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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 18
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Stehl, Georg: Kunstlackierungen [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0108

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Münchner kunsttechnische Blätter

Nr. tS

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so empHehlt es sich immer, dieselben abzubeizen und
von Grund auf neu mit Kreidegrund zu behandetn. Ist
dies des Preises halber oder aus irgend einem an-
deren Grunde nicht tunlich, so muss man sich natür-
lich mit Spachtelkitt und Streichspachtel helfen, wird
aber nie so reine, schöne Resultate erzielen wie auf
Kreidegrund.
Nun nimmt man Goldanlegeöl mit etwas Chrom-
gelbzusatz, kornfrei, und legt fachgemäss an. Will
man etwa vorhandene Schnitzereien und dergleichen
gleich mit behandeln, was der geübte Arbeiter stets
tut, so wischt er von den Stellen, die Glanzgold werden
sollen, das Anlegeöl mit feinem Lappen oder faser-
freier Watte gleich wieder ab. Nach Verlauf von einer
bis zwei Stunden, was ausprobiert werden muss, schiesst
man mit echtem Golde an, drückt mit Watte oder
weichem Pinsel fest und poliert mit einem feinen Samt-
lappen das Glanzgold heraus. Nichtgeübte lassen die
Schnitzereien zurück zur späteren Extrabehandlung.
Ist nun das Anlegeöl für Blattmetall trocken, so
schneidet man das Metall an den Rändern ab und legt
dasselbe auf die Flächen, die in Vernis-Martin be-
handelt werden sollten. Dies muss aber ebenfalls
geschickt gemacht werden. Das Metall muss glatt
anliegen, denn Falten und Runzeln ergeben später un-
angenehme Erscheinungen. Unter Flächen versteht
man eigentlich nur die Friese bzw. die Rahmstücke
des Möbels. Die Füllungen werden echt vergoldet
und bemalt. Die Vergoldung muss echt sein, weil der
Golduntergrund vielfach zur vollen Mitwirkung der
Malerei berufen ist und Ansätze nicht bei Blattmetall
zu vermeiden sind. Einfache Ansätze werden aber
durch die später beschriebene Vernis-Martin-Lasur ver-
deckt, die aber nicht auf die Füllungen kommt. Nach-
dem also das Blattmetall sauber aufgetragen ist, wartet
man bis zum anderen Tage bzw. bis zur vollständigen
Erhärtung des Anlegeöles. Dann überzieht man das
Metall mit einer reinen Schellacklösung, wozu der be-
kannte braune Schellack und denaturierter Spiritus
genommen werden kann. Dieser Ueberzug macht die
Metallschicht für die weitere Behandlung widerstands-
fähig und schliesst zugleich gegen die nachfolgende
Lasur ab.
Ist dieses geschehen und trocken, so mischt man
eine grüne, nicht zu fette Lasur, sagen wir „halbfett",
und bestreicht damit die Goldfläche regelmässig, wenn
erforderlich vertreibt man mit demDachshaarvertreiber.
Die Lasur muss natürlich sauber und kornfrei sein.
Sodann tupft man mit dem Dachshaarvertreiber fein
säuberlich durch und lässt trocknen. Die Lasur muss
so gehalten sein, dass sie nicht zu sehr steht, aber
auch nicht verläuft, das muss ausprobiert werden.
Dadurch erreicht man eine günstige Verteilung der
Lasur auf dem Goldgrund. Während der Arbeit soll
man sich immer einige Täfelchen zu Versuchen gleich
mit anfertigen. Nach dem Trocknen wird abgestaubt
und mit Schleiflack lackiert. Die so erzielte gold-
grüne, durchsichtige Fläche hat eine ausserordentlich
schmuckreiche Wirkung, deren Feinheit und Durch-
sichtigkeit durch wiederholtes Lackieren mit Schleif-
lack und jedesmaliges Schleifen oder „Abziehen" mit
feinst pulverisiertem Bimstein noch erhöht wird.
Die Behandlung des Schleiflackes ist am besten
dem Wagenlackierer geläufig. Es wird mit Filz und
reichlich Wasser leicht über den harttrockenen Schleif-
lack hin und her gefahren, dann etwas Bimsteinpulver
aufgestreut und regelmässig in langen Zügen weiter-
geschliffen. Bisweilen fährt man mit dem Finger über
die Fläche, schiebt den Schleifschlamm zur Seite und
untersucht die Fläche. Diese wird zunächst matt,
nach längerer Einwirkung des Schleifens vergehen die
Unebenheiten, und da heisst es, sich vor dem Durch-
schießen zu hüten. Lieber lackiere man öfter. Der

Lacküberzug soll ganz kornfrei sein. Etwaige Körner
werden verschliffen. Man soll Lackieren und Schleifen
so lange fortsetzen, bis eine ganz einwandfreie Fläche
erzielt ist, die nur noch mattgeschliffen zu werden
braucht. Dann poliert man am besten mit einem feinen
Lappen und reinem Wasser auf Glanz. Die in neuester
Zeit in den Handel gekommenen Polierwässer sind zu
vermeiden. Die Arbeit ist am schönsten mit Halb-
glanz, und den erzielt man mit Wasser am besten.
Wenn man will, kann man etwas feinst pulverisiertes
Hirschhorn zusetzen. Hat man für solche Arbeiten
einen Trockenofen zur Verfügung, der aber der Leim-
fugen halber nie über 35 Grad erhitzt werden darf, so
kann man den Lack jedesmal im Ofen trocknen und
den letzten Schliff im Ofen „aufschwitzen", das heisst
glänzend werden lassen. Die Erfahrung hat aber ge-
lehrt, dass Ofenlackarbeit leicht reisst, weil der
schnelle Trocknungsvorgang dem Lack zuviel Fett-
bestandteile entzieht.
Statt der grünen Lasur nimmt man häufig rote
Lasur, welche ebenfalls eine Brillantwirkung erzielt.
Die Abstimmung der Lasuren sowie deren mehr oder
minder starke Deckkraft liegt im Empfinden des Aus-
führenden. Am besten macht man sich, wie schon
erwähnt, kleine Täfelchen als Muster zu Versuchen,
die man dann auch der Kundschaft vorlegen kann.
Um der Vernismartinlackierung noch eine erhöhte
Wirkung zu geben, wird fast immer in die noch nasse
Lasur GoldHimmer eingestreut. Das geschieht in der
Weise, dass man den Flimmer (grober Bronzeschliff)
in ein Blechsieb gibt und dasselbe etwa 50—ioo cm
über die Fläche hält und leicht hin und her bewegt,
so dass die Flimmerstückchen „verloren" in die noch
nasse Lasur Hiegen. Man hüte sich aber davor, dass
eine grössere Anzahl Flimmerstückchen auf eine Stelle
Hiegen, weil das hässliche Flecke gibt. Die Fläche
wird natürlich dadurch etwas rauher, wie sie vorher
schon durch das Tupfen der Lasur geworden ist. Daher
erfordert sie eine öftere Lackierung. Dafür ist aber
auch der Effekt ungleich grösser wie ohne Flimmer.
Aus dem Grunde Hndet man bei fast allen alten
Lackierungen Flimmer angewandt.
Die Füllungen solcherart behandelter Möbel werden,
wie schon gesagt, meist echt vergoldet und dann mit
einer Schellacklösung — wie oben geschildert (jedoch
mit reinem Spiritus angesetzt) — überzogen. Werden
Blumen oder Früchte darauf gemalt, so lasiert man
von der Mitte aus stärker, nach den Seiten hin schwächer
werdend, um das Gemälde, in einer entsprechend ab-
gestimmten Lasur heraus. Bei den Blumen und Früchten
führt man oft die Kontur mit Goldhintergrund aus,
indem man mit dem Pinselstiel die Konturen ausschiebt. *
Bei Landschaften und Genrebildern verfährt man
ähnlich. Man erzielt dadurch grossartige Wirkungen.
Auch benützt man den Golduntergrund als „Licht". Bei
den alten Sachen Hndet man vielfach Schäferstückchen
„ä la Watteaux". Bei uns wurden seinerzeit oft Amo-
rettenpartien oder Kinderszenen gemalt.
Beim Malen der Füllungen sei man bestrebt, die
Farben so wenig wie möglich dick (pastös) aufzutragen,
da sonst zu oft lackiert und geschliffen werden muss.
Die Füllungen werden nämlich genau so glatt nach dem
Malen hergestellt, wie die Rahmstücke, so dass das
Ganze wie aus einem Guss dasteht. Die Farben werden
ziemlich leuchtend gemischt, weil die häuHge Lackierung
die Töne dämpft, was indes nicht schadet, sondern
dem Ganzen erst das eigenartige „Lustre" gibt, welches
der Vernismartinarbeit ihren besonderen Reiz
verleiht.
(Schluss folgt.)

Verlag der Werkstatt der Kunst E. A. Seemann, Leipzig
 
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