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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 21
DOI Artikel:
Hillig, Hugo: Dekorative Techniken [8]
DOI Artikel:
Berger, Ernst: Die Aufgaben des Konservators in unseren Museen [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0125

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Nr. 2!

Münchner kunsttechnische Blätter.

125

muss in die erwärmte, dicke geleimte Schlemmkreide-
masse gegeben werden. Selbstverständlich muss die
Masse auch klumpenfrei sein. Das rechte Verhältnis
zwischen den einzelnen Bestandteilen ist etwa: 70 Teile
Kreide, 10 Teile Leim, Harz oder Lack und 20 Teile
Oei. Vielleicht begünstigt das VerHiessen auch ein
Zusatz vonungequelltem Kartoffelmehl, der Lack beein-
trächtigt die Wasserlöslichkeit der Masse. Die Masse
lässt sich schon bei der Zubereitung färben. Auf dieser
Grundlage beruhen die meisten Rezepte für die An-
fertigung der plastischen Masse.
Auf der 111. Deutschen Kunstgewerbeausstellung
waren Arbeiten von Emil Orlik, Berlin, im Grenander-
schen Wohnzimmer (Raum 33) ausgestellt, die auch
eine Art plastischer Malerei waren. Allerdings muss
ich gestehen, dass sich mein Verständnis auch heute
noch nicht bis an die Aesthetik dieser Arbeiten her-
aufgeläutert hat und dass ich ziemlich stumpfsinnig
vor diesen Lackarbeiten, wie sie Orlik selber nennt,
dagestanden habe. Man denke sich: Zwei grosse Tafeln
aus grobporigem, partienweise schwarzgrau angebeiztem
Holz. Darauf eine ganz streng stilisierte halb land-
schaftliche Szenerie. Die Figuren ebenso streng im
formalen Ausdruck und mit einer bronzeartig schei-
nenden plastischen Masse Hach aufgetragen, darin Ein-
lagen von Perlen und Perlmutter. Die Bäume sind
mit dunkelgrüner, siegellackähnlicher stockig-plastischer
Lackmasse aufgetragen. Auf die schwarze, den Himmel
vorstehende grobe PIolzHäche sind aus hellerem grauen
Holze wolkenähnliche Flecken aufgeleimt, deren Kanten
dann rund geschliffen sind, so dass die Wolken wie
Federbetten in der schwarzen Luft hängen. Der
schwarz gebeizte Fond des Himmels ist dann mit Gold
gespritzt und schliesslich mit dem Geisfuss gekerbt.
— Es waren noch zwei andere kleinere Taleln da,
denen ich eine gute dekorative Wirkung nicht ab-
sprechen möchte, aber die grossen, die ich eben be-
schrieben habe: auf alle Gefahr hin, als Banause zu
gelten: nee! —
Schlussbetrachtung.
Es ist in diesen Kapiteln über dekorative Tech-
niken immer davon gesprochen worden, was denn der
Maler zur Erweiterung seiner alten und ursprünglichen
Berufstechniken tun könne, wie er aus seiner Arbeit
neue ästhetische Werte holen könne. Ich kann mir
nun aber auch denken, dass dieser oder jener Maler
sagt: ja, in der Theorie sind alle diese Anregungen
so furchtbar einfach zu geben, und auch so einleuch-
tend, wenn man sie liest oder hört — aber in der
Praxis! Die Kammzugtechnik hat deshalb ihre Grenzen
in der Verbreitung, weil sie zu teuer ist, und wenn
ich mich in den verschiedenen Kapiteln dieser Ab-
handlung auch bemüht habe, immer bei den rationellen
Techniken zu bleiben, so sind sie doch ohne Zweifel
auch nicht gegen den Einwurf gefeit, dass auch sie in
der Praxis für gewöhnliche Ansprüche zu kostspielig
sind. Das ist gewissermassen eine Illustration des Wortes,
das in den hochgehenden kunstgewerblichen Auseinan-
dersetzungen der letzten Jahrzehnte einmal gefallen ist
und das gewiss auch Berechtigung hatte: Der Hand-
werker und der Kunsthandwerker braucht weniger Vor-
träge als Aufträge. Dieses Wort ist aber vielmehr
eine Anerkennung der Tatsache, dass die Gesundung
des Kunstgewerbes nicht nur eine Bildungsfrage, son-
dern auch eine wirtschaftspolitische und eine sozial-
politische Frage ist. Als einmal im Altonaer Stadt-
verordnetenkollegium über den Neubau einer Kunst-
gewerbeschule verhandelt wurde, da meinte ein beson-
ders Gescheiter: So sehr das Interesse für das Kunst-
gewerbe in den letzten 20 Jahren gewachsen sei, so
schnell werde es auch wieder fallen. Das wird es
allerdings kaum im alten Umfange, und wird es gewiss

nicht, wenn man bedenkt, welcher ungeheure wirt-
schaftliche Ausstoss in der kunstgewerblichen Entwick-
lung der letzten 20 Jahre steckt.*) Schönheitsfreude
und Sehnsucht war gewiss nicht die Triebfeder, dass
die Begriffe der angewandten Kunst so umgestürzt
werden konnten, denn noch sind das Leben und seine
Formen immer noch im allgemeinen so abstossend und
hässlich, dass der kunstgeistige Umsturz noch lange
nicht genug gewirkt hat. Dass sich der Kapitalismus
mit aller Kraft in diesen Umsturz mischte, das hat ihn
zuwege gebracht. Aber so dumm jener Ausspruch des
Altonaer Stadtvaters auch ist, so steckt doch ein Körn-
lein Wahrheit dahinter, von dem der Wackere aller-
dings nichts ahnt. Ist es nicht Schönheitsfreude ge-
wesen und nicht Sehnsucht nach der Schönheit, jenem
dem höchsten Naturbegriff immanenten Gesetz, so
ist es Mode gewesen und wenn man mit der Mode
rechnet, so ist es allerdings zu glauben, dass das Pu-
blikum einmal müde werden kann, dass es immer neues
für sein Geld verlangt, wenn sein Interesse nicht er-
lahmen, seine Kaufkraft und Kauflust sich nicht anderen
Dingen zuwenden soll.
Deshalb liegt in diesen Ausführungen über deko-
tive Techniken auch ein wirtschaftspolitischer Kern;
ich möchte ihn wenigstens herausgelesen wissen. Treten
wir auf den Markt mit neuen Arbeiten, die sich von
den alten nur dadurch unterscheiden, dass jetzt das
ornamentale Schwänzfein links herum wedelt, während
es früher rechts herum ging, so machen wir das Pu-
blikum müde. Es geht einen Laden weiter. Vor nicht
allzu langer Zeit ging es zum Messingwarenfabrikanten
usw. und Hess den Maler stehen. Kommen die Maler
mit Deckendekorationen, die sie aus der Schablonen-
fabrik beziehen, und in denen sich nach jahrtausende-
altem Rezept die Dekoration in Friese, Ecken, Mitten
und Rosetten teilt, so langweilen sie das Publikum
auch. Aber kommen sie mit dem, was ein wenig
Nachdenken über technische Mittel lehrte, ohne aus
der Art zu schlagen, so macht der Kunde auf einmal
ein ganz anderes Gesicht und es hängt nun von dem
Maler ab, die beim Kunden erwachende Kauflust zu
unterhalten.
Es gilt auch für ganze Berufe das, was für alternde
Ballettänzerinnen und auch für Heissige Schriftsteller
gilt: hat man sie genug gesehen und gehört oder ge-
lesen, so Hndet man sie dürr und fade und langweilig
und sie werden aufs Altenteil gesetzt — manchmal
aber auch bekommen sie nicht einmal das Gnaden-
brot! Und sie verkommen, wenn sie ihrem Gaul, dem
Beruf nicht immer wieder aufs neue die Sporen in die
Weichen rennen! —

Die Aufgaben des Konservators
in unseren Museen.
Von Ernst Berger.
(Schluss.)
(Sonderabdruck aus der Museumskunde.)
Es wäre nun wichtig gewesen, zu entscheiden,
welchen äusseren Ursachen die obigen Schäden zuzu-
schreiben seien, ob sie die Folge der vor wenigen Jahren
eingeführten Zentralheizung waren oder etwa erst jetzt
*) Diese Artikel über dekorative Techniken sind
vor zwölf Jahren geschrieben. Sie sind in ihrem sach-
lichen Teil unverändert abgedruckt, nur die Stellen,
die nur vor zwölf Jahren aktuell waren, sind gestrichen
oder geändert worden. Was der Krieg gebracht hat
und möglicherweise noch bringen wird, musste unbe-
rücksichtigt bleiben.
 
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