Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

DOI Heft:
Nr. 11
DOI Artikel:
Die Lehre vom "goldenen Schnitt" und seine Anwendung [3]
DOI Artikel:
Berger, Ernst: 25 Jahre Münchener Maltechnik [4]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0063

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. n

Münchner kunsttechnische Blätter

63

gestellt, dass auch zwischen diesen Massen das
Verhältnis des goldenen Schnitts zur Geltung
kommt. Nehmen wir z. B. die Hüftenbreite von
vorne als Major in den goldenen Zirkel, so bildet
der Minor das Mass des Querschnitts an der
nämlichen Steile; ebenso über der Brust gemessen
der Querschnitt derselben, Schulterhöhe und
Querschnitt über der Halsgrube usw.
(Fortsetzung folgt.)
25 Jahre Münchener Maltcchnik.
Von E. B.
(3. Fortsetzung.)
II.
Noch Anfang der achtziger Jahre stand das
maltechnische Wissen auf der geschilderten Höhe;
die Maler machten sich wenig Sorge und über-
liessen die Auswahl des Farbenmateriales dem
Fabrikanten oder dem Händler, bei dem sie ihre
Einkäufe besorgten. In München war das Geschäft
von Adrian Brugger das erste der „Branche";
es führte Oel- und Aquarellfarben der besten
Fabriken von Düsseldorf, Berlin, auch englische
(Winsor & Newton) und französische (Lefranc)
Farben waren zu haben. Von Leinwänden galten
die „belgische" als die beste Marke. Grundierte
Leinwand fabrizierte auch Schutzmann & Co.,
München, in verschiedenen Qualitäten. Merkwür-
digerweiser besass München damals keine grosse
Künstlerfarbenfabrik. Die Firma Schachinger
war wohl sehr rührig und sie lieferte jede ge-
wünschte Oelfarbe fertig zum Gebrauch, auch nur
in Wasser fein geriebene Farben für Tempera-
zwecke kaufte man dase bst, aber die Haupt-
kundschaft der Firma bestand aus Dekorations-
malern und Anstreichern, sie wurde nur wegen
des billigen Preises und der Nähe der alten Aka-
demie an der Neuhauserstrasse von den Akade-
mikern bevorzugt. Die zweite Farbenfabrik hatte
Rieh. Wurm, ein sehr tüchtiger und umsichtiger
Kaufmann, begründet; einige Künstler empfahlen
seine Fabrikate, insbesondere eine, nach eigener
Zusammensetzung hergestellte „Tempera", die
„Wurmsche Tempera", die ein Mittelding zwischen
Oel- und Wasserfarbe, schnelles Trocknen und
geringe Tonveränderung beim Auftrocknen be-
zweckte. Woraus diese Tempera bestand, hat
Herr Wurm niemand verraten, wohl aus Geschäfts-
rücksichten, ebensowenig wie alle anderen Fabri-
kanten von Spezialitäten, Malmitteln, Sikkativen
oder Retuschiermitteln, die sie in den Handel
brachten, ihre Rezepte veröffentlichten. Viel ge-
braucht wurde damals Siccativ de Courtray,
Harlem-Siccativ, Copal en päte, Robertsons
Medium, Retuschierßrnis von Scehnöe freres, dann
zum Verdünnen Mohnöl, gelbliches Leinöl und
Terpentinöl. Jeder Maler machte sich seine eigene

„Sauce" zurecht, hielt aber dieses von ihm ge-
fundene „Trankl" möglichst geheim, damit der
Kollege es ihm ja nicht „abspitzen" könnte. Die
Gefahr lag nur zu nahe, und wurde als solche
erkannt, denn die regellose Willkür in der tech-
nischen Ausübung des Malverfahrens musste natur-
gemäss auf die Erhaltung der Malereien schlechten
Einfluss haben, eine gewisse Unsicherheit bemäch-
tigte sich vieler denkender Künstler, die sich der
Verantwortung für die Dauer ihrer Schöpfungen
bewusst waren; alles drängte nach Klarheit und
gründlicherer Belehrung, als aus Anlass des Neu-
baus der Münchner Akademie die Frage aktuell
wurde, ein chemisch-technisches Laboratorium
nach dem Wiener Vorbild in Verbindung mit der
Akademie zu errichten. Leider war die damalige
Unterrichtsbehörde zu schwach, um gegen die
Wohlmeinung etlicher älterer Professoren, die den
Standpunkt vertraten: „wir haben in unserer Jugend
nichts von Chemie gewusst und doch gute Bilder
gemalt", die Sache durchzusetzen und damit unter-
blieb die Schaffung einer Stelle, in der die Farben
auf ihre Güte untersucht und jegliche Auskunft
über technische Dinge von fachmännischer Seite
erteilt werden sollte.
So war der Boden wohl vorbereitet, der zur
Gründung einer Gesellschaft führte, die durch
private Mittel die notwendig gewordene Mitarbeit
des Chemikers bei der Farbenfabrikation und bei
der Verarbeitung durch den Künstler gewähr-
leistete. Es ist das grosse Verdienst eines ein-
fachen Mannes, des Augsburgers Ad. Wilh. Keim,
dass er den richtigen Zeitpunkt erkannte, und
durch ungeheure Tatkraft, allen Hindernissen zu
Trotz, die Gleichgesinnten zur Begründung einer
„Deutschen Gesellschaft zur Beförderung rationeller
Malverfahren" veranlasste
Der ursprünglich als Hafnergeselle tätige junge
Mann hatte sich durch eigenes Streben die Kennt-
nisse in chemischen Dingen angeeignet, er befasste
sich mit allerlei technischen Problemen, wie der
Trockenlegung feuchter Mauern und errichtete ein
technisches Laboratorium in Augsburg. Diese
Arbeiten führten ihn auch zur Frage der Haltbar-
machung von farbigen Anstrichen und Malereien
auf Wänden und endlich zur Umarbeit des Systems
der Stereochromie nach der Art des Schlotthauer-
Fuchsschen Verfahrens. Es ist ja möglich, dass
Keim durch einen in Schlotthauers Diensten ge-
standenen Gehilfen einige Winke erhalten hat, und
daraufhin selbständig weiterging. Sicher ist (nach
Aussagen von ehrenwerten Zeugen), dass er kaum
ein Jahr nach Schlotthauers Tod die nämlichen
Chemikalien und Materialien aus der gleichen
Quelle sich verschaffte, die Schlotthauer in der
letzten Zeit bezogen hatte. Keim trat mit seinem
Verfahren, das er „Mineralmalerei" nannte, in die
Oeffentlichkeit. Er legte es der Kgl. Akademie
der bildenden Künste zur Prüfung vor (1881) und
 
Annotationen