln
von Zeit zu Zeit, von Nation zu Nation; wollten wir
z. B. das jetzt bei uns beliebte trocken-postos gemalte
Oelbild als einzig wahre „Vollendung" des graphischen
Kunstwerkes gelten lassen, wie könnten wir dann z. B.
zu einer gerechten Wertschätzung der japanischen
Kunst kommen, welcher jene Technik gänzlich fremd
ist? Die bildende Kunst braucht nicht in dieser oder
jener Technik, nicht in dieser oder jener Umständ-
lichkeit und Mühsal, ist nicht an dies oder jenes
Material gebunden, sondern sie ist überall da,
wo uns eine ungewöhnliche Vertraut-
heit mit der Natur, mit dem Leben und
der Wahrheit in sicherer, zielbewusster
Gestaltungskraft — wenn auch verein-
fachendund verklärend — entgegentritt.
Diese Fassung des Kunstbegriffes lässt zunächst
alle Rangstreitigkeiten und Etikettefragen der Philo-
sophie „des bewusst oder unbewusst Schönen" bei
Seite. Und das erscheint mir namentlich mit Rück-
sicht auf die Frage, die uns hier beschäftigt, ausser-
ordentlich wichtig. Denn dies ist vorwiegend eine
Frage der Jugenderziehung; die Jugend aber soll
ideale Freude am Schaffen und Können
an sich gewinnen, wo irgend möglich ohne alle
Hinter- und Nebengedanken! Wenn wir schon den
ersten Kunstunterricht mit der „Aesthetik" verquicken,
so verwirren wir die jugendlichen Gemüter, ohne ihr
ositives Können zu fördern. Es entsteht ein
issverh&ltnis zwischen Wollen und Können, woraus
 
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