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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 23
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Berger, Ernst: 25 Jahre Münchener Maltechnik: zur Geschichte meiner römisch-pompejanischen Rekonstruktionsversuche [3]
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Berger, Ernst: Goethes Farbenlehre in den "Gesprächen" mit I. P. Eckermann [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0137

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Nr. 23

Münchner kursttechnische Blätter.

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sandte seine Mitarbeiter stets in die erste Linie
vor und hieit seine eigene Kraft für den letzten
Angriff in der Reserve. Dies konnte er ais
spiritus rector der Redaktion tun und es war
auch sein gutes Recht. Aber er war in der
Wahl seiner Mittel auch skrupellos, wenn es galt,
dem Gegner einen Schlag zu versetzen. In diesem
Falle war mein Buch „Maltechnik des Altertums"
zu treffen und zwar gerade an der Stelle, die
scheinbar die stärkste war, an den Quellen-
nachweisen, auf die mein ganzes Gebäude und
die Rekonstruktion der antiken Technik aufgebaut
war. Zu diesem Zwecke wandte sich Keim an
die „Arbeitsstelle des Studentenvereins der Uni-
versität" um eine philologisch tüchtige Kraft, der
die Aufgabe übertragen wurde, möglichst viele
Fehler in der Uebersetzung und Erklärung der
alten Schriftstellen aufzuspüren, die mir zur Last
fallen sollten und im Gegensatz dazu die Vorzüge
der Donnerschen Arbeit zu kennzeichnen und ins
richtige Licht zu setzen.
Dieser eines gedungenen Bravo würdigen Auf-
gabe hat sich ein junger stud. hist. G., zur Zufrieden-
heit seiner Auftraggeber (ob es die Leitung des
Farbenfälschungskongresses, der „Technische Aus-
schuss" der Deutschen Gesellschaft zur Förderung
rationeller Maltechnik oder diese selbst gewesen,
ist mir niemals bekannt geworden) entledigt und
er schloss sein mit „stürmischem (!) Beifall" aufge-
nommenes Referat mit dem folgenden Gesamturteil:
„Donners Interpretation der lateinischen Texte
ist einwandfrei; die Arbeit selbst zeichnet sich
durch grosse Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit aus,
während von Bergers Untersuchungen das Gegen-
teil gesagt werden müsse." Deshalb komme er
zu dem Ergebnis: „vor einer derartigen Arbeit,
die unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit
nur mangelnde Sachkenntnis und eine sehr geringe
Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit in der Benutzung
der Literatur bekundet, ist in der breitesten
OeKentlichkeit zu warnen" (s. Protokoll S. ßß).
(Fortsetzung folgt.)
Goethes Farbenlehre ln den „Gesprä-
chen" mit I. P, Eckermann.
Zusammengestellt von E. B.
(i. Fortsetzung.)
Ich hatte meine Freude an dem Phänomen. „Ja",
sagte Goethe, „das ist eben das Grosse bei der Natur,
dass sie so einfach ist, und dass sie ihre grössten Er-
scheinungen immer im kleinen wiederholt. Dasselbe
Gesetz, wodurch der Himmel blau ist, sieht man eben-
falls an dem unteren Teil einer brennenden Kerze, am
brennenden Spiritus sowie an dem erleuchteten Rauch,
der von einen Dorfe aufsteigt, hinter welchem ein dunk-
les Gebirge liegt."
„Aber wie erklären die Schüler von Newton dieses
höchst einfache Phänomen?" fragte ich.
„Das müssen sie gar nichtwissen", antwortete Goethe.
„Es ist gar zu dumm, und man glaubt nicht, welchen
Schaden es einem guten Kopfe tut, wenn er sich mit
etwas Dummen befasst. Bekümmern Sie sich gar nicht

um die Newtonianer, lassen Sie sich die reine Lehre
genügen, und Sie werden sich gut dabei stehen."
„Die Beschäftigung mit dem Verkehrten", sagte ich,
„ist vielleicht in diesem Fall ebenso unangenehm und
schädlich, als wenn man ein schlechtes Trauerspiel in
sich aufnehmen sollte, um es nach allen seinen Teilen
zu beleuchten und in einer Blösse darzustellen."
„Es ist ganz dasselbe," sagte Goethe, und man soll
sich ohne Not nicht damit befassen". . . .
„Wie stehen denn die jetzigen Franzosen und Eng-
länder zur Farbenlehre?" fragte ich.
„Beide Nationen", antwortete Goethe, „haben ihre
Avantagen und ihre Nachteile. Bei den Engländern ist
es gut, dass sie alles praktisch machen: aber sie sind
Pedanten. Die Franzosen sind gute Köpfe: aber es
soll bei ihnen alles positiv sein, und wenn es nicht so
ist, so machen sie es so. Doch sie sind in der Farben-
lehre auf gutem Wege, und einer ihre Besten kommt
nahe heran. Er sagt: Die Farbe sei den Dingen ange-
schaffen; denn wie es in der Natur ein Säuerndes gäbe,
so gäbe es auch ein Färbendes. Damit sind nun frei-
lich die Phänomene nicht erklärt; allein er spielt doch
den Gegenstand in die Natur hinein und befreit ihn von
von der Einschränkung der Mathematik."

Mittwoch, den 27. Dezember 1826.
Dem Phänomen des blauen und gelben Schattens
hatte ich nun zu Hause üeissig nachgcdaeht, und wie-
wohl es mir lange ein Rätsel blieb, so ging mir doch
bei fortgesetztem Beobachten ein Licht auf, und ich
ward nach und nach überzeugt, das Phänomen begriffen
zu haben.
Heute bei Tisch sagte ich Goethen, dass ich das
Rätsel gelöst. „Es wäre viel, sagte" Goethe : „nach
Tisch sollen Sie es mir machen." — „Ich will es lieber
schreiben," sagte ich, „denn zu einer mündlichen Aus-
einandersetzung fehlen mir leicht die richtigen Worte."
— „Sie mögen es später schreiben,,, sagte Goethe, „aber
heute sollen Sie es mir erst vor Augen machen und
mir mündlich demonstrieren, damit ich sehe, ob Sie
im rechten sind."
Nach Tisch, wo es völlig hell war, fragte Goethe:
„Können Sie jetzt das Experiment machen?" — „Nein",
sagte ich. — „Warum nicht?" fragte Goethe. — „Es
ist noch zu hell," antwortete ich; „es muss erst ein wenig
Dämmerung eintreten, damit das Kerzenlicht einen ent-
schiedenen Schatten werfe; doch muss es noch helle
genug sein, damit das Tageslicht diesen erleuchten
könne." „Hm!" sagte Goethe, „das ist nicht unrecht."
Der Anfang der Dämmerung trat endlich ein, und
ich sagte Goethe, dass es jetzt Zeit sei. Er zündete
die Wachskerze an und gab mir ein Blatt weisses Papier
und ein Stäbchen. „Nun experimentieren und dozieren
Sie!" sagte er.
Ich stellte das Licht auf den Tisch in die Nähe des
Fensters, legte das Blatt Papier in die Nähe des Lichtes,
und als ich das Stäbchen auf die Mitte des Papiers
zwischen Tages- und Kerzenlicht setzte, war das Phäno-
men in vollkommener Schönheit da. Der Schatten nach
dem Lichte zu zeigte sich entschieden gelb, der andere
nach dem Fenster zu vollkommen blau.
„Nun", sagte Goethe, „wie entsteht zunächst der
blaue Schatten?" — „Ehe ich dieses erkläre," sagteich,
„will ich das Grundgesetz aussprechen, aus den ich
beide Erscheinungen ableite."
„Licht und Finsternis," sagteich, „sind keine Farben,
sondern sie sind zwei Extreme, in deren Mitte die Far-
ben liegen und entstehen, und zwar durch Modifikation
von beiden.
„Den Extremen Licht und Finsternis zunächst ent-
stehen die beiden Farben gelb und blau: die gelbe an
der Grenze des Lichtes, indem ich dieses durch ein
getrübtes, die blaue an der Grenze der Finsternis, m-
 
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