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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 6
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Noch einmal "Neue Kunst" [2]
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Geschichte der Grundierungsmethoden für Holztafeln und Leinwanden [6]
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34

Münchner kunsttechnische Blätter

Nr 6

Existenzverständnis. In der Sezession, zwischen den
Bildern Corinths sitzen, stehen, drücken sich Damen
und Herren, Herrchen und Dämchen. Ais Dadapro-
phet verkündet Richard Hüisenbeck, was ein Dadaist
ist. Soii sein ein Neoexpressionist, der ohne viei Worte
das Leben auspresst, wie Friedrich der Grosse die
Orange; soii sein ein Neoimpressionist, der iosgeiöst
von der Materie mitten hineintrampeit und über Leichen
schreitet, wenn es ihm .Sensationen' bringen kann; soii
sein ein Neoegoist, der auch die andere Morai unter
den Stiefei tritt. Für Dichtung und Musik, beides eines,
hat er unartikuiierte Uriaute, für Maierei ein paar Farben-
spritzer: kurz, ein veredeiter Futurismus. Deutsche,
französische und itaiienische Neutraiisten haben angeb-
iich dem Dadaismus imZüricheqKabarett ,Vo!taire' (ach,
Phiiosoph von Ferney!) einen Tempei errichtet, ais
Protest gegen den ermüdend katastrophaien Weitkrieg.
Von Hülsenbecks grauer Theorie, die den Dada
zur Wissenschaft macht, schreitet in der Sezession Eise
Hedwiger zur Uebersetzung dadaistischer Dichtungen;
George Gross, Maipoet, produziert eigne, iautschwui-
stige Prosa; Hausmann veriiest ein dito Manifest der
bildenden Dadakünste, das ausdrückiich erklärt: .Gegen
den Dadaismus sein, heisst Dadaist sein!'; wonach Pauke,
Rassei, Trompete voiiends die Schiachtbaiiade des
.Bruitisten' Tristan Tzaras vermassein und schiiessiich
sich aiies im Wohigefaiien dekadentesten Grunziaut-
radaus auflöst.
Dada — warum hatten die Züricher Deutschen oder
Hüisenbeck den französischen Uik, den man mit ihnen
und den Itaiienern trieb, so gründlich missverstanden?
Unter ,Dada' versteht der Franzose eine Art ieichter
Hysterie und Biödsinns. ,Avoir son dada', das ist beim
Engiänder .einen Spieen haben'; ,Dada' kann die fixe
Idee, harmloser, das Steckenpferd sein, auf dem man
herumreitet. Und, immer in der Ursprache von ,Dada'
zu ,Gaga' ist's im Französischen nicht weit — ,Gaga'
heisst kindisch, idiotisch . . .
Die Dadaisten, die deutschen, freilich nehmen sich
ernst, oder tun so. ,An die Front!', schrie man in der
Sezession. Das war übertrieben. Dort braucht man
Männer. Aber im Hiifsdienst ist noch Piatz. Ais Raupen-
töter im Tiergarten könnte man die Dadamusikanten
mit Stöcken und Pritschen ungestört im Uriaut dichten
lassen — die Natur hätte ihren Vorteil davon."
Wie man sieht: In Berlin blieb der Erfolg
aus, aber werden sie sich dadurch vor weiteren
Versuchen abschrecken lassen?
Sind alle diese Leute psychisch abnormal
und deshalb als k r ankh aft eNaturen anzusprechen?
Sind es harmlose Narren oder gemeingefährliche
Menschen, die besser in eine Anstalt gehören?
Ich glaube, weder das eine noch das andere, son-
dern es sind durch äussere Einflüsse (Literatur,
Umgebung, Erfolg einzelner Begabter) in ihrem
Verhältnis zur Kunst irregeführte Naturen, die
das Wesen der Kunst insofern missverstehen, dass
sie glauben, ohne etwas gelernt zu haben, nur
auf ihr eingebildetes, und mehr oder weniger starkes
Talent pochend, malen oder modellieren zu sollen,
und sich im gewollten Gegensatz zu der bisherigen
Kunstauffassung setzen. Ihr Werberuf heisst „neue
Kunst". Neu? Ja, aber Kunst ist es nicht, denn
Kunst kommt vom Können, und jedes Können setzt
Uebung und Fleiss voraus. Davon ist in der neuen
Kunst aber nichts zu verspüren.
Der Irrtum, in dem sich die Vertreter der

„neuen Kunst" (in ihrer Mehrzahl!) befinden, be-
steht darin, dass sie glauben, durch Malerei trans-
zendentale Ideen, oder philosophische Gedanken
ausdrücken zu können, während die Aufgabe der
Malerei darin besteht, einem Naturvorbild sich an-
zuschmiegen. Goethe drückt das sehr einfach aus
(Einleitung in die Propyläen):
„Die vornehmste Forderung, die an den Künst-
ler gemacht wird, bleibt immer die, dass er sich
andieNatur halten, sie studieren, sie nach-
bilden, etwas, das ihren Erscheinungen ähn-
lich ist, hervorbringen solle."
Darin hat sich auch seither nichts geändert;
Philosophie und transzendentale Mystik lassen sich
eben nicht mit Formen und Farben verständlich
machen; wer dazu sich berufen fühlt, der muss
eben zur Feder greifen und seine Gedanken nieder-
schreiben! Das ist der Grundirrtum dieser neue-
sten Künstler, dass sie glauben, ihre Seelenstim-
mungen in Farbe und Form bringen zu können,
während sie sie eher inVerse oder in Musik setzen
sollten. Aber es ist ja denkbar und vielleicht so-
gar möglich, dass die „neue Kunst" die dazu
nötigen Formen und Ausdrucksmittel noch sucht
und findet, was wir anderen vorerst für unmög-
lich halten. Dann kann aber auch nicht mehr von
„neuer Kunst" die Rede sein, sondern nur von
einer einzigen, der: guten Kunst, zu der wir über
alle mitlaufenden Irrtümer hinweg gelangen wollen
und die zu erstreben unser aller Aufgabe ist und
bleiben wird.
Geschichte der Grundierungsmethoden
iür Holztatein und Leinwänden.
(5. Fortsetzung.)
„Um Bilder von Ort zu Ort zu transportieren,
haben die Menschen die Bequemlichkeit der be-
malten Leinwänden erfunden, denn diese wiegen
leicht und sind gleichzeitig nicht schwer zu trans-
portieren. Man fertigt sie in Oel, damit sie schmieg-
samer bleiben, und wenn sie nicht an einen festen
Platz zu stehen kommen, werden (die Leinwän-
den) nicht mit Gips überzogen, denn der Gips springt
beim Aufrollen ab. Man macht vielmehr eine Paste
aus Mehl und Nussöl und fügt noch ein oder zwei
Handvoll (macinate, d. h. soviel auf einmal gerie-
ben ist) Bleiweiss hinzu. Und wenn die Leinwand
drei oder vier Lagen von weichem Leim (colla
che sia dolce) erhalten hat, streicht man die Paste
von einer Seite zur anderen mittels eines (brei-
ten) Messers über die Leinwand, so werden die
Löcher von der Hand des Arbeiters geschlossen
(d. h. wohl durch Ueberreiben mit dem Hand-
ballen?). Ist das geschehen, dann gibt man ein
oder zwei Lagen mit dem weichen Leim*) und
*) Dieser abermalige Leimüberstrich hat sich bei
meinen bezügl. Versuchen als notwendig erwiesen, weil
 
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