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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 19
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Berger, Ernst: 25 Jahre Münchener Maltechnik [12]
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Hillig, Hugo: Dekorative Techniken [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0111

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Nr. *9

Münchner knnsttechnische BlAtter.

strahlen hinzukommen, die in den Dienst der
maltechnischen Wissenschaft gestellt werden
könnten. Wie die Erkenntnis der alten Mal-
techniken durch diese Methoden erweitert werden,
so ist es nicht minder wichtig, auch auf dem
historischen Wege weiterzuschreiten und durch
Sammeln alter Erfahrungen die Entwicklungs-
geschichte der Maltechnik auszubauen. Einen
grossen Vorteil hat diese Arbeit unleugbar schon
gezeitigt, nämlich das Verschwinden aller jener
„Erfindungen", die unter dem Deckmantel der
Geheimmittel Vorgaben, die alte Meistertechnik
wieder entdeckt zu haben. Denn durch jene
historische Forscherarbeit sind alle nur erreich-
baren alten Angaben zutage gekommen, so dass
niemand mehr zu sagen befähigt war, nur er
allein habe das lange Gesuchte wirklich gefunden.
Bei diesem Anlasse wäre noch der Wunsch an-
zufugen, dass die Methoden der Erhaltung sowie
der Restauration alter Kunstwerke, sowohl
der Malerei als auch der Plastik, von wissenschaft-
licher Seite einer Würdigung unterzogen werden
sollten. Denn wie es bis jetzt der Fall ist, ist
die Kunst der Restaurierung auf reiner Empirie
basiert. Bei der ungemein grossen Verschieden-
heit inbezug auf die Erhaltung der alten Kunst-
werke ist dies auch nicht anders denkbar, da fast
jedes dem Restaurator anvertraute Werk andere
Behandlung erfordert, und diese wiederum von
dem beabsichtigten Endresultat, ob es sich nur
um die Erhaltung des Vorhandenen oder um eine
völlige Erneuerung und Renovierung des Fehlenden
handelt. Rein wissenschaftliche Richtlinien dürften
da schon zu finden sein. Immerhin wäre es
wünschenswert, wenn hier die wissenschaftlichen
Grundlagen festgelegt würden, an die sich der
praktisch tätige Restaurator zu halten hätte. Die
Tätigkeit des Restaurators ist so verzweigt, da
es sich nicht allein um Malereien, sondern auch
um Werke der Kleinkunst, um Plastiken in Stein,
Bronze oder Elfenbein in unseren Museen handelt,
sondern auch um Werke, um Malereien, Bildhauer-
werke monumentaler Art, die im Freien allen Un-
bilden der Witterung ausgesetzt sind, und schon
deshalb vor Verfall zu schützen sind.
Noch eine Forderung wäre im Interesse der
künftigen Maltechnik zu stellen, nämlich eine
innigere Wechselwirkung und ein besseres Ver-
ständnis für die Beziehung von physikalischer
Optik und der Farbenchemie, die schon im
Unterricht an den Kunstschulen gelehrt werden
sollte, und viel zum richtigen Verständnis des
technisch-optischen Bildaufbaues beitragen könnte.
Hier wäre auch der Wunsch am Platze, die
Gegensätze auszugleichen, die zwischen der
Newtonschen Theorie und Goethes Farben-
lehre bestehen und immer noch einzelne Köpfe
in Verwirrung zu bringen scheinen. Sie sind auch
nicht so unüberbrückbar, wenn man sich etwas

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Mühe gibt und den guten Willen dazu hat. Für
mich z. B. gibt es solche Gegensätze schon längst
nicht, weil mir vollkommen klar ist, was wir bei
Goethe Gutes finden und von ihm lernen können,
ebenso wie wir Newtons Theorie unmöglich be-
seitigen dürfen, um auf dem Boden moderner
Wissenschaft zu stehen. Man gebe der Physiologie
und Psychologie, was ihr gebührt und nehme von
der Physik, was sie uns zu bieten hat. Vor allem
lerne man das richtige Verständnis für die Theorie
und ihre Anwendung in der Praxis und vergesse
nicht die Unterschiede zwischen optischer und
physikalischer Farbenmischung, auf die es soviel
ankommt.
Mit diesen Grundprinzipien der Malerei könnte
auch die Aesthetik in der bildenden Kunst in
Einklang gebracht werden, die in der neueren
Zeit so ganz und gar ausser acht gelassen wird.
Wenn unseren Kunstbeflissenen von Jugend auf
gelehrt würde, was eigentlich von einem Kunst-
werk, von einem Bilde gefordert werden muss,
wenn ein jeder, der den Pinsel oder den Meissei
führt, die ersten Grunderfordernisse der Aesthetik
in sich aufgenommen und sicher verankert hätte,
dann würde es nicht zu derartigem Auswüchsen
kommen, wie sie in den extremsten Formen des
Kubismus und des Primitivismus, von Futuristen
ganz abgesehen, zutage treten und mit „Kunst"
eigentlich nicht das geringste zu schaffen haben.
Zu wünschen wäre es aber, dass unsere über-
gelehrten Kunstschreiber und tonangebenden Kri-
tiker selbst einmal Stift und Pinsel in die Hand
nehmen und sich davon überzeugen wollten, was
es heisst, einen Kopf richtig zu zeichnen oder
eine Bildidee plastisch zu gestalten; sie würden
dann eher wissen, was „Kunst" bedeutet. Ein
paar Semester Kunstakademie und der Besuch des
maltechnischen Unterrichts würde diesen Leuten
doch einigermassen nützlich sein!
(Schluss folgt.)
Dekorative Techniken.
Von Hugo Hillig.
(5. Fortsetzung.)
V.
Das Wickeln.
Wenn der alte Scharwerker ans Dekorieren seiner
Arbeit ging und wenn es wirklich wahr ist, was mir
ein steinalter Maler darüber erzählte, dass er noch in
seiner Lehrzeit gesehen habe, wie die Scharwerker
die „Verzierungen" in den Fenster und Türleibungen
auf die Weise gemacht, dass sie einen in die Farbe
getauchten Lappen an die Wand geklatscht hätten, so
ist das ein sonderbares Beispiel, das ich hier am An-
fang erörtere. Es wird nicht sehr schön ausgesehen
haben, aber zu glauben ist es, und ich habe selbst auf
diese Weise Marmor in den Fensterleibungen herstellen
sehen, mit dem klatschenden Lappen und dem tupfenden
Scheibenpinsel, mit dem der alte Scharwerker, wenn
er die Apfelschimmelblumen symmetrisch verteilte,
 
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