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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 18
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Hillig, Hugo: Dekorative Techniken [5]
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Stehl, Georg: Kunstlackierungen [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0107

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Nr. :8

Münchner kunsttechnische Blätter.

roy

zu Altona pflegt diese Richtung besonders, und sie
pflegt sie in der Verbindung mit den Dekorationstech-
niken der Buchbinderpapiere. Ach, wenn die Mater
fernen wottten: die Anregungen tiefen ihnen auf Schritt
und Tritt entgegen. Die Kunstbuchbinderei hat eine
Lektion dieser Art durchgemacht, und auch die kera-
mische Industrie hat aus den atten urwüchsigen und
uratten Techniken der Handtöpferei geternt, hat sie
auf Grund theoretischer Vertiefung in die Technik
verbessert, entwickett und erweitert, und die Fotge
ist: der Absatz keramischer Erzeugnisse hebt sich von
Jahr zu Jahr; wo ehedem nur die Kunstindustrie in
Betracht kam, da sind heute Kunsthandwerker an der
Spitze und sie verdienen wahrhaftig gut. Die Kunst-
buchbinderei hat die atten Techniken der Buntpapier-
herstettung wieder aufteben lassen, hat sie erweitert,
hat künstlerische Prinzipien hineingetragen, und ich
habe bei einem Hamburger Kunstbuchbinder handge-
fertigte Einbandpapiere gesehen, die einfach schön
waren.
Warum sottte die Dekorationsmaterei nicht auch
in dieser Weise atte Techniken entwickeln können?
Nun fragt es sich atterdings, was die Dekorations-
materei direkt aus den atten Techniken machen sott.
Es ist ja richtig: im Prinzip passt die atte Technik
auch für unsere modernen Zwecke. Es kommt ja nur
darauf an, die Ftäche farbig zu beteben und die Formen,
die der Zufatt hervorbringt, gut auszunützen. Deshalb
könnte das bunte Bild, das ein straffer Pinsei, ein
Schiketteur oder ein Modter in einer kräftigen Lasur
hervorbringt, ganz gut zu gebrauchen sein.
Diese Kammzugtechnik ist eine merkwürdige Sache,
wenn man sic geschichttich betrachtet. Ohne Zweifei
gründet sie sich auf der atten Bauernmaterei, ihrem
Zweck nach; ihrer technischen Art nach jedoch ist sie
amerikanischen Ursprungs. Man sieht an diesem kleinen
Beispiele, wie wunderbar zieh die Wege verflechten,
auf denen sich menschtiches Wissen und Können aus-
breitet; es ist ein winziger Ausschnitt aus der Kultur-
geschichte, den wir hier vor uns haben.
Was aber kann der moderne Dekorationsmater aus
dieser Kammzugtechnik nicht altes machen! Die Wand-
lungsfähigkeiten der Effekte sind unerschöpffich in
dieser Technik. Nicht nur reiner Fiächendekor ats
rapportierendes Muster, auch setbständige Ornamentik
tässt sich damit schaffen. Dabei wird atso statt mit
dem Pinset mit dem Kamm und mit dem Gummistift
gearbeitet und man kann auch noch den nmwicketten
Gummi-, Stahl- oder Hornkamm oder auch den btanken
Stahl- oder Hornkamm dazu verwenden. Im Mannheimer
Rosengarten ist der Restaurationssaat in dieser Weise
behandett. Atterdings streift die dortige Arbeit sehr
hart das Gebiet der Imitation, nämtich das Gebiet der
Imitation eines Wandbezugsstoffes. Attein, wenn man
niemand hinter dem Busch sucht, so ist es wohl auch
so schtimm nicht, und auch der eifrigste Aesthetiker
könnte sein Gewissen satvieren, wenn er sich Mühe
gibt, zu glauben, dass eine solche Imitation nicht in
der Absicht des Malers tag. In Hamburg sah ich einmal
eine Wand in einem Cafe so behandelt: die Wand war
violett gestrichen, die Rahmen weisstich. Dann hatte
man mit dem Zackenpinsel wagrechte und senkrechte
Linien ganz frei aus der Hand und unschematisch mit
dunklerem Vioiett gezogen und schliesslich hier und
da mit dem Finger oder auch mit dem runden Pinsel
hcltviolette Tupfen daraufgemacht. Das Aussehen der
Wand gewann sehr dadurch, aber der Zwang wurde
einem nicht aufertegt, absolut zu glauben, das sei ein
feiner Seidenstoff, mit dem die Wände überzogen sind;
man konnte auch einen recht reizend ausgeführten,
dekorativ wirksamen Wandanstrich konstatieren. Wie
gesagt, wenn man nicht selber hinter dem Busche ge-
sessen hat, braucht man niemanden dahinter zu suchen.

Die Kammzugtechnik ist wohl bekannt genug, als
dass sie besonders beschrieben zu werden brauchte.
Es ist dasselbe wie beim Holzmasern, nur dass die
Lasur sich nicht an den Holzton zu halten braucht,
dass sie ferner ebensogut hell auf dunkel wüe dunkel
auf hell aufgetragen werden kann. Mit dem Kamm,
der auch verschiedene Formen haben darf, werden
dann die verschiedenen Musterungen in die nasse Lasur
gezogen. Die Zusammensetzung dieser Lasur ist eben-
falls dieselbe wie beim Holzmasern; am besten eignet
sich eine Lasur, die in einer Mischung von 6 Teilen
Leinöl, 3 Teilen Terpentinöl und ! Teil Sikkativ an-
gerieben oder angerührt ist. Für besondere Zwecke
wird man lasierende Farbstoffe wählen müssen, sonst
braucht die Lasur nur die technischen Eigenschaften
der Holzmaserlasur zu haben, braucht also selbst nicht
durchscheinend zu sein. Die technischen Eigenschaften
der Holzmaserlasur bestehen in einer sehr genau ge-
regelten Trockenkraft und dann auch in einer gewissen
Konsistenz. Man kann diese durch Zusatz von Kleister
oder Wachs, auch durch Zusatz eines auszuprobierenden
Quantums in Oel angeriebener Kreide erreichen. Wenn
man auch eine Kleinigkeit in Wasser oder Leimwasser
dick angerührter Kreide hinzugibt, lässt sich die Lasur
ebenfalls sehr angenehm mit dem Kamm bearbeiten.
Auch ein Zusatz von Petroleum, das ausserdem das
schnelle Trocknen der Lasur verzögert, ist in dieser
Beziehung förderlich, hat aber den Nachteil, dass
sich eine mit Petroleum versetzte Lasur nicht gut
lackieren lässt.
(Fortsetzung folgt.)
Kunstlackierungen.
Von Georg Stehl, Wien.
Ist nun alles schön sauber und glatt, feinst ab-
gestaubt und trocken, so nimmt man eine leichte
Spiritusschellacklösung (der Billigkeit halber dena-
turierter Spiritus) und trägt dieselbe schnell mit dem
Haarpinsel auf. Hierzu gehört schon erwas Geschick-
lichkeit; denn bei ungeschickter Arbeit kann man leicht
Unebenheiten hervorrufen, welche die vorhergegangene
Mühe verderben. Nach dem Trocknen schleift man
leicht mit feinem Glaspapier ab, staubt gründlich nach
und wiederholt die Schellackbehandlung so lange, bis
dieselbe blank steht. Hat man gut gearbeitet, so muss
eine tadellos saubere, glänzende und kornfreie Fläche
dastehen; ebenso müssen auch alle Ecken und Winkel
sein.
Man glaube nicht, vorstehendes Kreidegrundver-
fahren durch die heutzutage vielen Kollegen geläufigere
Oelgrundierung und Spachtelung ersetzen zu können.
Ganz abgesehen davon, dass die Alten alle Lack-
arbeiten auf Kreidegrund ausgeführt haben, was eigene
Forschungen und Erfahrungen sowie die vieler Fach-
leute beweisen, führt eine Spachtelung nicht zu dem
gewünschten Ziel. Dann aber ist Spachteln zeitrauben-
der und damit kostspieliger. Spachtelung eignet sich
bekanntlich nur gut für Flächen, nicht aber für Leisten
und Profilierungen, geschweige denn für Schnitzereien.
Auch erfordert Spachteln viel mehr Uebung. Dass
aber Leimwasser und Kreide viel billiger sind wie Oel-
farbe und Spachtelmasse, die neben Kreide immer
Bleiweiss, Zinkweiss, Sikkativ und dergleichen erfordert,
ist bekannt. Reiner Leimspachtel würde unter keinen
Umständen den Kreidegrund ersetzen. Das alles be-
ruht auf jahrelanger Erfahrung, und wer nicht über-
flüssig Geld mit Versuchen ausgeben will, der arbeite
wie angegeben.
Hat man alte Möbel in solchen Kunstlackierungen
auszuführen, die schon mit Oclfarbe gestrichen waren,
 
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