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Münchner kunsttechnische Blätter — 15.1918-1919

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Nr. 9
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Die Lehre vom "goldenen Schnitt" und seine Anwendung [1]
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Berger, Ernst: 25 Jahre Münchener Maltechnik [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36588#0050

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50

Münchner kunsttechnische BlAtter

Nr. 9

getragen, und C. Göringer ist es gelungen,
durch einfache und glückliche Konstruktion eines
„Goldenen Zirkels" dem Künstler ein Werkzeug
in die Hand zu geben, durch das er ohne mathe-
matische Berechnung, nur mittels Messung jede
Grösse (Länge oder Breite) nach der Regel des
goldenen Schnittes teilen kann. Zeising hat in der
oben genannten Schrift, in seiner „Neuen Lehre
von der Proportion des menschlichen Körpers"
(Leipzig 1854) die Lehre vom „goldenen Schnitt"
auf die Proportion des menschlichen Körpers aus-
gedehnt und im Zusammenhang mit seiner Theorie
auf die allgemeine Gesetzmässigkeit, auf „Ur-
gesetze" Schlüsse gezogen. Wir entnehmen daraus
folgende Sätze:
„Proportionalität, wie die ihr nahe verwandte
Symmetrie, sind Urgesetze für das Weltall, deren
Einwirkungen sich daher kein Mensch entziehen
kann, weil sie in uns gepflanzt, in unserer Seele
wohnen, so dass sie bei all unserem Schaffen
unwillkürlich zum Ausdruck gelangen.
Die Symmetrie ist die Regelmässigkeit in
der zweiseitigen Gleichförmigkeit, bei der das
Gleichgewicht zum Ausdruck gelangt; die Pro-
portionalität also ist das Gesetz, nach welchem
die einzelnen Teile einer natürlich geteilten
Längenachse in einem ganz bestimmten Ver-
hältnis zu einander sowie zum Ganzen stehen
müssen, damit dieses Ganze als schön erscheint.
Alle Menschen, also besonders die Künstler,
oder auch die Handwerker, selbst die instinktiv
schaffenden Kinder bringen dieses Naturgesetz
bei ihrem Schaffen unbewusst zur Anwendung,
weil sie als Teile des Weltalls diesem Gesetz
unterworfen sind und unter seiner Aeusserung
selbst geschaffen werden."
Zeising ist es gelungen, das Gesetz der Pro-
portionalität in eine ganz bestimmte ziffernmässige
Formel zu bringen, die — es scheint eben nur
als ein Wunder — schon lange in der Tonkunst
offen dalag. Nach diesem Gesetz erscheint das
in zwei ungleiche Teile geteilte Ganze
dann als forma! schön, wenn sich der
kleine Teil zum grösseren ebenso ver-
hält, wie der grössere Teil zum Gan-
zen . . .
„Im äusseren und inneren Bau der Tiere
und der Pflanzen, also in allen körperlichen Glied-
massen ebenso wie in den Zweigen, Blättern, Kno-
spen und Blüten, in den Gruppen mit Linearfiguren
der Kristallisationsformen, in den körperlichen wie
in den Tonwellen, ebenso in allen schönen Kunst-
werken, in den Werken der Architektur, der
Skulptur und der Malerei und der Tonkunst tritt
diese Goldene Regel kategorisch, klar und fest-
bestimmend auf. Am siegreichsten leuchtet sie
aber in der menschlichen Gestalt uns entgegen.
Deshalb also, weil sie schön ist, sowie infolge
dieses neuen Naturgesetzes schön sein muss,

erscheint sie uns auch schön und muss uns so
erscheinen.
Die Einheit jenes Gesetzes lässt aber immer-
hin die Mannigfaltigkeit zu. So bewegt sich die
durch den Nabel geteilte Höhenachse eines wohl-
gebauten menschlichen Körpers innerhalb der
Proportionsverhältnisse der Zahlengruppen Iß, 8,
$ und 8, $, ß. — Die ersten Zahlen drücken die
Teile der ganzen Figur, die zweiten die der
grossen Hälfte vom Nabel abwärts, die dritten
als die der kleineren vom Nabel aufwärts reichen-
den Hälfte.
Die durch Zeising angestellte genaue Be-
rechnung hat nun das merkwürdig überraschende
Resultat ergeben, dass die erste Verhältnisgruppe
genau dem männlichen Körper und gleich-
zeitig dem Durakkord, die zweite aber dem weib-
lichen Körper sowie dem Mollakkord ent-
spricht."
(Fortsetzung folgt.)
25 Jahre Münchener Maltechnik.
Von E. B.
(r. Fortsetzung.)
Da es dem König um eine allgemeine Erneue-
rung der bis dahin wenig gepflegten Baukunst, in
Verbindung mit Bildhauerei und Malerei zu tun
war, wurden auch alle dabei in Frage kommen-
den Techniken eingehend geprüft, und von diesem
Zeitpunkt ab datieren eigentlich die Bestrebungen
zur Hebung aller maltechnischen Verfahren. Es
wurden eigene Kommissionen zur Prüfung des Ma-
teriales, der Haltbarkeit der Farben ernannt, der
Konservator Fr. X. Fernbach, mit chemischem Wis-
sen vertraut, erhielt den Auftrag, die Grundlagen
für Oelmalerei festzusetzen und er wurde damit
betraut, ein enkaustisches Verfahren für Wand-
malerei auszuarbtiten, das dem in Paris eingeführ-
ten Merimeö's gleichwertig sein sollte. Wie sich
Fernbach dieser Aufgabe erledigte, schildert er
selbst in einer besonderen Schrift: Die Enkaustrk
(München 1845).
Um die antike Freskomalerei, insbesondere die
pompejanische Wandtechnik, die seit dem Bekannt-
werden der Ausgrabungen in Herculanum und Pom-
peji eine noch ungelöste Frage gewesen ist, ge-
nauer zu studieren, wurde eine besondere Kom-
mission nach Italien gesandt, der der Lieblings-
schüler des Cornelius, Hiltensperger, Schlotthauer
und einige Fachleute, wie der spätere Bergrat
J. Nep. Fuchs angehörten. Als Erfolg dieser Reise
ist die Erfindung der sog. Stereochromie durch
die beiden Obgenannten anzusehen, nachdem es
Fuchs gelungen war, das Wasserglas, eine Lösung
von Quarz in kohlensaurem Kali oder Natron, zu
entdecken. Das Prinzip des Verfahrens, die innige
chemische Verbindung des Wasserglases mit dem
Calciumhydrat des Kalkes, lief auf eine neuar-
tige Verwendung für Wandmalerei hinaus, die die
 
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