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Münchner kunsttechnische Blätter — 16.1919-1920

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Nr. 7
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Tempera-Bindemittel, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36587#0039
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Münchner kusttechnische Blätter

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Mt. r

Weitere mir bekannte Farben dieser Gattung
s;nd die von Pereiraschen Medium-Temperafarben
der Firma J. G. Müller & Cie., Stuttgart; dieselben
besitzen alle Eigenschaften, die man von einem
guten Material verlangen kann; ihr Preis be-
schränkt allerdings ihre Verwendung mehr auf
die Kunstmalerei, für die sie eigentlich ge-
schaffen sind.
III. Leimtempera.
Der Vollständigkeit halber soll auch dieses
Material besprochen werden, obwohl es weniger
zur Verwendung kommen wird*
Als Grundstoffe kommen hier in Betracht: Ge-
latine, Hausenblase, auch der Schnitzelleim der
Alten und für gewöhnliche Arbeiten der gewöhn-
liche Lederleim (Tischlerleim).
Eine störende Eigenschaft der Leime, die sich
natürlich auch auf ihre Emulsionen überträgt, ist
das „Sulzen“ bei gewöhnlicher Temperatur. Es
kann verhindert werden durch Zusatz von Essig-
säure, die jedoch auf manche Farbstoffe schädigend
einwirkt oder durch sehr langes Kochen des
Leimes, wobei aber viel an der Klebkraft verloren
geht. Der Schnitzelleim (Abschnitzel-, Ziegenleder-
schnitzelleim) der Alten war ein sehr gutes Ma-
terial, das besonders auch zur Herstellung von
Kreidegründen für die Malerei und Vergolderei
ausgiebige Verwendung fand. Es ist leider nicht
mehr käuflich zu bekommen, doch ist die Her-
stellungsweise ganz einfach. Weisse Ziegenleder-
abfälle (Handschuhfabrikation) werden gewaschen,
zirka 12 Stunden in vielem Wasser geweicht, diese
Masse ziemlich lange (mindestens sechs Stunden)
gekocht, dann durch ein feines Tuch geseiht.
Zu Emulsionen darf dieser Leim ziemlich dünn
genommen werden; er verliert bei stark ölhaltigen
Mischungen die Eigenschaft zu gelatinieren.
An öligen Zusätzen kommen bei der Leim-
tempera am besten zur Verwendung Mohnöl und
etwas Balsam, um Sprödigkeit zu vermeiden. Es
versteht sich von selbst, dass diese Stoffe den
warmen und infolgedessen flüssigen Leimlösungen
zugesetzt werden müssen, und zwar am besten in
verseiftem Zustande.
Um bei Leimfarbemaiereien (Theatermalereien!)
besonders tiefe, saftige Töne zu erzielen, oder
um Leimfarbeanstriche herzustellen, die nachträg-
lich lackiert werden können, sind Emulsionen mit
gewöhnlichem Malerleim (Kölner- oder Tischler-
leim) mit Vorteil zu verwenden. Ueberhaupt
sollte man auf die Vorzüge solcher Emulsionen,
besonders bei Arbeiten, die einer starken Be-
nützung ausgesetzt sind, nicht verzichten.
Von Leimtemperafarben des Handels sind mir
nur die von Baron v. Pereira bekannt. (Nicht zu
verwechseln mit den Medium-Temperafarben.)
Doch wird bei diesen Farben nicht nur Schnitzel-
leim, sondern auch Gummi- und Harzlösung als

Bindemittel verwendet. Emulsionen (Eigelb mit
Oel usw.) sollen nach Bedarf erst auf der Palette
zugesetzt werden. Im übrigen ist zu sagen, dass
sie wie die Medium-Temperafarben für die Deko-
rationsmalerei zu teuer kommen.
IV. Kaseintempera.
Wenn ich überhaupt von einem Bindemittel
nur gutes berichten kann, so ist es von diesem;
ich möchte es als ein ideales bezeichnen, das im-
stande ist, alle anderen Temperabindemittel zu
verdrängen. Zuvor einige Worte über Kasein
selbst.
Die Verwendung des Käsestoffes der Milch
als Leim, Kitt und Farbenbindemittel ist sehr alt.
Gewöhnlich wurde dieser „Topfen“, dessen Be-
reitung ja allgemein bekannt ist, zu obengenannten
Zwecken mit Kalk gelöst. Es können auch Al-
kalien zum Aufschlüssen verwendet werden, doch
ist die durch den Aetzkalk bereitete Lösung in-
sofern die beste, als sie durch die Vereinigung
der Eigenschaften von Kalk und Käse an der Luft
zu einer zähen, wasserunlöslichen Masse erhärtet
Als Farbenbindemittel hat sich jedoch dieses
Kalkkasein weniger bewährt. Erstens konnten nur
sogenannte kalkechte Farben verwendet werden
und zweitens ist die Haltbarkeit der Anstriche usw.
nicht die erwartete. Mit Borax bereitete Lösungen
waren wenigstens besser verwendbar.
Die neuere Zeit brachte Kasein als Pulver in
zweierlei Arten in den Handel. Die eine ist reines
Kasein und muss zum Gebrauche mit Kalk, Borax
oder einem Alkali gelöst werden, bei der änderen ist
das Kaseinpul ver bereits mit der richtigen Menge von
Borax oder Alkali gemischt und kann gleich in
warmem Wasser gelöst werden. Die zweite Sorte
ist für die Zwecke des Malers am besten geeignet
Das Kasein in Pulverform hat gegenüber den aus
Topfen hergestellten Bindemitteln den Vorzug,
dass es frei von Fett und Säure ist.
Zur Herstellung von Temperabindemitteln ist
Kasein sehr geeignet. (Deshalb mehren sich auch
die Fabrikate dieser Art, die unter allen mög-
lichen Namen in den Handel kommen, in erstaun-
licher Weise.)
Die Zusammensetzung der Kaseintempera ist
die denkbar einfachste. Kaseinlösung und Oel,
wenn man ein langsam trocknendes Material wünscht,
Kasein und Leinölfirnis, wenn das Erhärten be-
schleunigt werden soll; die öligen Stoffe werden
am besten verseift.
Diese Kaseinemulsionen verleihen den damit
gebundenen Farben grosse Härte und Zähigkeit
und beseitigen dadurch auch die Neigung zum
Abblättern, welche die reinen Kaseinfarben be-
sitzen; es ist deshalb nur in Ausnahmefällen not-
wendig, etwas Balsam zuzusetzen. Ihr grösster
Vorzug ist aber wohl der, dass sie bei grösserem
Oel- oder Firnisgehalt (ljs bis 3/2) nach dem Er-
 
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