9S
Münchner kunsttechnische Btätter
Nr. 17
mit feinerem Gefühi dieser Fatalität zu entziehen.
Eine durchaus neue Technik trat bekanntlich nit
den Van Eyk ein, weiche, wie der Maier Berger*)
hier durch Studien und Versuche neuerdings be-
wiesen, die Oeimaierei, wenn auch nicht erfunden,
aber auf ganz neuartige Weise angewandt haben.
Sie war schon seit den äitesten Zeiten bekannt
in der Weise, wie sie ungefähr die Modernen ge-
brauchen, aber für Kunstgegenstände, Fahnen,
Wappen usw., weiche eines für eine gewisse An-
zahl von Jahren hinreichenden schützenden Ueber-
zugs gegen die Witterung bedurften. Die Van
Eyk entdeckten aber die Oeifarbe ais Lasur,
d. h. die Schönheit derseiben, wenn sie in dünner
Schicht über einen heben Grund, ganz besonders
über diesen Kreide- oder auch Gipsgrund gezogen
wird. Ausserdem hat die Oeifarbe den grossen
Vorteil gegenüber der Tempera, dass sie den Ton
häit, wie man sie himmeit, und den Nachteii, dass
sie je nach der Menge des beigemischten Oeies
später nachgiibt. Die Anwendung des Oeies
brachte die Van Eyk auch zu Versuchen, die
Tempera, d. h. das Eigeib und den Gummi resp.
Kirschharz, Leim usw. mit Oei und Firnis zu
mischen, um das Verändern des Tones beim Fir-
nissen zu mindern, d. h. zu der sogenannten Emui-
sionstempera.
So entstand durch die Van Eyk ein sicheres
Maisystem, weiches erlaubte, die höchste feinge-
stimmteste Farbenschönheit mit höchster Plastik
zu vereinigen, und weiches System von den grössten
Meistern der Frührenaissance beibehaiten wurde,
bis die plastische Tendenz durch Michei Angeio
und Lionardo die Oberhand gewann. Die Deutschen
und Hoiiänder biieben den guten Traditionen aber
teilweise noch lange treu.
Es wurde auf den weissen oder ieicht ge-
tönten mineralischen Gründen eine sichere Vor-
zeichnung resp. Untertuschung mehr oder weniger
gründlich hergesteiit, diese mit einer warmen röt-
iichen Oellasur, der „Imprimitur" oder holländisch
Imprimursel übergangen, welche zugleich als
Fixierung diente und auf welche man weiter mit
hellen Emulsionstemperafarben die Lichter heraus-
holte. Später ging man wieder mit Oellasuren
darüber und setzte wieder die Helligkeiten mit
Emulsionstempera darauf. Auf diese Weise arbeitet
der Maler ähnlich wie der Bildhauer und doch
steht ihm mit den Oellasuren die höchste Farben-
schönheit zu Gebote. Diese Technik ging ver-
loren, als den Malern durch das von Michel Angeio
und Lionardo angeregte Helldunkelproblem die
Farbe mehr und mehr gleichgültig wurde. Das
Helldunkel hat als erstes Problem bis auf unsere
Tage regiert und herrscht als „Luftperspektive"
weiter, welcher ein grosser Teil der Maler heute
noch eine kräftige dekorative Wirkung ihrer Bilder
0 Ernst Berger, Quellen und Technik der Fresko-,
Oel-undTemperamalerei des Mittelalters. München 1897.
opfern, welche letztere aber Böcklin immer als
eine erste Forderung für ein Bild hinstellte. Denn
im andern Falle, sagte er, könne man ja auch
zeichnen und sich mit kleinerem Format begnügen.
Solange das System der Van Eyk befolgt wurde,
blieb die Farbenwirkung trotz der gilbenden
Wirkung des Oeies vollständig klar, denn für die
Lasuren brauchte es ganz geringe Mengen des-
selben, später erst scheint man dazu gekommen
zu sein, das deckende Oelweiss und seine viel-
fältigen Mischungen, die sogenannten „Tinten" zu
verwenden; denn lange Zeit scheint es verpönt
gewesen zu sein, dass irgend die Farbe im ge-
ringsten erhaben vorstehend sein dürfte. Wie
weit wir es leider seitdem gebracht haben, weiss
man ja. Je dicker die Farbe verwendet wurde,
um so mehr Oel musste auch hinein, und so ist
es kein Wunder, wenn die Bilder gelb, schwarz
und unscheinbar werden.
(Fortsetzung folgt.)
25 Jahre Münchener MaMechnik.
Von E. B.
(9. Fortsetzung.)
So bot der Kongress zur Bekämpfung der Mal-
materiaiienfälschungen Gelegenheit, einerseits so-
wohl den Bedürfnissen der Verbraucher als den-
jenigen der Fabrikanten entgegenzukommen,
andererseits aber leitete er alle Arbeit an den
Reformen auf die Kommission für die Vorarbeit
des Deutschen Farbenbuches, umso mehr als aussei*
der tatsächlich zu leistenden Arbeit noch die ge-
plante endgültige Kodihzierung aller festzulegenden
Grundsätze in Form eines für das ganze deutsche
Reich gültigen Gesetzes eine umfassende Propa-
ganda bei den Landtagen und endlich beim Reichs-
tag nötig machte.
Niemand hat daran gezweifelt, dass bis zu
diesem Ziele manche Hindernisse zu beseitigen
sein werden; um aber schon gleich etwas dem
Verbraucher Praktisches zu schaffen, gründeten
die einzelnen Organisationen wie die Malerverbände
von Norddeutschtand in Hamburg oder die süd-
deutschen Maier- und Lackiererinnungen in München,
eigene Untersuchungskommissionen, durch
die alle im Handel befindlichen und von Firmen
neu einzuführenden Malmaterialien oder Spezial-
artikel einer auf ihre praktische Verwendung hin-
zielenden Prüfung unterzogen werden sollten. So
wurden z. B. Lackanstriche oder andere Farben,
auf besondere Holz- oder Metallunterlagen „nach
Vorschrift" aufgetragen, durch eine bestimmte
Zeit (mindestens 11 Monate) dem Lichte, Luft,
sowie allen atmosphärischen Einflüssen ausgesetzt,
und nach dieser Zeit auf ihre Erhaltung untersucht.
Ueber den Erfolg wurden dann Gutachten (mit
Angabe des tatsächlichen Wertes) veröffentlicht
Münchner kunsttechnische Btätter
Nr. 17
mit feinerem Gefühi dieser Fatalität zu entziehen.
Eine durchaus neue Technik trat bekanntlich nit
den Van Eyk ein, weiche, wie der Maier Berger*)
hier durch Studien und Versuche neuerdings be-
wiesen, die Oeimaierei, wenn auch nicht erfunden,
aber auf ganz neuartige Weise angewandt haben.
Sie war schon seit den äitesten Zeiten bekannt
in der Weise, wie sie ungefähr die Modernen ge-
brauchen, aber für Kunstgegenstände, Fahnen,
Wappen usw., weiche eines für eine gewisse An-
zahl von Jahren hinreichenden schützenden Ueber-
zugs gegen die Witterung bedurften. Die Van
Eyk entdeckten aber die Oeifarbe ais Lasur,
d. h. die Schönheit derseiben, wenn sie in dünner
Schicht über einen heben Grund, ganz besonders
über diesen Kreide- oder auch Gipsgrund gezogen
wird. Ausserdem hat die Oeifarbe den grossen
Vorteil gegenüber der Tempera, dass sie den Ton
häit, wie man sie himmeit, und den Nachteii, dass
sie je nach der Menge des beigemischten Oeies
später nachgiibt. Die Anwendung des Oeies
brachte die Van Eyk auch zu Versuchen, die
Tempera, d. h. das Eigeib und den Gummi resp.
Kirschharz, Leim usw. mit Oei und Firnis zu
mischen, um das Verändern des Tones beim Fir-
nissen zu mindern, d. h. zu der sogenannten Emui-
sionstempera.
So entstand durch die Van Eyk ein sicheres
Maisystem, weiches erlaubte, die höchste feinge-
stimmteste Farbenschönheit mit höchster Plastik
zu vereinigen, und weiches System von den grössten
Meistern der Frührenaissance beibehaiten wurde,
bis die plastische Tendenz durch Michei Angeio
und Lionardo die Oberhand gewann. Die Deutschen
und Hoiiänder biieben den guten Traditionen aber
teilweise noch lange treu.
Es wurde auf den weissen oder ieicht ge-
tönten mineralischen Gründen eine sichere Vor-
zeichnung resp. Untertuschung mehr oder weniger
gründlich hergesteiit, diese mit einer warmen röt-
iichen Oellasur, der „Imprimitur" oder holländisch
Imprimursel übergangen, welche zugleich als
Fixierung diente und auf welche man weiter mit
hellen Emulsionstemperafarben die Lichter heraus-
holte. Später ging man wieder mit Oellasuren
darüber und setzte wieder die Helligkeiten mit
Emulsionstempera darauf. Auf diese Weise arbeitet
der Maler ähnlich wie der Bildhauer und doch
steht ihm mit den Oellasuren die höchste Farben-
schönheit zu Gebote. Diese Technik ging ver-
loren, als den Malern durch das von Michel Angeio
und Lionardo angeregte Helldunkelproblem die
Farbe mehr und mehr gleichgültig wurde. Das
Helldunkel hat als erstes Problem bis auf unsere
Tage regiert und herrscht als „Luftperspektive"
weiter, welcher ein grosser Teil der Maler heute
noch eine kräftige dekorative Wirkung ihrer Bilder
0 Ernst Berger, Quellen und Technik der Fresko-,
Oel-undTemperamalerei des Mittelalters. München 1897.
opfern, welche letztere aber Böcklin immer als
eine erste Forderung für ein Bild hinstellte. Denn
im andern Falle, sagte er, könne man ja auch
zeichnen und sich mit kleinerem Format begnügen.
Solange das System der Van Eyk befolgt wurde,
blieb die Farbenwirkung trotz der gilbenden
Wirkung des Oeies vollständig klar, denn für die
Lasuren brauchte es ganz geringe Mengen des-
selben, später erst scheint man dazu gekommen
zu sein, das deckende Oelweiss und seine viel-
fältigen Mischungen, die sogenannten „Tinten" zu
verwenden; denn lange Zeit scheint es verpönt
gewesen zu sein, dass irgend die Farbe im ge-
ringsten erhaben vorstehend sein dürfte. Wie
weit wir es leider seitdem gebracht haben, weiss
man ja. Je dicker die Farbe verwendet wurde,
um so mehr Oel musste auch hinein, und so ist
es kein Wunder, wenn die Bilder gelb, schwarz
und unscheinbar werden.
(Fortsetzung folgt.)
25 Jahre Münchener MaMechnik.
Von E. B.
(9. Fortsetzung.)
So bot der Kongress zur Bekämpfung der Mal-
materiaiienfälschungen Gelegenheit, einerseits so-
wohl den Bedürfnissen der Verbraucher als den-
jenigen der Fabrikanten entgegenzukommen,
andererseits aber leitete er alle Arbeit an den
Reformen auf die Kommission für die Vorarbeit
des Deutschen Farbenbuches, umso mehr als aussei*
der tatsächlich zu leistenden Arbeit noch die ge-
plante endgültige Kodihzierung aller festzulegenden
Grundsätze in Form eines für das ganze deutsche
Reich gültigen Gesetzes eine umfassende Propa-
ganda bei den Landtagen und endlich beim Reichs-
tag nötig machte.
Niemand hat daran gezweifelt, dass bis zu
diesem Ziele manche Hindernisse zu beseitigen
sein werden; um aber schon gleich etwas dem
Verbraucher Praktisches zu schaffen, gründeten
die einzelnen Organisationen wie die Malerverbände
von Norddeutschtand in Hamburg oder die süd-
deutschen Maier- und Lackiererinnungen in München,
eigene Untersuchungskommissionen, durch
die alle im Handel befindlichen und von Firmen
neu einzuführenden Malmaterialien oder Spezial-
artikel einer auf ihre praktische Verwendung hin-
zielenden Prüfung unterzogen werden sollten. So
wurden z. B. Lackanstriche oder andere Farben,
auf besondere Holz- oder Metallunterlagen „nach
Vorschrift" aufgetragen, durch eine bestimmte
Zeit (mindestens 11 Monate) dem Lichte, Luft,
sowie allen atmosphärischen Einflüssen ausgesetzt,
und nach dieser Zeit auf ihre Erhaltung untersucht.
Ueber den Erfolg wurden dann Gutachten (mit
Angabe des tatsächlichen Wertes) veröffentlicht