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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 11
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Georg Hirth: der Begriff des "spezifisch Künstlerischen" [3]
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Horadams' neues Aquarellweiss
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0066

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66

Münchner kunsttechnische Blätter

Nr. n

entweder Ueberhebung oder Entmutigung hervorgeht.
Ein vorwiegend iehrhafter Kuitus der ästhetischen
Gefühie hat für den werdenden Künstier immer etwas
Gefähriiches; er mag sich geiegentiich an Kunstwerken
aber Zeiten erfreuen, mag auch zur Befestigung eines
guten Geschmackes Einzelnes davon seinem Skizzen-
buche einverieiben — sein eigentliches f 1 e i s s i g e s
Studium aber soll er der Natur, der Quelle
aller und jeder Schönheit widmen. Ausgereifte Kunst-
anschauungen können nur reifere Jahre bringen; aber
auch nur dann, wenn sie in dem Boden einer sicheren
Naturanschauung wurzeln.
Meine Leser werden mich nun verstehen, wenn
ich den zerfahrenen, oft einander widersprechenden
Urteilen welche von angeblich „ästhetischen" Stand-
punkten über Kunst und Künstler gefällt werden, auch
ein spezifisches Kunstverständnis gegen-
überstelle. Denn es muss doch ein Etwas geben,
das durch alte Zeiten, bei allen Vökern und auf
allen Kulturstufen als unerlässlich und unbed'ngt
massgebend gelten kann, um dem Werke von Menschen-
hand das Prädikat „künstlerisch" zu sichern; ein
universales allmenschheitliches Kennzeichen, neben
welchen alle anderen Erwägungen erblassen und in
den Hintergrund treten; — etwas Starkes, Männliches,
Sieghaftes, das sich sofort wie ein e tktrischer Strom
aus dem Werke über uns ergiesst, bei dessen er-
wärmender Berührung wir unwillkürlich ausrufen: Wie
er die Gottesnaturangesehen, wie er
die Wahrheit geliebt, wie er die realen
Dinge beherrscht hat!
Dabei ist ja unwesentlich, ob wir eine direkte
Ab- und Nachbildung der Natur vor uns haben, oder
ob der Künstler aus dem durch lange Beobachtung
und Uebung erworbenen Schatze seines Ge-
dächtnisses geschöpft hat. Omnis ars imitatio
naturae est — jede (wahre) Kunst ist Nachbildung der
Natur, sagt schon Lenau. Das gilt nicht bloss vom
modernsten Pleinairismus, sondern von jedem stili-
sierten Ornament, von jedem künstlerisch geformten
Gebrauchsgegenstand. Es kommt nur darauf an, dass
wir das Natürliche sicher herausfinden, und vom Un-
wahren, Schablonenhaften, Gequälten unterscheiden
lernen. Auch der bloss geniessende „Kunstkenner"
kommt mit der beliebten ästhetischen Phraseologie
nicht weit, auch er bleibt ohne ernste Naturbeobach-
tung zeitlebens ein Stümper.
Eines ist freilich unleugbar: mit solchem Mass-
stabe gemessen, verlieren gar viele alte und neue
„Kunstwerke" den Nimbus, der eine dilettantisch-
ästhetische Kritik ihnen verliehen; zahllose Kunstleichen
als Fresken an der Wand und in Oel auf der Lein-
wand, in Marmor und in Gips werden zur ewigen
Ruhe gebettet. Besten Falles können vir ihnen einen
Nebensaal in der Poesie einräumen, wo sie dann mit
den gigantischen Gebilden eines Dante um die Palme
der Unsterblichkeit ringen mögen. Aber — „das Un-
zulängliche, hier wirds Ereignis", die grosse Idee kann
weder die Poesie, noch der bildenden Kunst zum
Ruhme gereichen, wenn sie nicht den spezifischen
Anordnungen der einen oder der anderen dieser
beiden, sagen wir immerhin „Schwesterkünste" voll
und ganz gerecht wird. Mit der Grösse der Idee
muss auch die spezifisch künstlerische Formvollendung
gleichen Schritt halten, der bildende Künstler aber
kann seine Meisterschaft nur aus dem intimsten Um-
gang mit der lebendigen Natur schöpfen.
Wahrlich, wir wollen uns die Feinheiten alter und
neuer Kunstkultur und aller höheren Bildung, wollen
uns die subtilen und sublinaren Empfindungen unseres
mimosenhaften reizbaren Schönheitssinnes nicht ver-
schliessen; aber je weiter wir tagtäglich in der Rich-

tung dieser ästhetischen Nervosität getrieben werden,
desto mehr müssen wir auch auf die Gesunderhaltung
des Rückenmarks bedacht sein. Wir müssen ernstlich
daran denken, der pathologischen Ueberreizung
eine gesunde Kunsthygiene entgegenzusetzen; kalte
Waschungen. Naturbäder! Vertauschen wir einmal
frohgemut den entnervenden Weihrauch und die
sinnberückenden Nuditäten des Jesuitenstils ebenso
wie die Odeurs und die mythologische cronique scan-
daleuse der alten koketten Tante „Aesthetik", dieser
wunderlich aufgeputzten Himmelbettstatt, — ver-
tauschen wir sie mit dem kräftigen Reich aus deut-
schen Harzwaldmitten, auf das unsere Lungen weiter,
unser Herz kräftiger, unser Geist klarer, unser
Hoffen frommer werde! Hinaus mit allem, was brest-
haft ist! —-

Horadams' neues AquareUweiss*).
Die Verwendung w eisser Farbstoffe in der Aquarell-
malerei hat sich immer mehr eingeführt. Bekantlich
werden bei der ursprünglichen Art des Aquarells ein-
zelne Stellen des Papiers ausgespart und wirken infolge
des Gegensatzes, der zwischen dem weissen Unter-
grund und der dunkleren Farbe entsteht; helle Töne
w erden hierbei durch dünnes lasierendes Aufträgen von
Farbe hervorgerufen. Eiu anderes Verfahren besteht
nun darin, dass man die Lichter durch Aufträgen weisser
Farbe erzeugt, während helle Partien im Bilde dadurch
entstehen, dass man die Farbe mit Weiss mischt, d. h.
ihre Kraft bricht und die Tonstärke herabstimmt. Die
Verwendung von weissem Pigment bringt somit eine
Erweiterung der Farbenskala mit sich, da mit jeder
Ausmischung ein neuer Farbton entsteht.
Welches Weiss im einzelnen verwandt werden soll,
richtet sich nach der gewollten Wirkung und nach den
Eigenschaften des betreffenden Weisspigmentes Perma-
nent Chinesischweiss und auch Deckweiss haben Eigen-
tümlichkeiten, die eine Verwendung nicht in jedem
Falle zulassen. Das Emulsionsweiss ist auf der Basis
von Zinkoxyd hergestellt und hat somit dessen chemische
Eigenschaften. In maltechnischer Beziehung weist es
für viele Zwecke unleugbare Vorteile gegenüber den
anderen Weissarten auf. Getrocknete Flächen von
Mischungen mit Emulsionsweiss hinterlassen beim neuen
Anfeuchten keine Wasserdecken Die damit gemischten
Töne behalten ihre in nassem Zustand vorhandene
Leuchtkraft während des Auftrocknens und ganz be-
sonders auch nach beendigtem Auftrocknen. Das
Emulsionsweiss trübt die Farbe nicht, sondern hellt sie
lediglich auf. Es gibt weiche Konturen und Ueber-
gänge, ist äusserst ergiebig. Es bleibt lange feucht,
nachdem es aufgetragen ist undlästsich — aufgetrocknet
— wieder gut verwischen.
Das Emulsionsweiss gehört zum Sortiment der
Horadam-Farben. Seine nunmehr erfolgte Einführung
zeigt, dass die Hersteller dieser bewährten Marke,
H Schmincke&Co. in Düsseldorf, au^h nach dem Krieg
bemüht sind, Verbesserungen und pt a ^tische Neuerungen
in die Maltechnik einzuführen. Dr. H.

*) Wir verweisen gleichzeitig auf den dieser Nummer
beigelegten Prospekt der Firma H. Schmincke & Co.,
Düsseldorf.

Verlag der Werkstatt der Kunst E. A. Seemann, Leipzig
 
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