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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 10
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Geschichte der Grundierungsmethoden für Holztafeln und Leinwanden [10]
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Georg Hirth: der Begriff des "spezifisch Künstlerischen" [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0059

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Nr. to

Münchner kunsttechnfsche Blätter


Im XV. und XVI. Jahrhundert ist in der Staffier-
malerei der „Kreidegrund" allgemein angewendet
worden und auch die Bildmaler bedienten sich des-
selben auch, wenn mitunter kleinere oder grössere
Teile der Komposition vergoldet werden sollten,
z. B. Heiligenscheine, Brokatgewänder u. dgl. So
schreibt einmal Albrecht Dürer in einem Brief an
Heller: „Und hab' sie (die Tafel) zu einem Zu-
bereiter gethan, der hat sie geweisst, gefärbet und
wird sie die ander Wochen vergülden" und zwar
ist da nicht das Ueberziehen der ganzen Tafel
mit Gold zu verstehen, sondern wohl nur jenePartien,
die sich aus der Zeichnung ergeben, z. B. im Drei-
faltigkeitsbild (Wiener Galerie) die reichen Gold-
gewänder, Kronen usw.
Ein einfaches Verfahren zur Herstellung eines
solchen Vergoldergrundes, den ich selbst viel-
fach benutzt habe, lasse ich hier folgen (nach
Beitr. III S. 211, Note):
„Guter sog. Kölner Leim, der über Nacht im
Wasser geweicht wurde, wird gesotten und durch
ein Sieb gegeben; die Stärke des Leimes sei derart,
dass er im Erkalten leicht stockt. In gut lauwarmem
Zustand giesse man eine Quantität in ein reines
Geschirr und lasse weisse Boluskreide (China clay,
Pfeifenton) bei langsamen, partieweisen Einreitern
sich mit dem Leime vereinigen, ohne mit einem
Instrumente nachzuhelfen, da sich sonst leicht Luft-
blasen bilden. Ist eine genügende Menge der Kreide
eingesickert, dann rühre man langsam mit kurzem
Pinsel die Masse zusammen. Um das zu schnelle
Erstarren des Leimes zu verhindern, ist es an-
gezeigt, das Geschirr in ein zweites mit heissem
Wasser zu stellen.
Die Holztafeln sind zuerst mit heissem Leim-
wasser vorzustreichen, auch ist bei schwachem oder
glattem Holz ein Aufleimen von dünner Leinwand
sehr am Platze, eventuell auf beiden Seiten, um
das Werfen des Holzes zu vermeiden. Ist die
erste Leimschicht gut getrocknet, dann kann die
Grundierung mit der weissen Kreide in mehreren
Schichten (4—8) nacheinander, am besten an einem
Tage erfolgen, da es nicht nötig ist, auf das voll-
ständige Trocknen zu warten; im Gegenteil, durch
das Aufträgen der Schichtungen auf das Halbnasse
entstehteine feste, miteinander verbundene Grundie-
rung. Die Uebung wird hier bald das Rechte heraus-
ßnden. Man glaube übrigens nicht, durch dickere
und weniger Schichten die Arbeit beschleunigen
zu können; denn dicke Lagen der Grundierung
lassen sich sehr schwer so gleichmässig auftragen
als dünnere. Das nachher zu erfolgende Abschleifen
mit Bimstein ist bei den dünneren Schichtungen
bedeutend leichter und schneller ausführbar. Dieses
Abschleifen hat nach dem vollständigen Trocknen
des Grundes nach etwa 2—3 Tagen zu geschehen.
Das Bimstein- oder auch Glaspapierpulver kann
man schliesslich durch Ueberfahren mit einem in
Wasser getauchten und ausgepressten Stück Leinen

oder Schwamm entfernen. Wenn bei dem Ver-
such, hernach mit der Leder auf dem fertigen Grund
zu zeichnen, die Tinte oder Tusche fliesst, so ist
der Grund nicht fest genug geleimt, man verbessere
den Uebelstand nach Bedarf durch einen leichten
Leimüberstrich. Durch Abreiben mit feinem Glas-
papier erhält man eine fast glänzende Oberfläche."
(Fortsetzung folgt.)
Georg Hirth: Der Begriff des „spezifisch
Künstlerischen
(1. Fortsetzung.)
In der Regel mag ja der rührige Künstler nach Vol-
lendung eines Werkes gerne darauf verzichten, die
verschiedenen Stadien seines Nachdenkens nochmals
im Geiste zu übergehen; aber darum befragt, warum
er das Ganze und Einzelnes so und nicht anders ge-
macht habe, wird er um die Antwort kanm je-
mals verlegen sein. Er wird sich vielleicht bereit
finden, das oder jenes zu ändern, wenn ihm dafür
triftige Gründe einleuchten; im allgemeinen aber
wird er als „Meister" seiner Kunst für sein Werk und
für alles, was darin enthalten oder weggelassen ist,
eine plausible Erklärung zu geben in der Lage sein.
In ungezählten Unterhaltungen mit Künstlern habe ich
sogar gefunden, dass diese ihre Werke, ihre künst-
lerischen Absichten, Erwägungen und Ausdrucksmitel
verteidigen wie die Löwin ihr Junges. Und so war
es auch in früheren Zeiten; berühmte Künstler, die
zugleich (was freilich selten) Heissige Briefschreiber
und Schriftsteller waren, haben uns leidenschaftliche
Abhandlungen über die alleinige Richtigkeit ihres
„Stils" hinterlassen. Denen aber, die davon lieber
schwiegen, einen Mangel an Selbstbewusstsein zuzu-
trauen, wäre gerade so falsch, als wenn wir annehmen
wollten, ein Moltke habe seine Kriegspläne im Lande
der Träume gefunden.
Wenn man nun aber die spezifisch künstlerische
Denkarbeit auf die leibhaftige Darstellung und
Ausführung als das einzige fassbare Kriterium be-
schränkt, so entfallen auch die meisten der übrigen
eingangs angeführten Thesen. Denn warum soll sich
ein Kunstwerk nicht mosaikartig zusammensetzen
lassen? Kann sich nicht die Idee zu einem Kunst-
werke aus kleinster, ganz zufälliger Anregung ent-
sprungener Absicht allmählich zum grossen, end-
gültigen Projekte steigern? Warum die blitzartig
aufleuchtende Komposition des ganzen wie eine
deus ex machina? Warum nicht auch allmähliches
Dämmern, wie beim Erwachen des Tages? Und warum
soll nicht die ursprüngliche Idee des Kunstwerkes
zuerst in der Form eines logischen Denkaktes in
der Seele des Künstlers liegen können? Es bedarf
dazu ja nur eines Auftrages, z. B : „Malen Sie mir
eine Darstellung der Barmherzigkeit", oder „Ich
wünsche eine Marmorgruppe zur Versinnbildlichung
der Dampfkraft" oder dergleichen. Der Künstler
übernimmt den Auftrag, ohne sofort ein „anschauliches"
Bild in seiner Phantasie bereit zu haben, als an der
sicheren Hoffnung, dass er ein solches ßnden und
künstlerisch zu gestalten imstande sein werde. Gewiss
kann die „künstlerische" Tätigkeit erst beginnen,
wenn die Phantasie dem logischen Begriff eine an-
schauliche Form verschafft hat — aber das ändert
nichts an der Tatsache, dass die ursprüngliche Idee
zu dem Kunstwerke zuerst in der Form eines logischen
Denkaktes in der Seele des Künstlers gelegen hat, —
oder in seine Seele gelegt wurde! Da* ist ja djp
 
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