Münchner kunsttechnische B!ätter
iS
Nr. g
nach wesentlich von der früheren Methode, weil
bei Vasari nicht mehr auf die Vergoldungsarbeit,
die bei Glanzvergoldung jede Fettigkeit verbietet,
Rücksicht zu nehmen nötig ist, und überdies durch
die in Aufnahme gelangte Oeltechnik der Zeit ein
ganz anderes Vorgehen gestattete, wobei die durch
die Oel-Imprimatura gedichtete Unterlage für die
weiteren Arbeiten nützhch sein konnte. Der Gips-
grund ist vorerst noch für Tafelbilder beibehalten,
die dunkle, resp. rötliche Imprimatura aber ver-
mutlich von der Manier der „Ponentini" und „01-
tramontani" in die italienische Grundierung über-
nommen (s. ebendaS. 18), „um den daraufzu malen-
den Farben oder dem Kolorit damit zu helfen
(in ajuto del colore)." Nach Vasaris Vorbild gehen
diese Anweisungen auch in andere Kunstschriften,
des Borghini u. a. über.
Hier kann noch eine Anweisung des Lionardo
da Vinci, welche Heinr. Ludwig (Technik der Oel-
malerei II, p. 197) nach dem Cod. A. fol. I der
Ravaisson-Mollienschen Ausgaben der Pariser Ma-
nuskripte veröffentlicht, eingeschaltet werden. Der
Gipsgrund ist hier vermieden und durch einen Oel-
grund ersetzt, ein Versuch, wie solche Lionardo
mehrere vorgenommen haben mag. Es heisst a. a. O.:
„Das Holz sei von Zypressen, Bim-, Lorbeer-
oder Nussbäumen genommen, und die Tafel in der
Verrahmung bewegbar, damit sie sich bei Witte-
rungswechsel ungehindert ausdehnen und wieder
zusammenziehen könne. Die Ritzen und weichen
Teile der Holzfasern sollen mit Mastix in Ter-
pentinöl gelöst, gefüllt und solid gemacht werden.
Die Tafel wurde an der Rückseite zwei- oder drei-
mal mit Branntwein gewaschen, in dem Arsenik
oder Sublimat gelöst ist (um die Holzwürmer ab-
zuhalten). Dann wurde sie durchaus mit heissem
gekochtem Oel getränkt, das vor dem Trocken-
werden mit einem Lappen abgerieben wird, bis
es trocken zu sein scheint. Darauf wird der Mal-
grund aus Bleiweiss, mit Oelhrnis (vernice liquida)
verrieben, mit der Holzspachtel aufgetragen, und
wenn er gut trocken ist (um ihn von der glatten
Fetthaut zu befreien) mehrmals mit Urin gewaschen.
Darauf folgt die Aufzeichnung der durchgepausten
Konturen mit spitzem Pinsel und Farbe, und dann
die erste Anlage (l'inprimiera) mit Grünspan und
etwas Gelb darüber." [Lionardos Vorliebe für
Grünspan, der für alle Farbenmischungen so ge-
fährlich ist, erscheint auch hier! s. Beitr. IV. S. 12.]
DieMethode der Leinwandgrundierung ist
offenbar durch die neuen Forderungen in kolori-
stischer Hinsicht beeinflusst, überdies wollte man
die Vorteile der Leinwandbilder, in gerolltem Zu-
stand transportfähig zu sein, möglichst ausnützen.
Wir sehen deshalb den Gips verbannt, „da er beim
Aufrollen springt." Vasaris schildert die Präpa-
ration der Leinwand im Kap. 2ß der Introduzione
wie folgt: „vom Oelmalen auf Leinwand"
(del dipingere a olio su le tele). (Forts, folgt.)
Noch einmal „Neue Kunst".
Von M. St.
Die geistvollen Ausführungen des Herrn Kol-
legen A. F. Seligmann, die im Anschluss an meinen
„Irrungen und Wirrungen in der neuen Kunst" über-
schriebenen Artikel in dieser Zeitschrift gefolgt
sind, veranlassen mich, auch meinerseits der Frage
der psychologischen Entstehung dieser so empha-
tisch „neue Kunst" genannten Malmanier (denn
es ist nur eine Manier!) etwas näher zu treten.
In einzelnen Fällen mag das Bild, das Seligmann
entwirft, ja zutreffen, und ich bekenne gerne die
nahen Beziehungen der Psychologie krankhaft er-
regter Naturen mit psychopathischen Erscheinungs-
formen auch bei Künstlern; aber daraus auf eine
Psychose und aliseitiges Irresein zu schliessen,
scheint mir eher zu weit zu gehen. Meine Be-
obachtung in dieser Hinsicht spricht vielmehr da-
für, dass die Vorliebe einzelner jungen Maler für
die neuesten Kunstmoden nichts weiter ist, als
eben ein „Mitgehen" mit der Mode, genau so wie
der Modefex eben eine jede Neuerung mitmachen
zu müssen glaubt. In der heutigen Zeit — ich
meine zunächst die Jahre vor dem Beginn des
Weltkrieges, doch bleibt es fraglich, ob derselbe
darin doch einige Aenderung gebracht haben mag
— fühlt fast ein jeder etwas künstlerische Schöpfer-
kraft in sich, und gerade in der Jugendzeit wäh-
rend der körperlichen und seelischen Entwicklungs-
periode dichtet, singt und malt fast ein jeder
halbwegs Gebildete, und wem da z. B. ein Reim
gelang, der nannte sich Poet oder vermeinte wenig-
stens einer zu sein. In Freundeskreisen wird das
„Talent" zum späteren Heldentenor herumge-
sprochen, in häuslichem Zirkel oder bei Wohl-
tätigkeitsveranstaltungen findet es auch verdienten
Anklang. Ebenso wird schon in der Schule die
karikaturistische Ader und die belustigende Zeichen-
kunst des Kollegen bewundert. In vielen Fällen
ist solche ephemere Künstlerschaft, ehe sie gemein-
gefährlich werden kann, längst verblichen, so bald
die zwingende Notwendigkeit, sich für einen ernst-
lichen und einträglichen Beruf zu entscheiden, an
den Einzelnen herangetreten ist.
Aber mancher kann der Lockung, die ihm
der sog. „freie Beruf" bietet, nicht widerstehen;
es sind die öffentlichen Erfolge von Sängern und
Schauspielern, die glänzend bezahlten Engagements
in grossen Städten, das ungenierte, von keinerlei
Rücksicht eingeengte Leben der „Boheme" wie
man es nennt, nicht zum mindesten auch eine ge-
wisse Dosis persönlicher Eitelkeit, die viele junge
Leute beiderlei Geschlechts zur Bühne, in die
Theaterschulen und Musik-Akademien treiben. Wie
wenige erreichen ihr Ziel, und welche Unmenge von
Energie, Selbstschulung, Arbeit und wirkliche Be-
gabung ist nötig, um nur halbwegs seinen Mann
zu stellen!
iS
Nr. g
nach wesentlich von der früheren Methode, weil
bei Vasari nicht mehr auf die Vergoldungsarbeit,
die bei Glanzvergoldung jede Fettigkeit verbietet,
Rücksicht zu nehmen nötig ist, und überdies durch
die in Aufnahme gelangte Oeltechnik der Zeit ein
ganz anderes Vorgehen gestattete, wobei die durch
die Oel-Imprimatura gedichtete Unterlage für die
weiteren Arbeiten nützhch sein konnte. Der Gips-
grund ist vorerst noch für Tafelbilder beibehalten,
die dunkle, resp. rötliche Imprimatura aber ver-
mutlich von der Manier der „Ponentini" und „01-
tramontani" in die italienische Grundierung über-
nommen (s. ebendaS. 18), „um den daraufzu malen-
den Farben oder dem Kolorit damit zu helfen
(in ajuto del colore)." Nach Vasaris Vorbild gehen
diese Anweisungen auch in andere Kunstschriften,
des Borghini u. a. über.
Hier kann noch eine Anweisung des Lionardo
da Vinci, welche Heinr. Ludwig (Technik der Oel-
malerei II, p. 197) nach dem Cod. A. fol. I der
Ravaisson-Mollienschen Ausgaben der Pariser Ma-
nuskripte veröffentlicht, eingeschaltet werden. Der
Gipsgrund ist hier vermieden und durch einen Oel-
grund ersetzt, ein Versuch, wie solche Lionardo
mehrere vorgenommen haben mag. Es heisst a. a. O.:
„Das Holz sei von Zypressen, Bim-, Lorbeer-
oder Nussbäumen genommen, und die Tafel in der
Verrahmung bewegbar, damit sie sich bei Witte-
rungswechsel ungehindert ausdehnen und wieder
zusammenziehen könne. Die Ritzen und weichen
Teile der Holzfasern sollen mit Mastix in Ter-
pentinöl gelöst, gefüllt und solid gemacht werden.
Die Tafel wurde an der Rückseite zwei- oder drei-
mal mit Branntwein gewaschen, in dem Arsenik
oder Sublimat gelöst ist (um die Holzwürmer ab-
zuhalten). Dann wurde sie durchaus mit heissem
gekochtem Oel getränkt, das vor dem Trocken-
werden mit einem Lappen abgerieben wird, bis
es trocken zu sein scheint. Darauf wird der Mal-
grund aus Bleiweiss, mit Oelhrnis (vernice liquida)
verrieben, mit der Holzspachtel aufgetragen, und
wenn er gut trocken ist (um ihn von der glatten
Fetthaut zu befreien) mehrmals mit Urin gewaschen.
Darauf folgt die Aufzeichnung der durchgepausten
Konturen mit spitzem Pinsel und Farbe, und dann
die erste Anlage (l'inprimiera) mit Grünspan und
etwas Gelb darüber." [Lionardos Vorliebe für
Grünspan, der für alle Farbenmischungen so ge-
fährlich ist, erscheint auch hier! s. Beitr. IV. S. 12.]
DieMethode der Leinwandgrundierung ist
offenbar durch die neuen Forderungen in kolori-
stischer Hinsicht beeinflusst, überdies wollte man
die Vorteile der Leinwandbilder, in gerolltem Zu-
stand transportfähig zu sein, möglichst ausnützen.
Wir sehen deshalb den Gips verbannt, „da er beim
Aufrollen springt." Vasaris schildert die Präpa-
ration der Leinwand im Kap. 2ß der Introduzione
wie folgt: „vom Oelmalen auf Leinwand"
(del dipingere a olio su le tele). (Forts, folgt.)
Noch einmal „Neue Kunst".
Von M. St.
Die geistvollen Ausführungen des Herrn Kol-
legen A. F. Seligmann, die im Anschluss an meinen
„Irrungen und Wirrungen in der neuen Kunst" über-
schriebenen Artikel in dieser Zeitschrift gefolgt
sind, veranlassen mich, auch meinerseits der Frage
der psychologischen Entstehung dieser so empha-
tisch „neue Kunst" genannten Malmanier (denn
es ist nur eine Manier!) etwas näher zu treten.
In einzelnen Fällen mag das Bild, das Seligmann
entwirft, ja zutreffen, und ich bekenne gerne die
nahen Beziehungen der Psychologie krankhaft er-
regter Naturen mit psychopathischen Erscheinungs-
formen auch bei Künstlern; aber daraus auf eine
Psychose und aliseitiges Irresein zu schliessen,
scheint mir eher zu weit zu gehen. Meine Be-
obachtung in dieser Hinsicht spricht vielmehr da-
für, dass die Vorliebe einzelner jungen Maler für
die neuesten Kunstmoden nichts weiter ist, als
eben ein „Mitgehen" mit der Mode, genau so wie
der Modefex eben eine jede Neuerung mitmachen
zu müssen glaubt. In der heutigen Zeit — ich
meine zunächst die Jahre vor dem Beginn des
Weltkrieges, doch bleibt es fraglich, ob derselbe
darin doch einige Aenderung gebracht haben mag
— fühlt fast ein jeder etwas künstlerische Schöpfer-
kraft in sich, und gerade in der Jugendzeit wäh-
rend der körperlichen und seelischen Entwicklungs-
periode dichtet, singt und malt fast ein jeder
halbwegs Gebildete, und wem da z. B. ein Reim
gelang, der nannte sich Poet oder vermeinte wenig-
stens einer zu sein. In Freundeskreisen wird das
„Talent" zum späteren Heldentenor herumge-
sprochen, in häuslichem Zirkel oder bei Wohl-
tätigkeitsveranstaltungen findet es auch verdienten
Anklang. Ebenso wird schon in der Schule die
karikaturistische Ader und die belustigende Zeichen-
kunst des Kollegen bewundert. In vielen Fällen
ist solche ephemere Künstlerschaft, ehe sie gemein-
gefährlich werden kann, längst verblichen, so bald
die zwingende Notwendigkeit, sich für einen ernst-
lichen und einträglichen Beruf zu entscheiden, an
den Einzelnen herangetreten ist.
Aber mancher kann der Lockung, die ihm
der sog. „freie Beruf" bietet, nicht widerstehen;
es sind die öffentlichen Erfolge von Sängern und
Schauspielern, die glänzend bezahlten Engagements
in grossen Städten, das ungenierte, von keinerlei
Rücksicht eingeengte Leben der „Boheme" wie
man es nennt, nicht zum mindesten auch eine ge-
wisse Dosis persönlicher Eitelkeit, die viele junge
Leute beiderlei Geschlechts zur Bühne, in die
Theaterschulen und Musik-Akademien treiben. Wie
wenige erreichen ihr Ziel, und welche Unmenge von
Energie, Selbstschulung, Arbeit und wirkliche Be-
gabung ist nötig, um nur halbwegs seinen Mann
zu stellen!